Belo Monte: Kräutler warnt vor „apokalyptischer Situation“

Vor einer „apokalyptischen Situation“ für die Menschen am Xingu-Fluss hat der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler gewarnt, sollte das Staudammprojekt Belo Monte fertiggestellt werden.

In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ (Samstag-Ausgabe) betonte Kräutler, dass das Belo Monte-Staudammprojekt sowohl gegen die Menschenrechte wie auch die brasilianische Verfassung verstoße. Der Belo-Monte-Staudamm soll mit einer Leistung von 11.233 Megawatt der drittgrößte der Welt werden. Das zehn Milliarden Euro teure Bauwerk soll 2015 ans Netz gehen.

Einsatz gegen das Großprojekt

In den vergangenen Jahren hatte der aus Vorarlberg stammende Bischof mit seinem Engagement gegen die Errichtung des Staudamms für Aufmerksamkeit gesorgt. 80 Prozent des Xingu-Flusses werden dafür abgeleitet und ein Gebiet von mehr als 500 Quadratkilometern Regenwald überflutet. Dies zerstöre die Lebensgrundlage der indigenen Bewohner, lasse gewachsene Gemeinschaften zerbrechen und ziehe eine Massenexodus nach sich, so Kräutler.

Bischof Erwin Kräutler 2010 bei der Verleihung des Alternativen Nobelpreises

REUTERS/Henrik Montgomery

Erwin Kräutler erhielt für seinen Einsatz für die Erhaltung des brasilianischen Regenwald 2010 den Alternativen Nobelpreis

Kräutler bestätigte, dass er wegen seiner Kritik bedroht werde. Nach eigenen Angaben steht er seit sieben Jahren unter Polizeischutz. Ein Kopfgeld von 400.000 Dollar sei auf ihn ausgesetzt. Kräutler: „Ich werde aber wegen drei, vier Mafiosi nicht das Handtuch werfen, es geht mir schließlich um das Volk.“

Keine „saubere Energie“

Belo Monte habe absolut nichts mehr mit sauberer Energie zu tun, so Kräutler: „Was ist daran saubere Energie, wenn dort ganze Völker draufgehen? Wenn an die 40.000 Menschen zwangsumgesiedelt werden und bis heute nicht einmal wissen, wohin sie kommen? Wenn wieder ein riesiges Stück Regenwald unwiderruflich verloren geht?“ Zum derzeitigen Stand der Baumaßnahmen sagte der Bischof: „Beinahe ein Drittel ist fertig. Die Erdverschiebungen haben die Größenordnung des Panama-Kanals. So etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.“

Die Auflagen der staatlichen Umweltbehlörden würden schlichtweg ignoriert. Wie Kräutler erläuterte, sei das Kraftwerk nur unter 40 Auflagen gestattet worden, und die Indiobehörde habe weitere 23 Auflagen gestellt. Aber, so der Bischof: „Alle wurden nicht erfüllt, und ich weiß, wovon ich spreche, weil ich ja vor Ort bin. Weder die Abgrenzung der Indianergebiete noch die Umweltauflagen, beispielsweise der Schutz der Wasserschildkröten. Oder die Sanierung der Stadt Altamira, wo ich Bischof bin.“

Altamira habe derzeit 120.000 Einwohner, die Infrastruktur sei für den Zustrom so vieler Menschen absolut nicht geeignet. Kräutler: „Ein Drittel der Stadt wird überflutet und dann an einem toten, faulen See liegen. Das ist die Brutstätte aller möglichen Mückenplagen und endemischen Krankheiten. Wir gehen da auf eine apokalyptische Situation zu.“

Weitere Staustufen geplant

Bischof Kräutler warnte davor, dass neben Belo Monte am Xingu bereits drei bis vier weitere Staudämme geplant sind: „Belo Monte allein wird die nötige Energieleistung nicht das ganze Jahr erreichen, weil der Xingu nicht genug Wasser führt. Damit die Turbinen die ganze Zeit laufen, müssen weitere Staustufen gebaut werden. Hinter vorgehaltener Hand reden alle davon, aber in der Öffentlichkeit sagen sie es nicht.“ Mit der zweiten, dritten und vierten Staustufe seien dann auch die indigenen Völker am Oberlauf des Xingu dann direkt gefährdet. Ihre Gebiete würden überflutet. Dass es sich dabei um staatlich garantierte Reservate handelt, in denen die Indios leben, interessiere die Regierung nicht mehr.

Indigene Brasilianer tanzen bei einer Belagerung einer Baustelle des Belo Monte Staudamms

REUTERS/Lunae Parracho

Indigene Gruppen besetzen Baugebiete. Anfang Mai traten sie geschlossen gegen die Errichtung des Staudamms und forderten die Regierung auf, ihren Lebensraum zu schützen

Kräutler: „Belo Monte wird ja nicht gebaut, damit wir alle Licht und Strom in unseren Häusern haben, sondern Belo Monte wird für die internationalen Aluminiumkonzerne gebaut, die dort Bauxit in Aluminium umwandeln. Die brauchen Energie, und zwar billige.“ Einmal mehr übte der Bischof auch Kritik an der österreichischen Andritz-AG und den deutschen Konzernen Siemens, Voith und Daimler, die für das Kraftwerk Turbinen produzieren.

Weg zu Gericht

Das Projekt müsste eigentlich gestoppt werden, weil die Bedingungen der staatlichen Agenturen nicht erfüllt sind, unterstrich Kräutler: „Brasilien ist nach wie vor ein Rechtsstaat, 50 Prozesse laufen vor der Staatsanwaltschaft gegen Belo Monte. Ich habe jetzt um einen Termin beim obersten Gerichtshof nachgesucht.“

Wie Bischof Kräutler sagte, seien die Rechte der Indios aber nicht nur durch Belo Monte bedroht. Es drohe weitere Gefahr, „denn es gibt im Kongress in Brasilia eine Kampagne, die der Exekutive das Recht nehmen will, Indigenengebiete zu demarkieren, also festzulegen und damit zu schützen“. Hinter dieser Initiative zur Änderung der Verfassung steckten Großgrundbesitzer, die auf das Land spekulieren.

Kirchliche Unterstützung

Die Kirche werde sich aber mit allen möglichen Mitteln wehren, kündigte Kräutler an: „Auf der brasilianischen Bischofskonferenz, die am 19. April zu Ende gegangen ist, haben wir ein Dokument verabschiedet, in dem wir uns ganz dezidiert dagegen stemmen.“

Auf Papst Franziskus angesprochen meinte Kräutler wörtlich: „Die Option für die Armen ist für Papst Franziskus verbindlich, die wird er nicht aufgeben, und ich bin überzeugt, dass darunter auch die indigenen Völker fallen.“

religion.ORF.at/KAP

Mehr dazu: