Macht und Mission: Die Jesuiten

Mit Papst Franziskus besteigt zum ersten Mal ein Jesuit den Papst-Stuhl. Über den Orden selbst ist vielen Menschen nur wenig bekannt. Dabei hat er Europa in den letzten fünfhundert Jahren stark geprägt.

Der Provinzial der österreichischen Provinz der Jesuiten, Pater Gernot Wisser, nannte die Wahl des argentinischen Kardinals Jorge Mario Bergoglio zum neuen Papst ein „gutes Zeichen für die Weltkirche“. Dass der neue Papst aus seinem Orden stammt, beurteilte der Jesuit mit Zurückhaltung: „Unsere Aufgabe als Jesuiten ist es nicht primär, in der Weltkirche and vorderster Stelle zu stehen und Bischöfe zu stellen. Vielmehr liegt das Charisma wie in den meisten Orden im Leben in Gemeinschaft“, so Pater Wisser.

Ignatius von Loyola in einer zeitgenössischen Abbildung

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Ignatius von Loyola (1491 bis 1556) in einer zeitgenössischen Abbildung

Der Spanier Ignatius von Loyola (eigentlich Inigo Lopez de Loyola, 1491 bis 1556) gründete 1534 mit sechs Gefährten die „Societas Jesu“ (Gesellschaft Jesu), deren Mitglieder gewöhnlich Jesuiten genannt werden. 1540 wurde die Gesellschaft vom Heiligen Stuhl offiziell als Orden anerkannt. Er wurde als reiner Männerorden gegründet. Einer der Mitbegründer, der Ordensheilige Francisco de Xavier (1506 bis 1552) oder Franz Xaver, gilt neben dem heiligen Franz von Assisi als Namensgeber von Papst Franziskus.

Innere Erneuerung und äußere Mission

Das Hauptanliegen des Jesuitenordens war die innere Erneuerung der katholischen Kirche und ihres Klerus. Dem dienten und dienen „geistliche Übungen“, 30-tägige Exerzitien, die in großer Stille abgehalten werden. Außerdem verzichten die Jesuiten auf eine eigene Ordenstracht und das Klosterleben und widmen sich stattdessen einer möglichst „normalen“ Lebensweise. Sie leben auch heute nicht zurückgezogen im Kloster, sondern unterrichten zum Beispiel an Hochschulen. Erklärtes Ziel der Gesellschaft Jesu war von Anfang an die Mission und damit einhergehend das Streben nach Mobilität.

Ordensmitbegründer Franz Xaver baute im 16. Jahrhundert in Asien eine Jesuitenmission auf und gilt heute „als einer der Vorreiter echter Inkulturation der Kirche in die Gesellschaften der jeweiligen Länder: einer Mission, die die Menschen und ihre eigenständige Kultur ernst nimmt“, wie es Christian Solidarity International (CSI) in einer Presseaussendung anlässlich der Wahl des Jesuitenpaters Bergoglio zum neuen Papst formulierte.

Florierende Missionssiedlungen

Auch in Indien und Indonesien gab es im 16. und 17. Jahrhundert florierende Jesuitenmissionen. Der Ausgang des Riten- oder Akkomodationsstreits, einer Auseinandersetzung über die Art christlicher Mission, beendete das jesuitische Experiment in Asien endgültig. Die Jesuiten hatten die Beibehaltung althergebrachter Riten in den missionierten Ländern gebilligt und zugelassen, wofür sie seit Ende des 17. Jahrhunderts immer schärfer kritisiert wurden. Papst Benedikt XIV. schaffte diese Regelung 1742 endgültig ab.

Gemälde im jesuitischen  St.-Joseph-Seminar in Macau, China

APA/EPA/Adrian Bradshaw

Gemälde im jesuitischen St.-Joseph-Seminar in Macao, China

Der Orden errichtete ab 1609 eine Art Jesuitenstaat auf dem Gebiet der heutigen Länder Paraguay, Brasilien und Argentinien. In ihren Missionssiedlungen, den Reduktionen, lebten zahlreiche Indigene. Die Jesuiten gingen auf die Lebensgewohnheiten der Ureinwohner ein und lernten ihre Sprache und sie versuchten nicht - wie andere Missionare -, deren Bräuche und Traditionen völlig auszurotten.

