Diskussion über Asyl „für Christen“ aus Syrien dauert an

Die Ankündigung der Regierung, Österreich werde 500 syrische Flüchtlinge aufnehmen und sich dabei auf „Kinder, Frauen und Christen“ konzentrieren, sorgt nach wie vor für Diskussionen.

Nicht wegen vermeintlicher Privilegierung aus konfessionellen Gründen, sondern weil Christen als religiöse Minderheit in Syrien besonders gefährdet und schutzbedürftig sind, erfüllen syrische Christen Kriterien für die Flüchtlingsaufnahme. Das beteuerte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Dienstag bei einem Treffen mit Vertretern des UNO-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR, der zwischenstaatlichen Migrationsorganisation IOM sowie der katholischen und syrisch-orthodoxen Kirche zur Aufnahme von 500 schutzbedürftigen Syrien-Flüchtlingen in Österreich.

Der Chef des Wiener UNHCR-Büros, Christoph Pinter, sagte dazu im Anschluss an das Treffen im Innenministerium, Christ zu sein sei jedenfalls kein Ausschlussgrund. Christen zählten in Syrien zu einer religiösen Minderheit, auf die das primäre Aufnahmekriterium der „besonderen Hilfs- und Schutzbedürftigkeit“ zutreffe, so der Chef des Wiener UNHCR-Büros, Christoph Pinter.

Laut APA meinte er aber auch, das Wort „Christen“ sei nicht Teil des mit dem Innenministerium vereinbarten Wordings gewesen. Mit dem Gesprächsverlauf zeigte sich Pinter dennoch zufrieden: „Es ist wichtig, dass 500 Personen hier in Österreich Schutz und Unterstützung finden. Das ist es, was zählt“.

„Redkution widerspricht Unparteilichkeit“

Am Dienstag hatte Max Santner vom Österreichischen Roten Kreuz die Einstufung von Christen als besonders schutzbedürftig einer ungerechten Bevorzugung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen gleichgestellt. In einem Gastkommentar in der Tageszeitung „Der Standard“ (Dienstag) unter dem Titel „Leiden Christen mehr unter Giftgas?“ schrieb Santner, dem Außenminister scheine es an humanitärem Verständnis zu fehlen.

„Die Reduktion vor allem auf ‚Christen‘ widerspricht einem der wichtigsten humanitären Grundsätze, nämlich der Unparteilichkeit“, so Santner weiter. Mikl-Leitner wies diese Kritik am Dienstag zurück. "Offensichtlich versucht hier so mancher zu negieren, dass auch Christen besonders gefährdet sind“, so die Innenministerin.

Koalition uneins

Kritik an einem Fokus auf christliche Flüchtlinge kommt auch von der SPÖ. Dies sei inakzeptabel, sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda. „Christen zu schützen und andere nicht ist für einen Außenminister kein guter Ansatz“, sagte er dem Standard laut Vorausbericht vom Mittwoch. Man dürfe sich dann nicht wundern, nähmen muslimische Länder dann nur Muslime.

Der SPÖ-Delegationsleiter in Brüssel, Jörg Leichtfried, sieht hinter der Christen-Bevorzugung ein taktisches ÖVP-Manöver im Wahlkampf. „Die Republik Österreich ist ein Staat, in dem Kirche und Staat zu trennen sind – und deswegen ist eine Religionszugehörigkeit auch kein Grund, bevorzugt aufgenommen zu werden.“

Grüne: „Tropfen auf den heißen Stein“

Die Oppositionsparteien meldeten sich am Mittwoch ebenfalls zum Thema zu Wort. Die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun kritisierte die Zahl von 500 Flüchtlingen als „Tropfen auf den heißen Stein“. Auch lehnen die Grünen eine Unterscheidung zwischen religiösen Gruppen ab. „Humanitäre Katastrophen sind Katastrophen für alle Menschen, nicht nur für spezielle Konfessionen“, sagte Korun laut einer Aussendung. „Wir sollten jetzt aktiv werden und jedes Jahr eine fixe Anzahl von Flüchtlingen zusiedeln lassen.“

Die FPÖ erklärte, sie sei „nicht gegen“ die Aufnahme von 500 Syrern in Österreich. Man müsse aber Christen bevorzugen, das diese ihrem Gastland „näher“ stünden als Muslime, sagte ein Sprecher des FPÖ-Parlamentsklubs auf Anfrage der APA.

