Kardinal Koch: Kirchen waren sich vor 50 Jahren näher

Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, der Schweizer Kurt Koch, ist der Meinung, dass sich die Kirchen zu Beginn der ökumenischen Bewegung vor 50 Jahren näher waren als heute.

In einem Interview mit der „Kirchenzeitung der Diözese Linz“ betont Koch, dass die katholische Kirche am Ökumeneziel der „sichtbaren Einheit“ weiterhin festhalte. Gleichzeitig bedauerte er, dass die Kirchen „am Anfang der ökumenischen Bewegung und in der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1963-1965) eine größere Gemeinsamkeit in der Zielvorstellung gehabt haben als heute“. Das Grunddilemma sieht Koch in einer „Vergesslichkeit in der Ökumene“.

Der Kardinal bedauerte, dass es unter allen Kirchen keine gemeinsame Vorstellung von Ökumene gebe: „Wir müssen uns neu darüber verständigen, wohin die ökumenische Reise gehen soll und muss. Für uns Katholiken bleibt das Ziel die sichtbare Einheit.“

Kardinal Kurt Koch

EPA / Karl Mathis

Kardinal Kurt Koch

„Luther war ein Gottsucher“

Vor dem Hintergrund des bevorstehenden Reformationsjubiläums wies Koch auf die Bedeutung Martin Luthers als spirituelle Gestalt gerade auch für Katholiken hin. „Luther war ein Gottsucher. Wir müssen diese Zentralität der Gottesfrage wieder entdecken“, würdigte Koch den Reformator. „Luther hat nicht irgendeinen Gott gesucht, sondern den Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat. Die Konzentration auf die Gottesfrage und die Zentralität auf Christus hin scheinen mir die entscheidenden Punkte zu sein.“

Die katholische Kirche sei mit den Lutheranern seit 50 Jahren im Dialog, erinnerte der Kardinal. Heute drohe aber vieles wieder in Vergessenheit zu geraten. Es gelte, „die Früchte sammeln, die Dialogtexte veröffentlichen, damit sie nicht mehr verloren gehen, sondern Wegweiser für die Zukunft bleiben“.

Größter Dialogerfolg vor 14 Jahren

Als größten Dialogerfolg mit den Lutheranern bezeichnete der vatikanische Ökumene-Minister nicht die im vergangenen Juni veröffentlichte Erklärung zum Reformationsjubiläum 2017, sondern die bereits vor 14 Jahren unterzeichnete „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“. Diese habe „einen besonderen Charakter, weil sie von den beiden Kirchenleitungen angenommen wurde, nicht nur von Experten“.

Die Hauptkontrahenten von einst - die römisch-katholische Kirche und die evangelisch-lutherischen Kirchen - hatten am Reformationstag 1999 ihren Streit beigelegt. Dennoch sind Teilaspekte weiterhin strittig, deren Diskussion von Theologen angemahnt wird.

„Kirche, Eucharistie, Amt“

Er würde sich anlog zum Dokument von 1999 eine Erklärung über die großen Themen „Kirche, Eucharistie und Amt“ wünschen, sagte der Kurienkardinal der Linzer „Kirchenzeitung“. „Das wäre meines Erachtens ein weiterführender Schritt. Die Zeit, in der wir Papiere nur über Eucharistie oder nur über Amt gemacht haben, ist vorbei. Ich möchte das nicht mehr trennen.“

Auf das Verhältnis von Papst Franziskus zu den orthodoxen Kirchen angesprochen, meinte Koch, dass der Papst den Weg weitergehen wolle, den Benedikt XVI. eingeschlagen habe: „Dass wir den geschwisterlichen Dialog pflegen, dass wir herzliche und freundschaftliche Beziehungen haben - das ist Papst Franziskus sehr wichtig.“ Er habe Franziskus erlebt, so Koch, „wie er den koptischen Papst empfangen hat, wie er Repräsentanten aus der Orthodoxie empfängt, wie viel Zeit er sich dafür nimmt. Daneben muss natürlich auch der theologische Dialog weitergehen“.

„Freikirchen uns manchmal näher“

Der Dialog mit den Freikirchen und evangelikalen Gemeinschaften findet nach Aussage des Kardinals auf einem „sehr heterogenen Feld“ statt. Einige Bewegungen seien antikatholisch und antiökumenisch. Vor allem mit den Feikirchen in Mitteleuropa gebe es aber einen verstärkten Dialog.

„Da ist es in der Tat so, dass sie uns bei verschiedenen Fragen auf ethischem Gebiet näher sind als die großen evangelischen Kirchen“, erklärte der Kardinal: „Viele evangelikale Christen haben den Eindruck, dass das Christusbekenntnis heute in der katholischen Kirche besser aufgehoben ist als in einigen evangelischen Kirchen.“

Kontinuität zwischen den Päpsten

Auf die Persönlichkeiten von Papst Franziskus und Papst Benedikt XVI. angesprochen sagte der Kardinal, dass er diese zwar sehr unterschiedlich erlebe, trotzdem sehe er „eine grundlegende Kontinuität“. Koch: „Wenn sie beispielsweise auf das Interview schauen, das Papst Franziskus auf der Rückreise von Rio de Janeiro gegeben hat - das hätte auch Papst Benedikt geben können. Doch Papst Benedikt wäre dafür von verschiedenen Medien getadelt worden. Papst Franziskus ist dafür gelobt worden.“

Durch seine Art und Weise, wie er auf die Menschen zugehe und wie er sein Amt verstehe, habe Franziskus einen großen Bonus. Aber, so Koch, „wenn man entdeckt, was er wirklich denkt, wird vielleicht das Wohlwollen in der Öffentlichkeit nicht mehr so groß sein“.

Bislang werde jede Aussage des Papstes beklatscht, wunderte sich Koch: „Ich denke beispielsweise an den Aufschrei nach der Rede von Papst Benedikt in Freiburg über Entweltlichung. Papst Franziskus hingegen sagt es noch deutlicher, und man findet es gut. Vielleicht ist es die Art und Weise, wie Papst Franziskus das sagt, dass er Akzeptanz findet.“

KAP