Papst: “Wer bin ich, um Schwule zu verurteilen?“

Papst Franziskus hat am Montag im Gespräch mit Journalisten auf dem Flug nach Rom nach seiner Brasilien-Reise das Thema der Existenz einer „Schwulenlobby“ im Vatikan angesprochen. Nicht die Personen seien das Problem, sondern die Lobbys.

Papst Franziskus hat erstmals öffentlich Stellung zu angeblichen „homosexuellen Lobby“ im Vatikan genommen. „Man schreibt viel über eine Schwulenlobby im Vatikan, doch ich habe keine Liste mit den Namen derjenigen, die daran beteiligt wären. Wenn jemand schwul ist und den Herrn sucht, wer bin ich, um ihn zu verurteilen? Man darf diese Personen nicht diskriminieren oder ausgrenzen. Die Kirche schaut nicht auf die Tendenz einer Person. Alle sind Brüder. Wenn sich jemand verliert, muss ihm geholfen werden. Man muss unterscheiden, ob er eine anständige Person ist“, wurde der Papst zitiert.

Papst Franziskus auf der Treppe zum Flugzeug

Reuters/Ricardo Moraes

Papst Franziskus kurz vor seinem Abflug aus Rio de Janeiro

Katechismus verbietet Diskriminierung

Der Katechismus der Katholischen Kirche verbiete eine Diskriminierung von Homosexuellen und fordere deren Integration, hob Franziskus hervor. Nach katholischer Lehre ist das Ausleben einer homosexuellen Neigung eine Sünde, die Veranlagung selbst nicht: „Die Tendenz zur Homosexualität ist nicht das Problem“, so der Papst laut dem vom „National Catholic Reporter“ (NCR) am Montag verbreiteten Transkript des Interviews. Auf die Frage, wie die katholische Kirche mit praktizierenden Homosexuellen umgehen soll, ging der Papst indes nicht ein.

Vor mehreren Wochen waren im Internet das Protokoll von einem Gespräch zwischen Franziskus und südamerikanischen Ordensleuten aufgetaucht. Demnach soll der Papst ihnen gegenüber die Existenz einer homosexuellen Lobby im Vatikan bestätigt haben. Seine Aussagen dürften den Spekulationen über die Hintergründe der „Vatileaks“-Affäre, die nach Ansicht von Beobachtern mit zum Rücktritt von Papst Benedikt XVI. beigetragen hatte, neuen Schwung verleihen.

Absage an Frauenpriestertum

In dem rund eineinhalbstündigen Interview äußerte sich der Papst auch zu zahlreichen weiteren aktuellen Fragen wie etwa der Zulassung von Frauen zum Priestertum. „Diese Türe ist geschlossen“, erteilte er Spekulationen um eine Veränderung der Zulassungspraxis zum Priesteramt eine deutliche Absage. Johannes Paul II. (1978-2005) habe diese Frage in „definitiver Form“ entschieden. Zugleich forderte Franziskus eine stärkere Rolle von Frauen in der katholischen Kirche.

Frauen dürften nicht nur auf ihre Rolle als Mutter reduziert werden. Es gehe auch nicht nur darum, dass Frauen Caritas-Direktorinnen oder Katechetinnen würden. Man müsse weiter gehen und eine „profunde Theologie der Frau“ entwickeln, so der Papst.

Franziskus bezog sich mit seinen Äußerungen auf das päpstliche Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“ von 1994, in dem Johannes Paul II. die Priesterweihe von Frauen in der katholischen Kirche ausschloss. Er begründete dies damit, dass Jesus nur Männer zu Aposteln ernannt habe sowie mit der kirchlichen Tradition.

Kein Verzicht auf päpstlichen Primatsanspruch

Bekräftigt hat Papst Franziskus in dem Interview den päpstlichen Primatsanspruch. Dass er seine Eigenschaft als Bischof von Rom in den Vordergrund stelle, bedeute nicht, dass er auf seine Rolle als „primus inter pares“ (Erster unter Gleichen) verzichte. Bischof von Rom sei einfach sein erster Titel, aus dem sich die anderen ergäben, antwortete der Papst auf die Frage eines Journalisten. Nachdem Franziskus sich bei seinem ersten Auftritt unmittelbar nach seiner Wahl als Bischof von Rom vorgestellt hatte und diesen Titel seither auffallend oft verwendete, war gemutmaßt worden, dies bedeute möglicherweise einen Verzicht auf seinen päpstlichen Primatsanspruch.

Franziskus in der Menge

Reuters/Ueslei Marcelino

Franziskus sucht die Nähe zu den Menschen

Nichts „off the record“

Das rund eineinhalb Stunden dauernde Journalistengespräch, dem sich Papst Franziskus bei seinem Rückflug vom Weltjugendtag nach Rom stellte, hat offenbar in einer ungewohnt lockeren und von großer Offenheit geprägten Atmosphäre stattgefunden. Das berichtet der katholische Journalist John Allen in seinem vom „National Catholic Reporter“ (NCR) verbreiteten Transkript. Franziskus habe Fragen „ungefiltert, unlimitiert und nichts ‚off the record‘ beantwortet“, so Allen.

So ließ er u. a. noch einmal die vergangenen Tage des Weltjugendtages in Rio Revue passieren. „Das Klima war sehr spontan“, so der Papst. „Ich konnte den Menschen nahe sein, sie umarmen“. Natürlich bestehe bei solchen Begegnungen immer ein Sicherheitsrisiko durch eine „verrückte Person“ („a crazy person“), so der Papst. Es sei jedoch genauso „verrückt“, einen Bischof hinter kugelsicherem Glas zu verbergen. „Zwischen diesen beiden bevorzuge ich die erste Art der Verrücktheit“, so der Papst.

Grußbotschaften aus dem Flugzeug

Wie Radio Vatikan berichtet, hat Papst Franziskus auf dem Rückflug vom Weltjugendtag auch allen jenen Ländern eine Grußbotschaft gesandt, die er per Flugzeug überflogen hat. So bedankte er sich etwa bei Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff für den herzlichen Empfang in ihrem Land. Sein Besuch anlässlich des Weltjugendtages habe ihm gezeigt, dass die Jugend, mit Hilfe von christlichen Werten, „einen Beitrag zum Aufbau einer gerechten und brüderlichen Nation“ leisten könne.

In einem Telegramm an den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano erklärte der Papst, dass er von seiner Apostolischen Reise nach Rio de Janeiro zurückkehre, wo er junge Menschen voller Freude und Tatendrang getroffen habe, die im Glauben gestärkt worden seien. Weitere Telegramme gingen an die Staatschefs des Senegal, Mauretaniens und Algeriens.

APA/KAP

Mehr dazu: