D: Evangelische Kirche lädt Papst nach Wittenberg ein

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat am Montag Papst Franziskus für 2017 nach Wittenberg eingeladen. Anlass ist das Reformationsjubiläum.

Am 31. Oktober 1517 hatte der Reformator Martin Luther seine Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche genagelt. Schneider lud Papst Franziskus ein, das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 mitzufeiern, wie er am Montagabend in Rom berichtete. Am Vormittag hatte er eine halbstündige Begegnung mit Franziskus gehabt, über die er sich euphorisch äußerte.

„Andere Tonalität“ als bei Benedikt

Es sei nicht nur ein „intellektueller Austausch“, sondern ein „Austausch der Herzen“ gewesen, so Schneider. Zum Abschied hätten sich beide mit „Bruder“ angeredet und gemeinsam das Vaterunser gebetet. Der Ratsvorsitzende sprach von einer „anderen Tonalität“ im Vergleich zu Benedikt XVI. Der deutsche Papst sei zwar ihm persönlichen Umgang auch sehr angenehm gewesen. Die ökumenische Bilanz seines Pontifikats falle jedoch „gemischt“ aus.

EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider mit Papst Franziskus, rechts der Schweizer Kardinal Kurt Koch

APA/EPA/Osservatore Romano

EKD-Ratsvorsitzender Schneider mit Papst Franziskus, rechts der Schweizer Kardinal Kurt Koch

Auch inhaltlich verspricht sich Schneider vom lateinamerikanischen Papst offenbar viel für die Ökumene: Konkrete Fragen wie das gemeinsame Abendmahl seien zwar nicht angesprochen worden, schließlich habe er bei seinem ersten Besuch noch keine „ökumenischen Verhandlungen“ vorbereiten wollen, sagte er. Nach seinem Eindruck sei dieser Papst jedoch bereit, „Fenster und Türen zu öffnen, damit neue Wege möglich sind“, so der EKD-Ratsvorsitzende.

Chancen für gemischtkonfessionelle Ehen

Insbesondere für ein gemeinsames Abendmahl für Eheleute aus gemischtkonfessionellen Ehen sieht Schneider offenbar nun größere Chancen. Er sei überzeugt, dass Franziskus, der so sehr mit der Lebenswirklichkeit armer und bedrängter Menschen vertraut sei, „emotional auch ein großes Verständnis für die Nöte gemischtkonfessioneller Familien“ habe.

Beobachter sagten, es sei eine unverhoffte Ehre, dass der oberste Repräsentant des deutschen Protestantismus von einem argentinischen Papst nach kaum vier Wochen im Amt empfangen wurde - noch vor etlichen Kurienkardinälen oder Vorsitzenden der Bischofskonferenzen. Anders als Benedikt XVI., der aus seinem Heimatland und als vormaliger Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation aus eigener Anschauung bestens mit dem Protestantismus vertraut war, hat es der neue Papst in Argentinien vor allem mit evangelikalen Kirchen zu tun gehabt. Franziskus gilt deshalb in der Ökumene noch als weitgehend unbeschriebenes Blatt.

In einem ersten Empfang für Vertreter der christlichen Kirchen kündigte er kurz nach seiner Wahl an, dass er den ökumenischen Kurs des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) fortsetzen wolle. Zudem heißt es, dass Franziskus mit der Reformation besser vertraut sei als viele denken. Das bescheinigte ihm jedenfalls der vatikanische Ökumenebeauftragte Kardinal Kurt Koch, mit dem Schneider ebenfalls zusammentraf. Beachtung fand auch, dass der erste Satz, den der neue Papst auf Deutsch sprach - dazu noch vor dem versammelten Kardinalskollegium - von einem einstigen Studenten der evangelischen Theologie aus Deutschland stammt: dem Dichter Friedrich Hölderlin (1770 bis 1843).

Ursprünglich Treffen mit Benedikt geplant

Die Reise Schneiders nach Rom war freilich schon lange geplant. Nach Angaben der EKD ist der offizielle Anlass ein Konzert, das die EKD der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl als Geschenk bereitet. Ursprünglich wäre ein Gespräch mit Benedikt XVI. vorgesehen, als Gegenbesuch für dessen Aufwartung im Augustinerkloster in Erfurt. Dann kam der unerwartete Rücktritt Benedikts XVI. und die Wahl seines Nachfolgers Franziskus. Der Verantwortliche für dessen Terminkalender blieb jedoch mit Erzbischof Georg Gänswein der Gleiche.

Papst Benedikt XVI. besuchte als erster Papst Luthers einstiges Kloster in Erfurt. Schneider, der Franziskus nun zum Reformationsjubiläum einlud, sagte, in Wittenberg und Berlin sollten 2017 keine „deutschen Jubelfeiern“ mit einem „Helden Martin Luther“ stattfinden. Es solle vielmehr ein „Christusfest“ für alle Christen werden, eine Feier dessen, dass „das Evangelium mit der Reformation einen neuen Weg zu den Menschen gefunden hat“. Wie das konkret aussieht, wenn ein Papst ein Reformationsjubiläum „mitfeiert“, blieb freilich offen.

Das gemeinsame Reformationsgedenken stand auch im Mittelpunkt des Gesprächs Schneiders mit dem päpstlichen Ökumeneverantwortlichen Kardinal Kurt Koch. Man habe über eine gemeinsame Ausstellung und Konzerte im Jahr 2017 in Rom gesprochen, sagte der EKD-Ratsvorsitzende. Es habe nicht viele „konkrete Ergebnisse, aber viele konkrete Verabredungen“, gegeben. Zudem habe er Koch eingeladen, auf einer EKD-Synode über das Schriftverständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils zu sprechen.

religion.ORF.at/KAP

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