Studie: „Arabischer Frühling“ minderte Religionsfreiheit

Laut einer neuen Studie des US-amerikanischen Pew Research Center on Religion & Public Life hat der „arabische Frühling“ die ohnehin bereits großen Einschränkungen der Religionsfreiheit in Nordafrika und dem Nahen Osten noch weiter verschärft.

Entgegen den Erwartungen der meisten internationalen politischen Entscheidungsträger hätten die Umstürze in Nordafrika und dem Nahen Osten im Jahr 2011 keineswegs zu mehr Freiheiten für die Bevölkerung der Region und damit zu einer Verringerung der Einschränkungen von religiösen Ansichten und Praktiken geführt, berichtet das Pew Research Center in einer Aussendung.

Die Studie differenziert zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Einschränkungen. Während jene vonseiten der Staaten in Nordafrika und dem Nahen Osten im Jahr 2011 auf dem gleichen hohen Niveau geblieben seien wie zuvor, sei bei den gesellschaftlichen Einschränkungen erneut ein Anstieg zu verzeichnen, so der Bericht zur Studie. So habe sich etwa die Anzahl jener Staaten in dieser Region, in denen es gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Gruppen verschiedener Religionszugehörigkeit gab, von fünf auf zehn verdoppelt.

Zwei Indizes

Zur Bemessung der Religionsfreiheit verwendet das Pew Research Center zwei Indizes: Den „Government Restriction Index“ (GRI) für Einschränkungen durch Gesetze und Aktionen seitens der Politik und den „Social Hostilities Index“ (SHI) für Akte der Religionsfeindlichkeit durch einzelne Privatpersonen, Nichtregierungsorganisationen oder andere gesellschaftliche Gruppen. Beide Indizes bewerten jeden Staat auf einer Skala von 1 bis 10, wobei dem GRI 20 und bei SHI 13 konkrete Fragen zugrunde liegen.

Die Daten werden seit dem Jahr 2009 (Untersuchungszeitraum bis Mitte 2007) in 198 Staaten erhoben, laut eigenen Angaben deckt das Pew Research Center damit über 99 Prozent der Weltbevölkerung ab. Der nun veröffentlichte Bericht ist der Vierte seiner Art.

Menschenmassen protestieren am Tahrir-Platz in Kairo

REUTERS/Asmaa Waguih

Der Tahrir-Platz in der ägyptischen Hauptstadt Kairo: eines der Epizentren des „arabischen Frühlings“

Globaler Anstieg von Einschränkungen

In Nord- und Südamerika, Europa, dem subsaharischen Afrika und Asien waren laut der Studie von 2010 auf 2011 ebenfalls Anstiege bei Einschränkungen der Religionsfreiheit zu verzeichnen. In Europa beispielweise hätten sich zwar die staatlichen Restriktionen verringert, im Gegenzug seien gesellschaftliche Einschränkungen allerdings angestiegen.

Auch global gesehen sind Einschränkungen der Religionsfreiheit weiter im Steigen begriffen. Der Prozentsatz jener Staaten, denen das Pew Research Center „hohe“ oder „sehr hohe“ Einschränkungen attestiert, ist von 2010 bis 2011 von 37 auf 40 Prozent angestiegen und hat damit einen Höchstwert für die vergangenen fünf Jahre erreicht. Aufgrund der Tatsache, dass einige der bevölkerungsreichsten Länder der Welt unter diesen 40 Prozent sind, leben mehr als 5,1 Milliarden Menschen in Staaten mit hohen Einschränkungen, so der Bericht.

Das Christentum ist gemäß der Studie nach wie vor die am häufigsten in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkte Gruppe. Der größte Anstieg im Vergleich zwischen 2011 und 2010 war allerdings beim Islam zu verzeichnen. Muslime wurden 2011 in 101 Staaten entweder vonseiten des Staats oder der Gesellschaft in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt, 2010 war das nur in 90 Staaten der Fall. Christen fielen im Jahr 2011 in 105 Staaten Einschränkungen zum Opfer, 2010 waren es 111.

Rekordwerte in Ägypten und Pakistan

Jene Länder mit den meisten Einschränkungen im Jahr 2011 verzeichnen laut der neuen Studie gleichzeitig auch zwei traurige Rekorde: Seit Beginn der jährlichen Auswertungen durch das Pew Research Center wurde noch nie ein so hoher Gesamtwert der beiden Indizes gemessen wie im Jahr 2011 in Ägypten.

Und Pakistan hat als einziges Land seit Beginn der Aufzeichnung auf einer der beiden Skalen, nämlich beim „Social Hostility Index“ den Höchstwert erreicht. Das heißt: Alle 13 Indikatoren des Index für gesellschaftliche Einschränkungen der Religionsfreiheit trafen 2011 in Pakistan voll zu.

Österreich rangiert auf beiden Skalen im Mittelfeld und wird vom Pew Research Center demnach in der Kategorie der „moderaten“ Einschränkungen der Religionsfreiheit gesehen. Auf dem „Government Restriction Index“ bedeutet das einen Wert zwischen 2,4 und 4,4, auf dem „Social Hostility Index“ einen Wert zwischen 1,5 und 3,5. Die Kategorie „Sehr hoch“ beginnt im Vergleich dazu bei 6,6 bzw. 7,2. Genaue Gesamtwerte für die einzelnen Staaten gibt das Pew Research Center nicht an.

Michael Weiß, religion.ORF.at

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