Ägyptische Kirchen: „Volk im Kampf gegen Terroristen“

Das ägyptische Volk, „Christen und Muslime“, stehe im Kampf gegen „bewaffnete Terroristen“, betont der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen in Ägypten, Beschowi Helmi.

Die Islamisten wollten Kirchen, Klöster und öffentliche Gebäude wie die neue Bibliothek von Alexandrien niederbrennen, so Helmi laut der österreichischen ökumenischen Stiftung Pro Oriente in einem Rundschreiben an Kirchenführer in aller Welt. Der Ökumenische Rat habe an die ägyptische Regierung und die Armee appelliert, die Ägypter zu beschützen und die Einheit des Landes zu verteidigen, so Helmi. "Armee und Polizei unterstützen das Volk in seinem Kampf gegen den systematischen Terrorismus.“

Mann macht ein Foto in einer ausgebrannten Kirche

APA/EPA/Giro Mais

Eine der zerstörten Kirchen in der Stadt Minya

Viele Angriffe auf christliche Einrichtungen

Laut einem Bericht der katholischen Nachrichtenagentur „AsiaNews“ vom Sonntag sind seit Mittwoch schon mindestens 58 Kirchen, Klöster und andere christliche Einrichtungen angegriffen worden. Hauptsächlich betroffen sei die Gemeinschaft der Kopten, heißt es in dem in Rom veröffentlichten Bericht. Neun Kirchen, vier Klöster und eine Schule seien beschädigt oder zerstört worden.

Vor allem Kirchen in Oberägypten wurden „Asianews“ zufolge zum Ziel von Angriffen der Muslimbrüder. In den Städten Minya, Assiut und Fayum, wo der Anteil der christlichen Bevölkerung besonders hoch ist, waren es demnach 24. Laut Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sind seit Mittwoch sogar schon mehr als 60 christliche Kirchen und Institutionen ganz oder teilweise zerstört worden.

Dazu kommen noch die Büros der Bibelgesellschaft in Assiut und Fayyum und zahlreiche Geschäfte und Wohnungen von Christen, vor allem in den oberägyptischen Städten Minya und Luxor. Verteidigungsminister Abdelfattah al-Sisi hat inzwischen den Wiederaufbau aller zerstörten und die Restaurierung der beschädigten Kirchen angeordnet. Ingenieure und Architekten der Armee wurden dazu abgestellt.

Kirchen in Moscheen umgewandelt

Besondere Empörung hat bei den Kirchen in Ägypten die Tatsache ausgelöst, dass Islamisten nach Angaben der zuständigen koptisch-orthodoxen Eparchie am Freitag in der Provinz Minya drei christliche Gotteshäuser besetzten, sie kurzerhand in Moscheen umwandelten und dort ihre Freitagsgebete abhielten. Christliche Geistliche unterschiedlicher Konfession haben in einer gemeinsamen Erklärung diese Vorgangsweise der Islamisten scharf verurteilt.

In vielen ägyptischen Kirchen wurden am Freitag (am islamischen Ruhetag finden auch in den Kirchen die meistbesuchten Gottesdienste statt) im Hinblick auf die Sicherheitslage keine Messfeiern abgehalten. Auch die besonderen spirituellen Veranstaltungen des „Marien-Fastens“ wurden gestoppt.

Mit dem „Marien-Fasten“ bereiten sich die koptischen Christen von 7. bis 21. August auf das nach koptischem Kalender am 22. August gefeierte Fest des Entschlafens der Muttergottes (Mariä Himmelfahrt) vor. Während des „Marien-Fastens“ finden alljährlich in Ägypten zahlreiche Wallfahrten zu den vielen Marienorten des Nil-Landes statt. An diesen Wallfahrten beteiligen sich normalerweise bis zu einer Million Menschen, unter ihnen viele Muslime.

Katharinenkloster gesperrt

Am Sonntag wurde außerdem vom zuständigen Ministerium angeordnet, das berühmte griechisch-orthodoxe Katharinenkloster auf der Sinai-Halbinsel vorläufig zu sperren. Kirchen, Bibliothek und andere Einrichtungen sind damit bis auf weiteres für Touristen im Hinblick auf befürchtete Angriffe von islamistischen Terroristen nicht zugänglich.

In Kairo wird bedauert, dass die UNESCO bisher nichts zum Schutz der pharaonischen und koptischen Kulturdenkmäler in Ägypten unternommen habe. Islamistische Agitatoren bezeichnen die Kulturdenkmäler als „heidnische Überbleibsel“, die zerstört werden müssten.

