Der Vatikan: Zwischen Politik und Spiritualität

Der Vatikan stellt in der internationalen Staatengemeinschaft ein Unikat dar, ist er doch einerseits das Weltzentrum der katholischen Kirche, andererseits auch ein souveräner Kleinstaat.

Der Heilige Stuhl und der Staat der Vatikanstadt sind zwei separate Völkerrechtssubjekte. Der jeweilige Papst fungiert nicht nur als „Heiliger Vater“ der Katholiken weltweit, sondern auch als Oberhaupt des „Stato della Citta del Vaticano“ mit einer eigenen Regierung, einer eigenen Armee und einer eigenen Gerichtsbarkeit. Bis 1870 erstreckte sich der - auf die so genannte Pippinsche Schenkung aus dem Jahr 756 zurückgehende - Kirchenstaat quer durch Mittelitalien bis nach Ravenna. 1929 schufen dann Papst Pius XI. und das faschistische Italien in den Lateranverträgen den Vatikanstaat in der heutigen Form.

Blick von der Kuppel des Petersdoms auf die Vatikanischen Gärten

APA/KNA-Bild

Blich von der Kuppel des Petersdoms in die vatikanischen Gärten

Vatikanischer „Regierungsapparat“

Der „Regierungsapparat“ des Vatikans ist die Römische Kurie. An ihrer Spitze steht der Kardinalstaatssekretär, der „Ministerpräsident“. Bis zum Tod von Johannes Paul II. stand der italienische Kardinal Angelo Sodano hierarchisch an dieser zweiten Stelle - danach mussten praktisch alle Kardinäle ihre kirchenstaatlichen Funktionen zurücklegen. Nun hat Tarcisio Bertone dieses Amt inne. Er ist der engste Mitarbeiter des Papstes und leitet die Vatikan-Diplomatie. Ihm untersteht das Staatssekretariat, das „Ministerium“. Sodano ist nun Kardinaldekan.

Weitere wichtige Elemente der Römischen Kurie sind die neun Kongregationen, in denen maßgebliche päpstliche Vorgaben umgesetzt werden. Zu den exponiertesten Präfekten zählt jener der einflussreichen Glaubenskongregation, zuletzt war dies der Bayer Joseph Ratzinger. Weitere Kongregationen arbeiten zu Liturgiefragen, behandeln Selig- und Heiligsprechungsprozesse, beschäftigen sich mit der Evangelisierung der Völker und erarbeiten u.a. Richtlinien für das katholische Bildungswesen.

Eigene Judikatur

Der Vatikan verfügt - wie seine weltlichen Pendants - auch über eine eigene Judikatur und ist auf drei Gerichtshöfe aufgeteilt. Als eine der härtesten Strafen gilt die Exkommunizierung, der spirituelle Ausschluss aus der katholischen Kirche. Daneben sieht die Verfassung vom 25. Jänner 1983 die Einrichtung der Päpstlichen Räte vor. Laut dem Codex des kanonischen Rechts (CIC) widmen sich die Räte u.a. den Themen Familie, Laien, Einheit der Christen, Seelsorge und interreligiöser Dialog.

Der Vatikan unterhält mit etwa 180 Staaten und internationalen Organisationen diplomatische Beziehungen, die vom jeweiligen Nuntius (Botschafter) gepflegt werden, der auch die jeweiligen Landeskirchen beaufsichtigt. Der oberste geistliche Diplomat in Österreich ist Nuntius Peter Zurbriggen. Für die Sicherheitsbelange ist die „Armee“ des Vatikans zuständig, die Schweizergarde.

Spirituelle Aufgaben

Während die Römische Kurie eher konkrete, weltlich-politische Aufgaben zu erfüllen hat, haben andere vatikanische Institutionen vor allem eine spirituelle Basis. Das Bischofskollegium gilt zusammen mit dem Papst als Träger höchster und voller Gewalt, zum Beispiel während eines Konzils. Dieses tagte zuletzt beim Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965. Die Bischofssynode - sie tritt wieder im kommenden Oktober zusammen - ist eine Versammlung von Bischöfen und Kardinälen aus aller Welt. Aufgabe dieses „spirituellen Parlaments“ ist es, den Papst in wichtigen aktuellen Kirchenfragen zu beraten.

Das Kardinalskollegium hat zwar protokollarisch nicht die führende Rolle inne, stellt aber faktisch dennoch das wichtigste Gremium kollegialen Handelns dar - vor allem in der Zeit zwischen zwei Päpsten (Sedisvakanz). Es bereitet das Konklave vor, ihre wahlberechtigten Mitglieder sind aber nur jene Purpurträger, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Starke mediale Präsenz

Die Basis der Kirche stellen die insgesamt etwas mehr als eine Milliarde Katholiken weltweit dar. Um mit ihnen zu kommunizieren, greift der Vatikan teilweise auf modernste Kommunikationstechnologien zurück. Neben den bekannten Medien „Osservatore Romano“ und „Radio Vatican“ entstanden unter Johannes Paul II. auch ein eigener TV-Sender, das „Centro Televisivo Vaticano“ (CTV) sowie die offizielle, sechssprachige Internet-Homepage des Kirchenstaates - mehr dazu in:Verschwiegenheit mit System: Die Medien und der Vatikan Papst Benedikt XVI. führte seit einiger Zeit sogar einen Twitter-Account - mehr dazu in: Papst auf Twitter: 500.000 Follower am ersten Tag.

Wenig Transparenz

Der Papst verfügt über eines der größten Vermögen der Welt, doch niemand weiß wirklich, wie reich der Kleinstaat ist. Jedes Jahr veröffentlicht der kleinste Staat der Welt zwar seine Bilanzen. Was der Präsident der vatikanischen Wirtschaftspräfektur dabei der Öffentlichkeit vorlegt, wirkt jedoch erstaunlich mickrig. Ist der „Heilige Stuhl“ tatsächlich so arm dran, wie er vorgibt?

Laut den Angaben des vergangenen Jahres meldete der Vatikan 2011 (die aktuellsten verfügbaren Zahlen) ein Minus von 14,9 Millionen Euro. Der Grund für den Fehlbetrag ergebe sich aus der negativen Entwicklung der Weltmärkte, berichteten die Kardinäle, die über die Bilanzen wachen. Den größten Posten im Haushalt des Heiligen Stuhls machten demnach die Personalkosten für die 2.832 Angestellten, sowie die Ausgaben für die Medien aus.

Vorwurf der Geldwäscherei

Umstritten und geheimnisumwoben ist das „Istituto per le Opere di Religione“ (IOR) - mehr dazu in: Deutscher neuer Chef der Vatikan-Bank. Dieses 1942 von Papst Pius XII. gegründete „Institut für religiöse Werke“ gilt als die eigentliche Vatikanbank, legt aber traditionell weder Bilanzen noch Rechenschaftsberichte vor. Eigentümer ist der Pontifex. Gewinne streift er aber nicht ein, die Person selbst ist mittellos.

Um mehr Transparenz in den Vatikan-Finanzen einzuführen, hatte Benedikt XVI. Ende 2010 mit einem Erlass neue Normen gegen die Geldwäscherei angeordnet. Gleichzeitig wurde auch eine neue vatikanische Finanzaufsichtsbehörde geschaffen. Damit wurde offenbar darauf reagiert, dass der Anti-Geldwäscherei-Ausschuss „Moneyval“ des Europarates dem Vatikan noch im vergangenen Sommer zwar normative Fortschritte attestiert, doch zugleich bemängelt hatte, dass die konkrete Kontrolle unzureichend geblieben sei.

religion.ORF.at/APA

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