Missbrauch: US-Kardinäle fordern harte Linie aus Rom

Der nächste Papst muss die Nulltoleranz-Politik gegenüber sexuellem Missbrauch durchsetzen und deren Prävention in der Kirche weiterführen, so Kardinal Francis George am Montag.

Das sagte der US-amerikanische Kardinal zwischen den Zusammenkünften der ersten Generalkongregation zur Vorbereitung des Konklaves. George - er ist Erzbischof von Chicago und war bis 2010 Präsident der US-amerikanischen Bischofskonferenz - wies auch auf das Problem der sexuellen Verfehlungen einzelner Kirchenmänner hin, die juridisch außerhalb des Missbrauchs angesiedelt sind. In jedem Fall handle es sich um „schreckliche Wunden am Leib der Kirche“.

„Wer auch immer zum Papst gewählt werden wird: Es ist evident, dass er den universalen Kodex der Kirche mit einer Nulltoleranz dem Missbrauch von Minderjährigen gegenüber umzusetzen und durchzusetzen hat“, sagte der 76-jährige Erzbischof von Chicago gegenüber der Nachrichtenagentur „Catholic News Service“ (CNS) in Rom. Er sehe jedoch zugleich eine „fest verwurzelte Überzeugung“, mit Entschlossenheit dagegen vorzugehen.

US-Bischöfe mit Nulltoleranz-Politik

Die US-Bischöfe hätten sich für eine eigene Nulltoleranz-Politik eingesetzt und auch Überzeugungsarbeit gegenüber Kirchenvertretern in anderen Ländern wie etwa Indien geleistet, um ähnliche Normen und Regeln zu adaptieren. „Die Wunden in den Herzen und Seelen der Opfer sind oft sehr tief, und solange das so ist, tragen wir sie alle für eine lange Zeit mit uns. Der nächste Papst muss sich dessen bewusst sein“, so der seit 1998 dem Kardinalskollegium angehörende Erzbischof.

Kardinal George nahm auch zum Konklave-Rückzug des schottischen Kardinals Keith O’Brien (74) Stellung. O’Brien bat nach Vorwürfen von „unangemessenem Verhalten“ am Sonntag öffentlich um Verzeihung, trat als Leiter der Erzdiözese Edinburgh zurück und kündigte zugleich den Rückzug aus dem öffentlichen Leben der Kirche an. Dem Chicagoer Kardinal zufolge habe O’Brien nun die Konsequenzen aus seinem unrechtmäßigen Fehlverhalten gezogen. „Ich bin mir nicht sicher, ob die persönliche Tragödie eines einzelnen Kardinals die Diskussion grundsätzlich beeinflussen wird“, so George.

O’Malley: Aufgabe Missbrauchsaufklärung

Auch der Bostoner Erzbischof Kardinal Sean Patrick O’Malley sieht die Aufklärung der Missbrauchsfälle neben Reformen in der Kirchenleitung und der Christenverfolgung als Hauptthema des nächsten Pontifikats. Der neue Papst müsse sich außerdem mit der Beziehung zwischen Christen und Muslimen sowie dem Bildungsmangel in einigen Ländern auseinandersetzen, so O’Malley, der sich ebenso wie George zur Vorbereitung des Konklaves in Rom aufhält.

Der 68-jährige Kardinal verzeichnete auch positive Entwicklungen in der katholischen Kirche: Sie wachse und blühe. Vier Millionen junge Katholiken wollten in diesem Sommer beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro mit dem neuen Papst zusammentreffen, führte O’Malley als Beleg an.

Mahony: Keine Vertuschung

Der kalifornische Kardinal Roger Mahony räumte in Rom gegenüber dem „Corriere della Sera“, dass er Fehler im Umgang mit sexuellen Missbrauchsfällen begangen habe. Gleichzeitig verwahrte sich der emeriterte Erzbischof von Los Angeles aber gegen den Vorwurf einer Vertuschung.

