Ethik- und Religionsunterricht wird Wahlkampfthema

Ein neues Positionspapier des Staatssekretariats für Integration zum Ethik- und Religionsunterricht sorgt für Kontroversen vor der Wahl. Gefordert wird ein verpflichtender alternativer Ethikunterricht.

Anlass für die aktuelle Diskussion ist ein neuer Vorstoß des Staatssekretariats für Integration zum Thema Ethikunterricht: „All jene Schülerinnen und Schüler, die - aus welchen Gründen immer - keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen beziehungsweise erhalten, sollen verpflichtend an einem alternativen Ethikunterricht teilnehmen“, heißt es in einem am Sonntag bekanntgewordenen und „Kathpress“ vorliegenden Positionspapier. Neu daran ist der Umstand, dass das Dokument „in Absprache“ mit der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirche, sowie mit der islamischen Glaubensgemeinschaft und der Israelitischen Kultusgemeinde erstellt wurde.

Integrastionsstaatssekretär Sebastian Kurz

APA/Hans Klaus Techt

Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz

Alternativer verpflichtender Ethikunterricht

Das von Sebastian Kurz (ÖVP) geleitete Integrationsstaatssekretariat betont in dem Papier den „wichtigen und wertvollen Beitrag“ des konfessionellen Religionsunterrichts für die Integrationspolitik. Dieser habe nicht nur „große Bedeutung“ bei der Vermittlung von für das Zusammenleben wichtigen Werten und Prinzipien, sondern auch „für eine individuelle, ethisch- und werteorientierte Bildung von Kindern und Jugendlichen“.

Der breite, über Konfessions- und Gesellschaftsgrenzen hinausgehende Konsens hinsichtlich bestimmter Werte und Prinzipien mache es jedoch aufgrund gestiegener Diversität in der Gesellschaft „erforderlich auch jenen Kindern und Jugendlichen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, einen bestimmten, kursorischen Unterricht im Bereich der Werte und Prinzipien zu teil werden zu lassen. Diese Rolle kann ein alternativer verpflichtender Ethikunterricht wahrnehmen“, heißt es in dem Papier. Gleichzeitig dürfe der konfessionelle Religionsunterricht, der gerade „für religiöse Minderheiten unverzichtbar“ sei, durch Einführung eines Ethikunterrichts „keinesfalls eine Schwächung erleiden“.

Regierungsprogramm nicht erfüllt

Das Integrationssekretariat greift mit seinem Positionspapier einen zwischen SPÖ und ÖVP im aktuellen Regierungsprogramm (2008-2013) vereinbarten Punkt auf, wo es heißt, dass „die Details der Einführung eines Gegenstandes ‚Ethikunterricht‘ in der Sekundarstufe II, insbesondere die Frage nach dem Verhältnis zum Religionsunterricht“, im Rahmen einer parlamentarischen Enquete unter Einbeziehung der Kirchen und Religionsgemeinschaften zu prüfen sei. Diese fand dann am 5. Mai 2011 statt.

Als Konsequenz legte das zuständige Unterrichtsministerium verschiedene Modelle des Ethikunterrichts vor, bei dem das unter anderem von der katholischen Kirche favorisierte Modell eines verpflichtenden Ethikunterrichts alternativ zum Religionsunterricht als kostengünstig abschnitt.

Abschaffung des Religionsunterrichts?

Im Rahmen eines Interviews mit der Tageszeitung „Kurier“ warf Kurz nun Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) vor, dass sie bisher kein Konzept für einen alternativen Ethikunterricht, für all jene, die sich vom Religionsunterricht abmelden, vorgelegt habe.

Gleichzeitig vermutet Kurz, dass Ministerin Schmied nach der Wahl einen „Weg zur Abschaffung des Religionsunterrichts“ finden wolle. Dieser Vorwurf wurde von Ministerin Schmied umgehend zurückgewiesen und sie versicherte gegenüber der Austria Presseagentur (APA), dass es „am Religionsunterricht keine Änderung“ geben werde. „Außerdem ist uns Religion so wichtig, dass ich mich dagegen verwehre, die Religion und die Religionsgemeinschaften in den Wahlkampf hineinzuziehen“, so die Ministerin.

Misstöne statt Weichenstellung

In einer Stellungnahme gegenüber Kathpress sagte Christine Mann, Schulamtsleiterin der Erzdiözese Wien zur Kontroverse: „Es ist schade, dass in dieser Sache, von der wir hoffen, dass es nach den Wahlen Weichenstellungen geben wird, plötzlich Misstöne in den Wahlkampf kommen. Das tut der Sache selbst und auch den Menschen nicht wirklich gut. Es gab zu besagter Thematik mit dem Unterrichtsministerium noch unter Bundesministerin Gehrer, ebenso auch mit Bundesministerin Schmied und mit der zuständigen Beamtenschaft zahlreiche und intensive Gespräche auf höchster Ebene - selbst mit dem Bundespräsidenten“, so die Schulamtsleiterin.

Diese Gespräche brachten allerdings bislang keine Ergebnisse. Keine der Schulversuche in der bisherigen Form sind in das Regelschulwesen umgesetzt worden. Und die Initiative „Religion ist Privatsache“ kritisiert, dass sich die Religionsgemeinschaften drei Wochen vor der Wahl hinter die ÖVP stellten, um gemeinsam mit Staatssekretär Kurz einen „Strafethikunterricht ausschließlich für Konfessionsfreie“ einzuführen.

Politische Bekenntnisse zum Religionsunterricht

Es sei im Gegenteil höchst erfreulich, dass beide Großparteien deutliche und positive Signale zum konfessionellen Religionsunterricht setzten, ergänzt Schulamtsleiterin Mann. Die ÖVP sei in Übereinstimmung mit den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften der Meinung, dass der konfessionelle Religionsunterricht auch mit dem Blick auf Europa in einer veränderten Religionszugehörigkeitslandkarte als Ergänzung einen alternativen Ethikunterricht brauche.

Auch seitens der SPÖ ist der konfessionelle Religionsunterricht unbestritten, wie den aktuellen Aussagen von SPÖ-Bildungssprecher Elmar Mayer zu entnehmen ist, der am Sonntag gegenüber der APA erklärte: „Die SPÖ steht selbstverständlich zum konfessionellen Religionsunterricht in allen Schulen auf Basis des Konkordats, des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes und des Religionsunterrichtsgesetzes.“

Thema seit vielen Jahren

Ethikunterricht wurde in Österreich Ende der 1990er Jahre als Schulversuch eingeführt und ist mittlerweile an rund 200 Standorten als Ersatzpflichtgegenstand für Schüler verankert, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben. Seit 2007 ist das Fach Ethik wieder verstärkt zum Reizthema geworden, ausgelöst durch den Plan des oberösterreichischen Landeshauptmanns Josef Pühringer (ÖVP), den Schulversuch auf alle höheren Schulen des Bundeslandes auszuweiten.

Dabei pochten die großen Religionsgemeinschaften sowie die ÖVP von Anfang an darauf, dass es sich lediglich um einen „Ersatz-Unterricht“ handeln könne, konfessioneller Religionsunterricht aber weiter die Norm sein müsse. Von den ersten von der Wiener SPÖ initiierten Schulversuchen bis heute war Ethik auch genau ein solcher Ersatzunterricht. Mittlerweile fordert die SPÖ, dass Ethikunterricht „mindestens gleichrangige Alternative“ zum Religionsunterricht sein müsse, der von speziell ausgebildeten Lehrern und nicht Religionslehrern sowie nach einem einheitlichen Lehrplan unterrichtet werden müsse.

Unterstützung für die SPÖ-Position gab es dabei zuletzt von der überparteilichen Plattform „Ethik für alle“. Die Grünen treten ebenfalls für einen verbindlichen „Ethik- und Religionenunterricht“ ein, konfessioneller Religionsunterricht solle nur auf freiwilliger Basis erfolgen.

KAP/APA

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