In den Reduktionen Paraguays konnten die Indigenen weitgehend sicher leben. Doch 1767 wurden die Jesuiten von den Spaniern aus Südamerika verbannt - man warf ihnen vor, Eingeborene zu Aufständen verleitet zu haben. Die Reduktionen wurden zerschlagen, die Indigenen teilweise versklavt. Die Ruinen der Jesuitenmissionen kann man noch heute besichtigen.

Die „Intellektuellen“ der katholischen Kirche

Die Jesuiten gelten als intellektuelle Speerspitze der katholischen Kirche und sind bekannt für anspruchsvolle Predigten. Bildung, Missionierung, Spiritualität und Sorge um die Armen gehören zu den Aufgaben des Ordens, der an seine Mitglieder hohe Anforderungen stellt: Jesuiten absolvieren eine theologische und philosophische Ausbildung. Im 17. und 18. Jahrhundert dominierten sie in vielen Ländern Europas, auch in Österreich, das Bildungswesen. Die Jesuitenschulen waren über Jahrzehnte eine der wenigen Möglichkeiten für bürgerliche - freilich nur männliche - Kinder, eine höhere Bildung zu erlangen, bevor in Österreich die allgemeine Schulbildung eingeführt wurde. Auch kulturell, zum Beispiel in der Theaterkunst, mischten die Jesuiten in der Neuzeit stark mit.

Ruinen der Jesuitenmission in Trinidad, Paraguay

APA/EPA/Andres Cristaldo

Ruinen der Jesuitenmission in Trinidad, Paraguay

Dieses Auftreten der Jesuiten als Elite innerhalb der Kirche führte zu Misstrauen, Neid und Ablehnung. Die Tatsache, dass in der Neuzeit viele Königs- und Kaiserhöfe Jesuitenpater als Beichtväter und somit Vertraute hatten, brachte ihnen zwar politischen Einfluss, verstärkte aber auch die Ressentiments gegen den Orden.

Viel an Agitation gegen die Gesellschaft Jesu kam aus anderen katholischen Orden. Den Jesuiten wurden unter anderem Geld- und Machtgier, Ungehorsam gegen Papst und König, Sklavenhandel und verbotene Geschäfte vorgeworfen. So kam es vor allem im 17. und 18. Jahrhundert zu Verfolgungen in Südeuropa. Viele Jesuiten wurden eingekerkert, gefoltert und hingerichtet. Mitte des 18. Jahrhunderts folgte die Vertreibung aus Portugal, Spanien, Frankreich, Neapel und Parma.

Zerschlagung des Ordens im 18. Jahrhundert

Unter dem Druck der Bourbonen, die dem Papst mit einer Kirchenspaltung drohten, hob Papst Clemens XIV. am 21. Juli 1773 den Orden auf. Die Zerschlagung des Jesuitenordens als Speerspitze der päpstlichen Gewalt begleitete den Niedergang des Papsttums im 18. Jahrhundert.

Unter Pius VII. 1814 wiederhergestellt, bemühten sich die Jesuiten, ihre alte Machtstellung und die Unterstützung der mächtigen Fürstenhöfe wiederzugewinnen, was aber nie mehr ganz gelang. In der Gegenreformation spielten die Jesuiten eine wichtige Rolle. Sie gründeten viele Ordenshäuser in protestantischen Gegenden. Im Deutschen Reich wurden die Jesuiten ab 1872 als Reichsfeinde verfolgt.

Verfolgung durch Nationalsozialisten

Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten galten Jesuiten neben Kommunisten, Juden und Freimaurern als „Reichsschädlinge“. Die Angelegenheiten der Gesellschaft Jesu verwaltete das „Judenkommissariat“ des Reichssicherheitshauptamtes, dessen Leiter Adolf Eichmann war. Zahlreiche Jesuiten wurden in Konzentrationslagern interniert, einige hingerichtet.

Zu den bekanntesten Jesuiten des 20. Jahrhunderts gehören der Konzilstheologe Karl Rahner und Hugo Lassalle, der den Zen-Buddhismus mit der christlichen Mystik verbinden wollte. Auch Vatikan-Sprecher Federico Lombardi gehört dem Orden an. Wie in vielen katholischen Ordensgemeinschaften mangelt es heute auch den Jesuiten an Nachwuchs. In Österreich leben etwa 90 Jesuiten in Wien, Graz, Innsbruck, Linz, St. Andrä im Lavanttal und Steyr.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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