Kardinal Roger Mahony

EPA/Armando Arorizo

Kardinal Roger Mahony

Er habe die „wahre Natur des Problems“ zunächst nicht rechtzeitig erkannt, dann jedoch habe er alles getan, um diese Verbrechen abzustellen. Es sei ein „sehr schmerzhafter Fehler“ gewesen, dass er sich im Jahr 1994 nur auf die Untersuchung der damals neuen Fälle konzentriert habe. Diesen Fehler habe er allerdings seit dem Jahr 2002 „vollkommen behoben“.

Der amtierende Erzbischof von Los Angeles, Jose Gomez, hatte seinen Vorgänger Mahony wegen dessen Umgang mit Missbrauchsfällen im Februar von seinen noch verbliebenen Aufgaben im Erzbistum entbunden. Auch die Leitung öffentlicher Gottesdienste in der Erzdiözese wurde ihm untersagt. Mahony befindet sich gegenwärtig in Rom, um an der bevorstehenden Papstwahl teilzunehmen. Kritiker hatten sein Fernbleiben vom Konklave gefordert.

FBI-Agenten untersuchen Missbrauchsfälle

Mahony verwies auf das Treffen der US-amerikanischen Bischöfe 2002. Danach habe er im Jahr 2002 die schon getroffenen Maßnahmen zur Aufklärung und Vorbeugung von sexuellem Missbrauch verstärkt. So habe er unter anderem ehemalige FBI-Agenten mit der Untersuchung von Missbrauchsfällen beauftragt.

Zugleich wies Mahony darauf hin, dass er für alle Priester, Ordensleute und Laien, die in kirchlichen Einrichtungen mit Minderjährigen arbeiteten, eine Überprüfung eingeführt habe. In den vergangenen zehn Jahren hätten in Los Angeles mehr als 200.000 Erwachsene und mehr als eine Million Kinder ein Antimissbrauchstraining absolviert, sagte Mahony.

Am Mittwoch Abstimmung zu Konklavebeginn

Die zur Vorbereitung des Konklaves versammelten Kardinäle setzten am Dienstag bei ihrer dritten Generalkongregation die Aussprache über die Lage der Kirche und über die Vorbereitungen für die bevorstehende Papstwahl fort. Bei ihrer zweiten Sitzung am Montagnachmittag hatten die Kardinäle eine Meditation von Kapuzinerpater Raniero Cantalamessa, dem Prediger des Päpstlichen Hauses, gehört. Die Abstimmung über den Beginn des Konklaves ist dem Vernehmen nach für Mittwoch vorgesehen.

Der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner und Kardinal Rainer Maria Woelki aus Berlin wurden am Dienstag vor der Generalkongregation im Vatikan vereidigt. Gemeinsam mit Kardinal-Patriarch Bechara Boutros Rai (Beirut) und Kardinal Theodore-Adrien Sarr (Dakar) versicherten sie als einige der als letzte eintreffenden Papstwähler die Beachtung der Geheimhaltungsvorschriften und der Wahlordnung für das Konklave. Mit ihnen sind nun 107 der 115 erwarteten papstwahlberechtigten Kardinäle im Vatikan anwesend.

„Falscher Bischof“ ist Deutscher

Der Mann, der sich am Montag beim Treffen der Kardinäle zur Vorbereitung auf das Konklave in den Vatikan gemogelt hatte, heißt Ralph Napierski und ist bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) kein Unbekannter, bestätigte die DBK-Pressestelle am Dienstag. Der Deutsche hatte sich als „Basilius“ ausgegeben, trug eine lilafarbene Schärpe um die Hüfte und schüttelte Priestern und Kardinälen die Hand.

Journalisten sagte der falsche Bischof, er sei Mitglied der Italienischen Orthodoxen Kirche, die aber nicht existiert. DBK-Sprecher Matthias Kopp sagte, Napierski werde nicht im Päpstlichen Jahrbuch geführt, in dem alle rechtmäßigen katholischen Bischöfe verzeichnet sind. Im Internet tritt Napierski unter verschiedenen Amtsbezeichnungen auf - mehr dazu in Falscher Bischof narrte Vatikan.

religion.ORF.at/KAP

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