Befreiungstheologen: Hoffnungen in Papst Franziskus

Namhafte Befreiungstheologen werten die Wahl Jorge Mario Bergoglios als Hoffnungszeichen. Einige orten einen „Wandel in der Person des Papstes“ und trauen ihm die Reform der vatikanischen Kurie zu.

Lob für den Papst aus dem Munde namhafter Befreiungstheologen ist eine der Neuerungen, die Franziskus in seinem erst einwöchigem Pontifikat gebracht hat. Unter ihnen Jon Sobrino aus El Salvador: Der Papst sei zwar früher als Jorge Mario Bergoglio „kein Romero“ zur Zeit der Militärjunta gewesen, doch sehe er in der „Einfachheit und Demut“ des bisherigen Auftreten des Papstes „kleine Zeichen“, die noch „zu großen Zeichen anwachsen“ sollten, so der Jesuit in einer Stellungnahme, die „Kathpress“ vorliegt.

Casaldaliga traut Franziskus Kurienreform zu

Aus Brasilien meldete sich nach Leonardo Boff, der - selbst Folteropfer - Bergoglios Anschuldigungen für die Zeit in der Militärdiktatur als „unbegründet“ bezeichnet und dessen Einsatz für Verfolgte auch während dieser Zeit hervorgehoben hatte, auch Pedro Casaldaliga zu Wort. Der 85-jährige Bischof, der erst im Dezember nach Morddrohungen vorübergehend untergetaucht war, lobte gegenüber der Zeitung „O Globo“ insbesondere die Einfachheit von Papst Franziskus, dessen Antrieb zur Evangelisierung sowie die Demutsgestik unmittelbar nach der Wahl. Man könne einen „Wandel in der Person des Papstes“ erkennen und es bestünden „Hoffnungen auf eine Kurienreform“.

„Rastloser Kämpfertyp“

Viele Wegbegleiter erinnerten sich an Bergoglio als Person tiefer Überzeugungen, voll Temperament sowie als rastlosen Kämpfertyp, gab Sobrino an. Er selbst habe den heutigen Papst zwar bisher nicht näher kennengelernt, berufe sich jedoch auf Auskunftspersonen aus Argentinien. „Wenn er Papst wird, räumt er in der Kurie auf“, habe man schon bisher humorvoll über Bergoglio gesagt. Einen weiteren Charakterzug des Paptses unterstrich Sobrino durch Berichte von Priester aus Bergoglios Umfeld, denen zufolge ihnen der einstige Erzbischof von Buenos Aires öfters angeboten habe, sie persönlich in den Pfarren zu vertreten.

Bergoglios Genügsamkeit und Bescheidenheit sei von „echtem Interesse für Arme, Notleidende und gescheiterte Gewerkschafter“ geprägt gewesen, für die er ein beharrlicher Verteidiger vor der Regierung gewesen sei, bescheinigte Sobrino dem Papst, dessen eigene Form der „Option für die Armen“ sehr geschätzt worden sei. Besonders halte er ihm jedoch den Einsatz für Benachteiligte zugute: So habe Bergoglio etwa mit viel Nachdruck öffentlich Gerechtigkeit für die Opfer eines Diskotheken-Großbrandes von 2004 gefordert oder mit mitunter „prophetischer“ Sprache Missstände wie Menschenhandel, Sklavenarbeit, Prostitution und Drogenhandel benannt und angeprangert.

„Kein Romero“ zur Zeit der Militärdiktatur

In der Frage der Zeit der Militärjunta (1976-1983) gab Sobrino die Sichtweise des jungen argentinischen Theologen Francisco Herman Bosch wieder: Es scheine „nicht gerechtfertigt, von Komplizenschaft zu sprechen“, wenngleich Bergoglio in dieser Zeit von der sich für die Armen einsetzende Volkskirche „entfernt gewesen“ sei und als Jesuitenprovinzial andere „nicht mit demselben risikobereiten Einsatz“ wie später verteidigt habe. Bergoglio habe auch nicht das Bild des von den Militärs ermordeten Bischof Angelelli oder anderer Kirchenoberen in direkter Konfrontation mit der Diktatur widergespiegelt. „Er war kein Romero“, so Sobrino, bemerkte jedoch zugleich vorsichtig, dass er selbst nicht genügend Informationen habe und fürchte, sich zu irren.

Antonio Reiser: Einer der Guten

„Es sind schon viele Päpste gewählt worden, auch gute. Dieser Papst gehört zu den Guten!“, erklärte der argentinische Befreiungstheologe Antonio Reiser die Papstwahl gegenüber der „Linzer Kirchenzeitung“. Als Priester stand Reiser 1977 selbst auf der Todesliste der argentinischen Militärjunta, musste fliehen und ließ sich von seinen Rechten und Pflichten als Prister entbinden. Bergoglio habe „sich nie öffentlich für die Befreiungstheologie ausgesprochen“, wohl aber im persönlichen Gespräch Sympathie für sie bekundet, so der heute 81-Jährige.

Es stimme nicht, dass der Papst während der Militärdiktatur Menschen verraten hätte, so Reiser. „Alle waren damals ängstlich und man konnte nicht viel tun. Aber die Kirche hat sich gut eingesetzt für die zwei Jesuiten, dass sie ausgewiesen, nicht ermordet wurden.“ Regierungskreise würden davon reden, dass sich Bergoglio damals nicht für die Menschenrechte eingesetzt hätte. Das sei jedoch von vielen entschieden zurückgewiesen worden, darunter auch ein Teil der „Mütter vom Mai-Platz“. „Von der Militärjunta Verfolgte haben nach Bekanntwerden der Vorwürfe sofort reagiert und betont, dass Bergoglio kein Kollaborateur gewesen ist und vielen sogar geholfen hat“, so Reiser.

„Kein Linker, aber sozial bewusst“

Die Missbilligung der Regierung habe sich Bergoglio eingehandelt für seine öffentliche und entschiedene Kritik an ihr, sie setze sich nicht für die Armen ein. Bei der Regierung nahestehenden Abgeordneten sei die Nachricht von der Wahl Bergoglios, die bei einer Parlamentssitzung eintraf, daher auf „keine Begeisterung“ gestoßen, wie auch im argentinischen Fernsehen zu sehen gewesen sei.

„Mit großer Sympathie“ wies Antonio Reiser auf Bergoglios Praxis der Zuwendung zu den Armen hin. Er sage nicht, Franziskus sei ein „Linker“, doch sei er „sozial bewusst und auf der Seite der Armen“ und selbst als Erzbischof oft ganz alleine und ohne Polizeischutz in den Elendsvierteln von Buenos Aires unterwegs gewesen.

KAP

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