Caritas: Fokus auf Christen legitim

Am Mittwoch bezeichnete auch die Caritas einen Fokus auf christliche Flüchtlinge als legitim. Grundsätzlich gelte, dass humanitäre Hilfe stets unabhängig von Nationalität, Religion oder politischer Überzeugung geleistet werden müsse. Bei der Aufnahme gelte es aber zu beachten, welche Perspektive die betroffenen Menschen in der Region haben.

Die Christen seien in Syrien als spezielle Gruppe zwischen den Fronten der Islamisten und des Assad-Regime besonders gefährdet, betonte Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer am Mittwoch im Gespräch mit „Kathpress". Es sei „legitim und wichtig, bei der Auswahl der Flüchtlinge auf die prekäre Situation der Christen Rücksicht zu nehmen“, so Schweifer, „gleichzeitig darf das aber nicht exklusiv gesehen werden.“ „Christen sollen aufgenommen werden, weil sie in einer prekären Lage sind, nicht weil sie Christen sind“, fasste Schweifer gegenüber der APA zusammen.

Chalupka: Religionszugehörigkeit an sich kein Kriterium

Der Direktor der evangelischen Diakonie, Michael Chalupka, betonte am Mittwoch im Ö1-„Mittagsjournal“ erneut, dass die Religionszugehörigkeit an sich zwar kein Kriterium für die Auswahl der Flüchtlinge sein dürfe. Jedoch gelte: „Verfolgung aufgrund von Religionszugehörigkeit kann schon darunterfallen.“ Das oberste Kriterium müsse die Schutzbedürftigkeit sein, alles andere leite sich hiervon ab.

Sowohl Schweifer als auch Chalupka sprachen sich im Mittagsjournal für eine Ausweitung der Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge aus. Angesichts der Notlage vor Ort und der Perspektive, dass der Konflikt noch lange dauern werde, müssten weitere Schritte gesetzt werden, forderte Schweifer. Chalupka erinnerte daran, dass Österreich während des Bosnien-Krieges 90.000 Personen aufgenommen habe, zu Zeiten des Kosovo-Krieges mit einem Mal 5.000 Flüchtlinge. „Das heißt, die Österreicherinnen und Österreicher können das.“

Abwicklung noch unklar

Der genaue Zeitpunkt für die Einreise der derzeit geplanten 500 Syrien-Flüchtlinge nach Österreich ist indes noch nicht fixiert. Man werde so schnell wie möglich vorgehen, so Mikl-Leitner nach dem Treffen am Dienstag. Die Schutzbedürftigkeit von 500 Personen werde durch Mitarbeiter der Flüchtlingsorganisationen sowie der katholischen und syrisch-orthodoxen Kirche direkt vor Ort in den überfüllten Flüchtlingslagern rund um Syrien festgestellt. Syrer, die bereits in Österreich leben, sollen zudem die Möglichkeit erhalten, gefährdete Familienmitglieder nachzuholen.

Wie die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR am Dienstag bekanntgab, stieg die Zahl der Syrien-Flüchtlinge insgesamt auf rund 2 Millionen. Die meisten davon befinden sich im Libanon (rund 716.000), gefolgt von Jordanien (515.000), Türkei (460.000) und Irak (168.000). Weitere 4,25 Millionen Syrer wurden innerhalb der Landesgrenzen gewaltsam vertrieben und sind Binnenflüchtlinge. Laut UNO-Angaben starben seit der Eskalation der Gewalt im Jahr 2011 mehr als 100.000 Menschen in Syrien. Der Großteil der Opfer kommt aus der Zivilbevölkerung.

KAP, APA

Mehr dazu:

Links: