Papst besucht „Flüchtlingsinsel“ Lampedusa

Bei seiner ersten Reise hat Papst Franziskus ein Zeichen der Solidarität mit den Flüchtlingen gesetzt und indirekt die Flüchtlingspolitik der EU kritisiert. Er traf auf der Insel mit mehreren Flüchtlingen zusammen und hielt einen Gottesdienst vor 15.000 Menschen ab.

Papst Franziskus ist am Montag auf der süditalienischen Flüchtlingsinsel Lampedusa zwischen Sizilien und Tunesien eingetroffen. Der Pontifex will nach Angaben des Vatikans mit seinem Besuch ein Zeichen für mehr Solidarität mit den Flüchtlingen setzen. Es ist die erste Pastoralreise des Papstes außerhalb Roms seit seinem Pontifikatsantritt am 19. März.

„Historischer“ Besuch

„Willkommen bei den Letzten!“, war auf einem Spruchband zu lesen, das unweit des Hafens Lampedusas ausgerollt wurde. 15.000 Menschen hatten sich am Fußballfeld von Lampedusa versammelt, in den ersten Reihen saßen viele Migranten. Der Pontifex appellierte bei seiner auf dem Feld abgehaltenen Messe an die Verantwortung aller, sich um die Flüchtlinge zu kümmern.

Die Bürgermeisterin Lampedusas, Giusi Nicolini, bezeichnete den Besuch des Papstes auf der Insel als „historisch“. „Der Papst spricht zur Welt, er durchbricht somit das Schweigen, das bisher das Drama der Toten im Meer und des Menschenhandels über das Mittelmeer umhüllt hatte. Dieser Menschenhandel wird schon zu lange von Europa toleriert“, so Nicolini. Erst am Sonntag hatte die Küstenwache vor Sizilien 120 in Seenot geratene Einwanderer gerettet. Das Boot war aus maltesischen Hoheitsgewässern Richtung Italien weitergefahren.

Papst Franziskus steigt in ein Boot auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa

Reuters/Alessandro Bianchi

Von einem Boot der Küstenwache aus legte Papst Franziskus einen Kranz zum Gedenken der vielen Opfer im Meer ab

Kritik an Flüchtlingspolitik

In seiner Predigt kritisierte Franziskus indirekt die EU-Flüchtlingspolitik und die Regierungen in den Herkunftsländern der Migranten. Er bat Gott um Vergebung für die „Grausamkeit in der Welt, in uns und auch in jenen, die in der Anonymität Entscheidungen sozialer und wirtschaftlicher Natur treffen, die den Weg für Dramen wie dieses ebnen“.

Er warnte vor der „Globalisierung der Gleichgültigkeit“. „Wir haben uns an die Leiden der anderen gewöhnt, sie gehen uns nichts an und interessieren uns nicht, das ist nicht unsere Angelegenheit. Die Kultur des Wohlstands macht uns vor den Hilferufen anderer Menschen unsensibel“, so Franziskus. „Wer trauert um diese Brüder und Schwestern? Wer hat für diese Personen geweint, die in den Booten saßen? Wir leben in einer Gesellschaft, die die Erfahrung des Weinens vergessen hat“, betonte der Pontifex.

Solidarität mit den Flüchtlingen

Dass Franziskus seine erste Reise außerhalb Roms auf die Flüchtlingsinsel mache, sei ein „starkes Signal“ an die Regierungen, ihre Einwanderungspolitik zu überdenken, erklärte der für Flüchtlinge zuständige Kardinal Antonio Mario Veglio. Ausdrücklich lehnte der Vatikan eine Mitreiseanfrage des italienischen Innenministers Angelino Alfano ab, damit die Reise nicht politisch instrumentalisiert werde.

Der Papst wurde vom Erzbischof der sizilianischen Stadt Agrigento, Bischof Francesco Montenegro, sowie Nicolini, empfangen. Danach stieg Franziskus in ein Boot der italienischen Küstenwache, das von 120 Fischerbooten begleitet wurde. Von dem Patrouillenboot aus legte der Papst einen Kranz für die Menschen im Meer ab, die bei der Überfahrt von Nordafrika gestorben sind. Die Sirenen der Boote ertönten, als der Papst den Blumenkranz ins Meer ablegte.

Papst Franziskus mit Migranten

Reuters/Alessandra Tarantino

Der Papst beim persönlichen Gespräch mit Flüchtlingen

Begegnung mit Flüchtlingen

Bei der Begegnung mit den Bootsflüchtlingen, die derzeit auf Lampedusa untergebracht sind, richtete ein junger Nordafrikaner einen dringenden Hilfsappell an den Papst: „Um Italien zu erreichen, mussten wir so viel Leid ertragen. Wir müssen nun hier in Italien bleiben, weil es das Gesetz so vorsieht. Wir bitten Sie, Heiliger Vater, helfen Sie uns!“

Die Flüchtlinge würden ihre Heimatländer aus politischen und wirtschaftlichen Gründen verlassen, so der junge Mann. „Um diesen sicheren und ruhigen Ort zu erreichen, mussten wir mehrere Hindernisse überwinden. Wir wurden mehrmals von verschiedenen Schleppern entführt und waren in ihren Händen“, berichtete der Flüchtling laut Radio Vatikan.

Der Papst bedankte sich bei dem jungen Mann und den rund 50 anderen Bootsflüchtlinge, die sich zur Begrüßung des Papstes eingefunden hatten, und fügte an: „Ich grüße alle Flüchtlinge, die hier sind, und danke euch für die Gastfreundschaft. Wir alle sind heute hier, um gemeinsam zu beten. Deshalb will ich nun nicht viel sagen.“

Derzeit halten sich laut offiziellen Angaben 114 Flüchtlinge im Aufnahmelager Lampedusas auf, 75 davon sind minderjährig.

APA/AFP/KAP

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