Brasilien: Bröckelnde katholische Hochburg

Die religiöse Landschaft Brasiliens ist im Wandel begriffen. Eine Studie des Pew Forums besagt, dass das katholischste Land der Welt immer protestantischer wird. Der Katholikenanteil ist von 1970 bis 2010 von 92 auf 65 Prozent gesunken.

Nirgendwo auf der Welt leben so viele Katholiken wie in jenem Land, das derzeit den Weltjugendtag der katholischen Kirche austrägt. 123 Millionen Menschen sind es laut dem US-amerikanischen Pew Forum on Religion & Public Life. Damit leben in Brasilien in etwa so viele Katholiken wie in den drei europäischen Ländern mit den meisten Katholiken - Italien, Frankreich und Polen - zusammen.

Menschenmassen bejubeln Papst Franziskus bei dessen Ankunft in Rio

Reuters/Ricardo Moraes

Auch wenn dem Papst Massen zujubeln - die Zahl der Katholiken in Brasilien sinkt

Doch die katholische Hochburg scheint zu bröckeln. Gemessen an der Gesamtbevölkerung ist der Anteil der Katholiken seit Jahren im Sinken begriffen. Gleichzeitig steigt der Zuspruch zu den protestantischen und unter diesen vor allem zu den Pfingstkirchen.

Das Pew Forum hat die Entwicklung der religiösen Landschaft Brasiliens von 1970 bis 2010 anlässlich des Weltjugendtags zum Thema einer eigenen Detailstudie gemacht. Die dafür verwendeten Daten stammen aus einem Projekt der University of Minnesota, im Zuge dessen Volkszählungen aus aller Welt archiviert und öffentlich zugänglich gemacht werden, sowie von den brasilianischen Behörden selbst.

Katholiken: Absturz von 92 auf 65 Prozent

Der Studie zufolge stieg zwischen 1970 und 2010 nicht nur die Zahl der Protestanten in Brasilien, sondern auch die Zahl derer, die sich anderen Religionen zuwandten oder sich zu gar keiner Religion bekennen. Der Bevölkerungsanteil der Katholiken sank von 1970 bis 2010 von 92 auf 65 Prozent, jener der Protestanten stieg dagegen von fünf auf 22 Prozent.

Nonne mit Brasilien-Fahne

Reuters/Max Rossi

Brasiliens religiöse Landschaft wandelt sich

Aufgrund mangelnder Differenzierung in den Rohdaten kann die Studie nicht über den gesamten Zeitraum zwischen „historischen“ Protestanten (als Beispiele werden hier Baptisten und Prebyterianer genannt), Evangelikalen und Pfingstlern unterscheiden. Allerdings wird festgehalten, dass zumindest von 1991 bis 2010 die Pfingstkirchen den größten Anteil am Steigen des protestantischen Bevölkerungsanteils hatten.

Die Bevölkerung Brasiliens verdoppelte sich in den vergangenen vier Jahrzehnten, sie lag 2010 bei mehr als 190 Millionen Einwohnern. Damit stieg auch die Gesamtsumme der Katholiken, allerdings nur bis zur Jahrtausendwende. Von 2000 bis 2010 ist auch hier ein leichter Rückgang zu verzeichnen - von 125 auf 123 Millionen Menschen.

Viele Konversionen

Auch die Gründe für die sinkende Zahl der Katholiken und die steigende Zahl der Protestanten versucht die Studie zu erfassen. Bei Geburtenraten und Zuzug sei kaum ein Unterschied zwischen den Konfessionen festzustellen, heißt es im Bericht zur Studie auf der Website des Pew Forums.

Das lege den Schluss nahe, dass ein großer Anteil der Verschiebungen auf Konversionen zurückzuführen sei. Eine andere Studie des Pew Forums aus dem Jahr 2006 über die Pfingstkirchen in Brasilien stützt diese These - damals wurde festgestellt, dass knapp die Hälfte der befragten Pfingstler früher Katholiken waren.

Ein Ende dieses Trends ist derzeit nicht in Sicht. Die Studie zeigt nämlich auch, dass Brasiliens Katholiken immer älter werden - je älter, desto katholischer, könnte man zusammenfassen, je jünger, desto protestantischer. Während in der Alterskategorie 70 plus etwa 73 Prozent Katholiken sind, sind es bei den 15- bis 29-Jährigen um zehn Prozentpunkte weniger.

Acht Prozent Nichtreligiöse

Unter der Rubrik „Andere Religionen“ weist die Studie schließlich globale Religionen wie Buddhismus und Islam, aber auch das Mormonentum, Jehovas Zeugen sowie lokale religiöse Traditionen wie Candomble oder Umbanda und andere sprirituelle Bewegungen aus. Ihr Bevölkerungsanteil ist von 1970 bis 2010 von zwei auf fünf Prozent gesteigen.

Bemerkenswert ist auch der Anstieg des Bevölkerungsanteils der Nichtreligiösen, also Atheisten und Agnostiker, im „katholischsten“ Land der Welt. 1970 bekannte sich rund ein Prozent der Brasilianierinnen und Brasilianer zu keiner Religion, 2010 waren es acht Prozent.

Nina Goldmann, Michael Weiß, religion.ORF.at

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