NGOs fordern Kürzungsstopp bei Entwicklungshilfe

Ein Zusammenschluss von 47 österreichischen NGOs fordert eine Trendwende in der Entwicklungszusammenarbeit (EZA). Am Dienstag wird das Bundesfinanzrahmengesetz im Ministerrat behandelt.

Kern der Forderungen der 47 Nichtregierungsorganisationen an die Bundesregierung, die am Montag vor Journalisten in Wien präsentiert wurden: die Rücknahme der Kürzungen im EZA-Budget seit 2010 sowie die gesetzliche Verankerung des Kürzungsstopps im Bundesfinanzrahmengesetz. Dieses soll im morgigen Ministerrat beschlossen werden.

Die vorgesehenen Kürzungen in der EZA im Umfang von 32 Millionen Euro müssten rückgängig gemacht werden, forderte die Initiative, die unter dem Motto „mir wurscht ...?“ auftritt. Denn „es kann nicht wurscht sein und es ist uns auch nicht wurscht, wenn Entwicklungshilfegelder totgespart werden“, so Annelies Vilim, Geschäftsführerin des Dachverbandes AG Globale Verantwortung.

Sollten das Budget für direkte Auslandshilfe im Jahr 2014 tatsächlich nur mehr 53 Millionen anstatt rund 85 Millionen Euro – wie im Jahr 2010 – betragen, wäre das „eine menschliche Katastrophe“, warnte Christoph Schweifer von der Caritas. Da es aber bereits einen diesbezüglichen Entschließungsantrag „fast aller Abgeordneten“ im Parlament gebe, zeigte sich der Generalsekretär Internationale Programme zuversichtlich, dass die Regierung diesen nicht „missachte“.

Auftakt der Kampagne “Mir wurscht...?” gegen KŸürzungen der staatlichen Entwicklungshilfe in …sterreich

Kampagne "Mir wurscht?"

Die Kampagne „Mir wurscht ...?“, getragen von 47 österreichischen Nichtregierungsorganisationen, wurde im September 2012 gestartet

Gespräche mit 113 NR-Abgeordneten

Im Rahmen der Kampagne „mir wurscht...?“ sprachen die teilnehmenden Organisationen mit 113 der 183 Nationalratsabgeordneten über die bevorstehenden EZA-Kürzungen. Und diesen scheint die Thematik alles andere als „wurscht“ zu sein. Denn 92 Prozent der befragten Parlamentarier (104) befürworteten laut Michael Bubik, Rektor der Diakonie Eine Welt, die Anliegen der NGOs „ausdrücklich“ und sprachen sich für eine Rücknahme der Kürzungen aus. Lediglich zwei Abgeordnete (jeweils einer aus FPÖ und BZÖ) traten für weitere Kürzungen ein, fünf wollten ihre Haltung nicht öffentlich deklarieren und zwei Gespräche blieben ergebnisoffen. 19 der 183 Nationalratsabgeordneten verweigerten das Gespräch, mit 51 kam kein Termin zustande.

Nach Parteien aufgeschlüsselt beteiligten sich die Grünen (95 Prozent der Abgeordneten) mit der größten Geschlossenheit an der Umfrage. Von den Abgeordneten der SPÖ waren 84 Prozent zum Gespräch bereit, von der ÖVP 64,7 Prozent, vom BZÖ 41,6 Prozent und vom Team Stronach 42,8 Prozent. Lediglich die Abgeordneten der FPÖ hinken hier hinterher: Mit sechs der 37 freiheitlichen Abgeordneten gab es ein Gespräch, elf verweigerten, mit 20 gab es keine Terminvereinbarung.

„Ministerrat an der Reihe“

Der Rektor der Diakonie Eine Welt und Vorstandsvorsitzende der AG Globale Verantwortung, Michael Bubik, appellierte mit Blick auf das anstehende Bundesfinanzierungsgesetz: „Jetzt ist der Ministerrat an der Reihe, eine entsprechende gesetzliche Adaptierung vorzunehmen. Der Budgetentwurf muss dem Willen der Volksvertreter entsprechen.“

Die im Zuge der Krise seit 2010 durchgepeitschten Kürzungen der Entwicklungszusammenarbeit müssten zurückgenommen werden. Ein erster Schritt dazu sei eine Aufstockung um 32 Millionen Euro, damit wieder das Niveau von 2010 erreicht wird. Bis 2017 solle die bilaterale EZA auf 220 Millionen Euro und der Auslandskatastrophenfons auf 22 Millionen Euro angehoben werden, so Bubik.

Der Generalsekretär der Caritas Österreich Auslandshilfe, Christoph Schweifer, verwies auf den durch die „mir wurscht ...?“-Kampagne motivierten Fünf-Parteien-Entschließungsantrag, womit das Parlament der Bundesregierung den Auftrag erteilte, die Mittel für die bilaterale EZA im Finanzrahmen von 2014 bis 2017 zu erhöhen.

„Ich setze voraus, dass das politische System in Österreich funktioniert und die Regierung den Willen des Parlaments nicht missachtet. Und ich gehe davon aus, dass sich die gewählten Abgeordneten eine Missachtung ihrer Beschlüsse nicht gefallen lassen würden“, so Schweifer.

Johanna Mang, Bereichsleiterin Programme bei Licht für die Welt, hob angesichts dessen das große „Interesse und Verständnis“ seitens der Abgeordneten hervor. Zudem seien 85 Prozent aller Europäer trotz Wirtschaftskrise für die Erhöhung bzw. Weiterführung der Entwicklungshilfe, das sei ein klarer Auftrag an Parlament und Regierung.

Österreich europäisches Schlusslicht

Tatsächlich ist Österreich bei den Mitteln für direkt gestaltbare Entwicklungshilfeprojekte, also konkrete Projektfinanzierung, Schlusslicht im europäischen Vergleich. Insgesamt betrugen die Ausgaben für Entwicklungshilfe im Jahr 2012 nur mehr 0,28 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). Die Erreichung des Ziels der Vereinten Nationen, bis 2015 jährlich 0,7 Prozent des BNE für EZA auszugeben, zu dem sich Österreich im Rahmen der UNO-Millenniumsentwicklungsziele verpflichtet hat, ist damit fast utopisch geworden.

Paradox: Trotz Kürzungen im EZA-Budget habe das dafür zuständige Außenministerium „beträchtliche Rücklagen in der Höhe von 40 Millionen Euro“ aufgebaut, so die AG Globale Verantwortung. Auch Max Santner vom Österreichischen Roten Kreuz kritisiert das Außenamt, vor allem in punkto Mittel für Katastrophenhilfe. Hinter vorgehaltener Hand schäme man sich für die Zahlen, die österreichischen Mittel für humanitäre Hilfe seien derzeit nämlich massiv unterdotiert.

Das Bundesfinanzrahmengesetz soll zunächst im morgigen Ministerrat von den Regierungsparteien beschlossen werden, wandert danach in die Parlamentsausschüsse und kommt voraussichtlich im Herbst zur Abstimmung in den Nationalrat.

religion.ORF.at/APA/KAP

Link: