Schule: „Ethik kann Religionsunterricht nicht ersetzen“

Ethikunterricht ersetzt Religionsunterricht nicht, meinen Religionswissenschaftler Anton Bucher und die Leiterin des Erzbischöflichen Amtes für Unterricht und Erziehung der Erzdiözese Wien Christine Mann.

Ethik sei keine „Konkurrenz zum Religionsunterricht“, so der Salzburger Bucher in dem am Donnerstag in der „Furche“ erschienenen Streitgespräch. Ihm schwebe die Vision eines gemeinsamen Faches „Ethik und Religion“ vor. Mann bezweifelte, dass darin eine angemessene Antwort auf „Pluralität, Integration und Identitätsbildung“ liege.

Nach Buchers Modell sollten sich „Vertreter der Religionsgemeinschaften mit Repräsentanten des Staates zusammensetzen und überlegen, welche ethisch-religionskundliche Bildung alle Schüler und Schülerinnen brauchen“, so der Theologe. Schüler dürften weder „ohne Kenntnis von elementaren ethischen Prinzipien“ noch „als religiöse Analphabeten zur Matura gehen“.

Letztverantwortung beim Staat

Die Letztverantwortung für eine solche integrative ethisch-religiöse Bildung müsse beim Staat liegen. Religionsgemeinschaften sollten gemeinsam mit staatlich bestellten Bildungstheoretikern Inhalte für ein Curriculum „Ethik und Religion“ erstellen, so Bucher.

Die Leiterin des Erzbischöflichen Amtes für Unterricht und Erziehung der Erzdiözese Wien, Christine Mann

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Leiterin des Erzbischöflichen Amtes für Unterricht und Erziehung der Erzdiözese Wien Christine Mann

Dagegen äußerte die Leiterin des Erzbischöflichen Amtes für Unterricht und Erziehung der Erzdiözese Wien, Christine Mann, schwere Bedenken. Dem Staat den Religions- und Ethikunterricht zu übertragen zeuge von einer „gefährlichen Geschichtsvergessenheit“.

„In der Vergangenheit hat zumindest der nicht mehr demokratische Staat immer zuerst einmal den Religionsunterricht abschaffen und die konfessionellen Schulen schließen müssen“. Religionslehrer nicht zum Ethikunterricht zuzulassen, wie das etwa die Initiative „Religion ist Privatsache“ in ihrem Positionspapier fordere, lehnten sowohl Mann als auch Bucher ab.

„Vision“ von Fach „Ethik und Religion“

Für politisch durchsetzbar halte er seine „Vision“ von einem gemeinsamen Fach „Ethik und Religion“ derzeit nicht, so Bucher. „Aber realistisch scheint mir, Ethik und Religion als alternative Pflichtgegenstände gleichwertig einzurichten - so wie man sich zwischen Italienisch und Französisch entscheiden kann“.

In jedem der beiden Fälle Buchers - dem „visionären" und dem realistischen“ - sei die Sicherstellung einer guten Ausbildung der Lehrkräfte unabdingbar. Im Falle eines gemeinsamen Unterrichtsfaches von Ethik und Religion müsse ein interfakultäres Lehramtsstudium unter Einbeziehung von Philosophie, insbesondere Ethik, Theologie, Religionswissenschaft und Psychologie eingerichtet werden, so Bucher.

Mann: Gefahr einer Einebnung

Christine Mann warnte jedoch vor der Gefahr einer Einebnung und Uniformierung religiöser und konfessioneller Vielfalt. Lehrpläne zum Religionsunterricht hätten die verpflichtende Vermittlung von Kenntnissen über andere Religionen längst aufgenommen. Aber auch eine Weiterentwicklung des Religionsunterrichts durch Kooperation von Kirchen und Religionsgesellschaften müsse „unter Wahrung des Prinzips der Konfessionalität“ erfolgen, so Mann.

Dass sich die katholische Kirche gegen den Ethikunterricht gestellt hätte, sei ein falscher „Mythos“, für dessen Entlarvung sie - aber auch Kardinal Christoph Schönborn als zuständiger Schulbischof - immer wieder Überzeugungsarbeit geleistet habe. Da das Modell eines zum Religionsunterricht alternativen Ethikunterrichts zusätzliche Kosten verursache, plädierte Mann dafür, damit „einmal in der Oberstufe aufsteigend zu beginnen“.

„Religion“ nicht in Wahlkampf ziehen

Wenig erfreut zeigte sich die kirchliche Bildungsexpertin darüber, dass der Religionsunterricht nach der Präsentation eines von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) in Absprache mit den Religionsgemeinschaften erstellten Positionspapiers zum Wahlkampfthema wurde.

Das Positionspapier optiert für einen verpflichtenden alternativen Ethikunterricht für Schüler, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Das Papier sei bereits vor einem halben Jahr entstanden und enthalte nichts wirklich Neues. Umso bedauerlicher sei es, wenn ein derart komplexes Thema als „Wahlkampfmunition“ missbraucht werde, so Mann.

religion.ORF.at/KAP

Link: