Happy Science: Utopia und die Suche nach dem Glück

Happy Science (Kofuku no Kagaku) zählt zu den prominentesten Vertretern neureligiöser Gemeinschaften in Japan. Mit mehreren hunderttausend Mitgliedern und Büros in aller Welt ist sie auch eine der größten. Am 3. Juni hält einer ihrer Repräsentanten einen Gastvortrag an der Universität Wien.

Happy Science wird als typisches und repräsentatives Beispiel für die jüngeren Entwicklungen im religiösen Bereich in Japan angesehen, die oft als Shin-shinshukyo („Neu-Neureligionen“) bezeichnet werden, wie der Religionswissenschaftler Franz Winter in seinem Buch „Hermes und Buddha: Die neureligiöse Bewegung ‚Kofuku no Kagaku‘ in Japan“ schreibt. Gleichzeitig weist gerade diese religiöse Bewegung sehr charakteristische und kreative Elemente auf.

Ryuho Okawa bei einer Happy-Science-Veranstaltung in Australien

Happy Science

Ryuho Okawa bei einer Happy-Science-Veranstaltung in Australien

Kofuku no Kagaku bedeutet so viel wie „Wissenschaft vom Glück“. Ursprünglich hatte der internationale Name der Bewegung „IRH - The Institute for Research in Human Happiness“ gelautet, 2008 wurde mit Happy Science eine eingängigere Bezeichnung gewählt.

Globale Ausweitung als Ziel

1986 von Ryuho Okawa (geb. 1956) in Tokio gegründet, entwickelte sich die Bewegung rasch zu einer der größten neueren Religionsgemeinschaften Japans. Erklärtes Ziel von Happy Science ist es, eine globale Religion zu werden. Derzeit gibt es nach Angaben der Gemeinschaft auf allen Kontinenten in sechzig Ländern Niederlassungen (Shibu), darunter auch eine in Wien. Die Mitgliederzahl wird von Religionswissenschaftlern auf 300.000 bis 500.000 weltweit geschätzt.

Ein starkes Wachstum erfährt die Religionsgemeinschaft derzeit in Südostasien und Afrika. Mit der Gründung der Happiness Realisation Party (Kofuku Jitsugento) betrat Happy Science jüngst auch die politische Arena in Japan, zudem ist eine eigene Universität geplant.

Grundlagen: Buddhismus und New Age

Die Lehre von Happy Science speist sich merklich aus Elementen des Buddhismus. Zugleich finden sich starke Züge des New Age, wie es in Japan noch immer sehr populär ist. Liebe, Weisheit, Selbstreflexion und Fortschritt/Entwicklung sind die erklärten Eckpfeiler und Grundprinzipien der Religionsgemeinschaft rund um ihren Meister Okawa.

Diese „Vier Prinzipien des Glücks“ gelte es nach der Lehre von Happy Science zu kultivieren und zu veredeln, sagt der Religionswissenschaftler Lukas Pokorny gegenüber religion.ORF.at. Das solle aber „nicht in Selbstbezogenheit und eremitischer Abgeschiedenheit“ geschehen, sondern durch „aktive Teilnahme am Alltagsleben“, so Pokorny.

Shoshinkan in Tokio

Happy Science

Gebäude von Happy Science in Tokio

Das Ziel seien die „spirituelle Kultivierung der Welt“ und ein Emporsteigen innerhalb einer Hierarchie spiritueller Dimensionen. In der Vorstellung der Happy-Science-Lehre existiert die diesseitige Welt in der dritten Dimension, der einzigen, in der es möglich ist, die anderen spirituellen Dimensionen und das eigene Geistesvermögen zu erforschen, und in der man zu diesem Zweck immer wieder inkarniert wird, so Pokorny zu religion.ORF.at.

Diesseitiges Utopia als Heilsziel

In dieser Vorstellung wird die Bedeutung klar, die das Forschen, „Science“, für die Bewegung rund um Okawa hat, wie der Experte ausführt. Selbstkultivierung durch Gebete, Meditation und Studium der Lehren Okawas, und damit einhergehend eine spirituelle Harmonisierung der Welt sollen zum kollektiven Heilsziel führen: einem diesseitigen Utopia. Was die Selbstreflexion angeht, so empfiehlt die Bewegung das Einüben in den „Achtfachen Pfad“, eine zentrale Lehre des Buddhismus.

Veranstaltungshinweis

Happy Science (Kofuku no Kagaku) - A Profile. Seminarraum JAP1, Universitätscampus AAKH, Hof 2, 3. Juni, 18.00 bis 20.00. Moderation: Lukas Pokorny, University of Aberdeen

Jiro Imai, Chefvortragender der Zentrale von Happy Science International in Japan, gibt eine Einführung in Geschichte und Grundsätze der Bewegung.

Eine genaue Klassifizierung der Gemeinschaft sei durchaus schwierig, sagt Pokorny. Die wie eine bunte Mischung aus New Age und Buddhismus anmutende Glaubenswelt von Happy Science hat mit Okawa ihr einigendes Zentrum. Okawa, der nach einem Studium an der renommierten Tokioter Universität eine weltliche Laufbahn als Geschäftsmann abbrach, wurde 1981 zunächst als Medium tätig. Durch „automatisches Schreiben“ (Aufschreiben von Botschaften aus einer jenseitigen Welt in einer Art Trance) und „Channeling“ von Geistwesen erfuhr er seine Erleuchtung, wie seine Anhänger glauben.

Darunter befinden sich Figuren aus der japanischen Mythologie und historische Personen wie der buddhistische Reformer Nichiren (1222 bis 1282), aber auch „internationale“ Persönlichkeiten wie Buddha, Konfuzius, Mohammed und Jesus Christus. Aus diesen Sitzungen entstanden die „Reigen“-Schriften. Diese Bücher wurden zu Bestsellern und sind es noch - der enorme Output an Publikationen stellen zu einem beträchtlichen Teil die finanzielle Grundlage für Happy Science dar. Insgesamt soll Okawa bisher über tausend Bücher geschrieben haben.

„Moderner Buddha“ an der Spitze

Parallel zum Erscheinen der „Ho“-Buchserie, einer Weltdeutung, die ein ganz eigenes Geschichtsbild entwirft, vollzog Okawa Ende der 80er Jahre eine Metamorphose hin zu einer Art „modernem Buddha“. Mit Hilfe dieser „Buddhaschaft“, so Religionswissenschaftler Pokorny, sollte der Buddhismus den Anforderungen der Moderne gerecht werden. Die Lehre der Bewegung wurde in diesen Jahren als genuin buddhistisch dargestellt.

Ostasien-Experte Pokorny

Lukas Pokorny hat in Wien und Ostasien Religionswissenschaft, Philosophie, Geschichte und Koreanologie studiert. Zurzeit lehrt er als Dozent für Ostasiatische Religionen an der Universität von Aberdeen, Großbritannien. Pokorny beschäftigt sich insbesondere mit neuen religiösen Bewegungen in Ostasien.

Eine weitere Wandlung durchlebte Okawa 1991. Als erleuchtetes „höheres Wesen“ („El Cantare“) sieht er sich in einer Transmissionslinie mit mythischen Wesen wie unter anderen dem König von Atlantis, einem König eines vorhistorischen Inka-Reichs und Figuren aus dem alten Griechenland wie zum Beispiel Hermes, wie Pokorny erläutert. Die erneute Metamorphose ging dementsprechend Hand in Hand mit einer Aktualisierung der Doktrin von Happy Science.

Veranstaltung von Happy Science im Tokyo Dome

Happy Science

Veranstaltung von Happy Science im Tokyo Dome

Publicity durch Mangas und Anime

Neben den zahlreichen Publikationen wirbt die Gruppierung, die ihre Lehre durch Mission verbreiten will, derzeit vor allem über die Neuen Medien. Großveranstaltungen mit Event-Charakter gehören Pokorny zufolge aber eher der Vergangenheit an: In den 90er Jahren hatte es gigantische Zeremonien in Stadien gegeben, heutzutage hat sich die PR-Arbeit dieser großen neureligiösen Bewegung verlagert.

Sie stützt sich nun vermehrt auf populäre japanische Formen wie Mangas (japanische Comics) und Anime (Zeichentrickfilme im Manga-Stil), aber auch Realfilme (etwa „The Final Judgement“), die man im Internet findet, und eigene Zeitschriften. Über diese Medien vermittelt Happy Science seine religiösen Ideen und die eigene Geschichtsdarstellung.

„Diesseitiger Nutzen“ erwünscht

Dieser moderne Umgang mit Massenmedien fügt sich in die Diesseitsbezogenheit der Religionsgemeinschaft ein. Dazu passt auch der Umgang mit einem „diesseitigen Nutzen“, wie er für das Gros japanischer Religionen typisch sei, so Pokorny. Wirtschaftlicher Erfolg kann und soll mit der geistigen Entfaltung einhergehen. In diesem Sinne werden auch Seminare angeboten, in denen ein solcher Erfolg durch die Lehren von Happy Science ermöglicht werden soll.

Buchhinweise

Hans Gerald Hödl und Lukas Pokorny (Hg.): Religion in Austria. Praesens Verlag, Wien, erscheint 2013.

Franz Winter: Hermes und Buddha: Die neureligiöse Bewegung „Kofuku no kagaku“ in Japan. LIT Verlag, Münster.

Weitere typische Muster sieht Pokorny in der hierarchischen Struktur miteiner zentralen Heilsfigur an der Spitze, der Vorstellung eines Utopias und einem bevorstehenden Wandel der Weltordnung. Hinzu kommen sehr kreative Elemente, die in dieser spezifischen Konstellation einzigartig seien, sagt der Experte gegenüber religion.ORF.at.

In Österreich fasste Happy Science allmählich ab 1989 Fuß, erst seit 2010 gibt es Happy Science Österreich als eingetragenen Verein.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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