Die Al Azhar-Universität - die wichtigste islamische Institution in Ägypten - hat die Attacken auf Kirchen und koptisches Eigentum verurteilt. „Wer immer Kirchen stürmt und niederbrennt, ist ein Terrorist und muss sofort polizeilich und gerichtlich verfolgt werden“, stellte Mahmoud Azab, der wichtigste Berater des Großscheichs der Al Azhar, fest.

Christen „schockiert“ über Haltung des Westens

Unter den Christen in Ägypten wächst inzwischen Unbehagen und Empörung über die Haltung des Westens. Der Westen habe in Ägypten versagt, verstehe die Lage des Landes völlig falsch und habe den Muslimbrüdern zu viel naives Wohlwollen geschenkt, so der Pressesprecher der katholischen Bischofskonferenz Ägyptens, Rafik Greiche.

Außenansicht einer ausgebrannten Kirche

APA/EPA/Giro Mais

Zahlreiche Kirchen und andere christliche Einrichtungen wurden seit vergangenem Mittwoch Ziel islamistischer Angriffe

Er sei „geschockt“, so Greiche, dass Europa und die USA nach den offenbar koordinierten landesweiten Angriffen auf Kirchen und christliche Einrichtungen ab Mittwoch kaum Stellung nehmen würden. Die Drohungen der Muslimbrüdern richteten sich aber nicht nur gegen die Christen, sondern auch gegen die gemäßigten Muslime, gegen die „Liberalen“ und gegen die linken Nationalisten.

Der koptisch-katholische Bischof von Assiut, Kyrillos William Samaan, stellte fest: „Es ist schon fast ‚normal‘ geworden, dass uns die Islamisten für alles beschuldigen. Das überrascht niemanden. Was mich aber dann doch negativ überrascht, ist die Haltung des Westens. Zuerst stehen sie hinter Mursi, dann kritisieren sie die Haltung der Armee gegen die Muslimbrüder. Aber das Schlimme ist, im Westen kümmert sich niemand um die Christen in Ägypten. Kein Wort hört man von westlichen Politikern, wenn Kirchen angegriffen und Christen getötet werden“.

„Keine Christenverfolgung“

Die Christen seien allerdings nicht die einzigen, die unter der aktuellen Lage zu leiden hätten, sagte der koptisch-katholische Bischof aus Alexandria, Johanna Golta, im Interview mit „Radio Vatikan“ am Sonntag. In Ägypten herrsche keine Christenverfolgung, unter den Muslimbrüdern litten „sowohl Christen als auch Muslime“.

Die Islamisten attackierten unterschiedslos Kirchen, Schulen, Museen und andere Einrichtungen, so Golta. Zwar nutzten sie „die Schwäche der christlichen Minderheit, um anzugreifen, um zu töten“, räumte er ein. „Aber unsere muslimischen Freunde, das heißt die Mehrheit der Muslime, hilft den Christen und unterstützt sie.“

Golta wandte sich mit Nachdruck gegen eine besondere Aufmerksamkeit für die ägyptischen Christen. Die Gesellschaft Ägyptens dürfe nicht geteilt werden. „Die Vereinigten Staaten haben das nicht verstanden, auch nicht die Europäische Union“, sagte der Bischof. Dabei gebe es „keine Straße, kein Gebäude, keine Stadt, die allein für die Muslime oder allein für die Christen wäre“.

Kopten stehen hinter Militär

Die Führung der koptischen Christen in Ägypten hat indes ihren Rückhalt für das Vorgehen der neuen Regierung gegen die Islamisten bekundet. Die Kirche stehe hinter Polizei und Militär, heißt es in einer Erklärung. Scharf werden die „Gewalttaten der bewaffneten, terroristischen Gruppen im In- und Ausland und deren Attacken gegen staatliche Gebäude und friedliche Kirchen“ zurückgewiesen. Diese Angriffe seien sowohl gegen die christliche wie auch muslimische Bevölkerung gerichtet, „was gegen alle menschlichen und moralischen Prinzipien ist, sowie gegen alle Religionen“.

Zugleich wirft die Kirchenleitung unter Papst Tawadros II. westlichen Medien eine verfälschende Darstellung vor. Der Westen müsse „die Fakten der Ereignisse objektiv lesen“ und dürfe „diesen terroristischen und blutrünstigen Gruppen keinen internationalen und politischen Schutz geben“, so die Stellungnahme. Die koptische Kirche bekenne sich zur nationalen Einheit Ägyptens, und lehne jeden Versuch ab, „das Land in einen religiösen Streit zu führen“. Zugleich werde jede ausländische Einmischung in ägyptischen Angelegenheiten abgelehnt.

religion.ORF.at/KAP

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