Spiritualität hat Hochkonjunktur an Universitäten

Spiritualität liegt nicht nur auf dem Buchmarkt, in Yogakursen und Esoterikgeschäften voll im Trend, sondern auch an den österreichischen Hochschulen und Universitäten.

Für Marianne Schlosser, Inhaberin des Lehrstuhls für Theologie der Spiritualität an der Universität Wien, ist der Spiritualitätsboom eine „Reaktion auf eine als materialistisch, technisch durchgestylt und der rationalen Verfügungsmacht ausgeliefert empfundenen Welt“. Die Universität Wien war die erste staatliche Universität, an der 2004 ein eigenes Institut für „Theologie der Spiritualität“ entstand, das seit 2012 in ein Sammel-Institut für Historische Theologie eingegliedert wurde.

Spiritualitätstrend bei gleichzeitiger Kirchendistanz

Der auch vom Wiener Pastoraltheologen und Religionssoziologen Paul Michael Zulehner beobachtete Spiritualitätstrend bei gleichzeitiger Kirchendistanz schlägt sich an Österreichs Universitäten mehrfach nieder und spricht vielfach schon im Beruf Stehende an: Nicht nur im Wiener Lehrstuhl für spirituelle Theologie - auch in Salzburg können sich Studierende seit 2002 für „Spirituelle Theologie im interreligiösen Prozess“ einschreiben, und in Krems wurde an der dortigen Donau-Universität jüngst der Studiengang „Spirituelle Begleitung in der globalisierten Gesellschaft“ eingerichtet.

Der berufsbegleitende Studiengang in Krems dauert sechs Semester, 14 Studierende begannen im März diese Ausbildung. Eine spezifische Berufsgruppe findet sich nicht unter den Teilnehmern, so Studiengangsleiter Ernst Fürlinger: Seelsorger sind ebenso dabei wie Psychologen, Sozialarbeiter und Mediziner. „Mehrere arbeiten zum Beispiel im Yoga-Bereich und möchten ihre Kursteilnehmer in Krisen professionell unterstützen“, so Fürlinger. Die berufliche Vielfalt der Studierenden sei ein großer Vorteil für die Gruppe, so würden unterschiedlichste Sichtweisen und Erfahrungen eingebracht. Ein hoher Praxisanteil, etwa Module zur Trauerbegleitung, runden das theoretische Wissen ab.

Ein Schwerpunkt liegt darauf, mehrere Traditionen und Kulturen in den Blick zu nehmen. „In der globalisierten Gesellschaft genügt es nicht, sich mit dem Christentum zu beschäftigen“, ist der katholische Theologe Fürlinger überzeugt. Deshalb habe man sich bewusst dafür entschieden, den Studiengang nicht konfessionell zu binden. Fürlinger weiß um die Ängste, damit esoterischen Ideen Tür und Tor zu öffnen. Die Uni habe deshalb zunächst gezögert, dieses neue Feld zu beackern. Mittlerweile schaue man aber genau hin, überprüfe fortwährend sowohl die Inhalte als auch die einzelnen Referenten.

Fundiertes Wissen gegen Scharlatanerie

In Salzburg wird der Lehrgang „Spirituelle Begleitung in der globalisierten Gesellschaft“ bereits seit 2002 angeboten. „Es gibt und gab viel marktorientierte Scharlatanerie zum Thema Spiritualität. Was aber gefehlt hat, war eine fundierte akademische Beschäftigung mit dem Thema“, erklärt Ulrich Winkler, Leiter des Universitätslehrgangs in Salzburg, wieso man den Lehrgang entwickelt hat. Mittlerweile haben den Lehrgang etwa 140 Studierende abgeschlossen. Die Ausbildung bietet zunächst eine Einführung in verschiedenste Traditionen, der Schwerpunkt liegt beim Christentum. Neben der Wissensvermittlung geht es auch um Einführung in praktische Techniken.

Ein dezidiertes Berufsziel ist mit der dreijährigen Ausbildung nicht verbunden. Es sei vielmehr so, dass die meisten Studierenden bereits über jahrelange Berufspraxis verfügen, so Winkler. Vielen gelinge es dann, in ihren bereits vorhandenen Berufen eine neue Nische zu besetzen. In der Anfangsphase haben sich vor allem Leute aus dem binnenkirchlichen Raum beworben. Der Großteil waren Pastoralassistenten, Priester oder Religionslehrer. Mittlerweile kommen die Bewerber aus den verschiedensten Bereichen. „Bei uns studieren Architekten, Manager, Banker oder Menschen aus dem Pflege-Gesundheitsbereich“, berichtet Winkler.

Auf den deutschen Unis hat Spiritualität momentan ebenfalls Hochkonjunktur. An der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster gibt es wie in Wien einen Lehrstuhl für „Theologie der Spiritualität“, und Freiburg bietet den Studiengang „Spiritualität und Interkulturalität“. Das Bedürfnis nach Spiritualität steige, so Pater Michael Plattig, Leiter des Instituts für Spiritualität an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster im Gespräch mit der KNA. Das wollten die rund 20 Studierenden, die das Aufbaustudium absolvieren, auch im gesellschaftlichen Alltag einbringen.

KAP

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