Entwicklungspolitik: NGOs fordern „Ende leerer Worte“

Vertreter von 46 NGOs haben am Dienstag im Rahmen der Kampagne „mir wurscht...“ vor dem Parlament gegen die Entwicklungshilfepolitik der österreichischen Regierung protestiert.

Dutzende aktionistisch hochgehaltene leere Sprechblasen vor dem österreichischen Parlament - dieses vielsagende Bild war am Dienstagvormittag Ausdruck des Protestes gegen eine Entwicklungspolitik, die dem drittreichsten Staat der EU seit langem Kritik wegen Unterdotierung und gebrochenen Versprechen einbringt.

NGO-Vertreter am Dienstag, 15. Oktober 2013, Kampagne "Mir wurscht..?" vor dem Parlament in Wien

APA/www.annarauchenberger.com/Anna

NGO-Vertreter protestieren vor dem Parlament in Wien

Vorgebracht wurde sie von Vertretern von insgesamt 46 NGOs im Rahmen der Kampagne „mir wurscht...“ und im Vorfeld des Welttags der Armutsbekämpfung (17. Oktober). Michael Chalupka (Diakonie), Erwin Eder (Dreikönigsaktion), Gabriele Tebbich (Horizont 3000) und Rupert Roniger (Licht für die Welt) forderten im Hinblick auf die laufenden Regierungsverhandlungen „das Ende leerer Worte“.

Gegen Kürzungen im EZA-Bereich

Diakonie-Direktor Chalupka wies darauf hin, dass die Bewohner reicher Industrienationen im Westen auf Kosten der Menschen im „Süden“ leben. Die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und humanitäre Hilfe zu kürzen, wie es zuletzt in Österreich geschah, heiße, „die Vorstellung aufzugeben, dass wir in einer Welt leben“. Globale entwicklungspolitische Verantwortung drücke sich nicht in „schönen Worten“ aus, sondern in politischen Entscheidungen und Taten, so Chalupka.

Programmhinweis

„Orientierung“: 20.10.2013, 12.30 Uhr, ORF 2

Diakonie-Direktor Michael Chalupka wird am kommenden Sonntag im ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ im Studiogespräch zu den Flüchtlingskatastrophen und zur Flüchtlingspolitik in Österreich Stellungnehmen.

Kritik übte er an der Verwendung des Begriffs Entwicklungspolitik im Zusammenhang mit den jüngsten Flüchtlingskatastrophen in Lampedusa: Dort gehe es um die Flucht von Menschen, deren Leben bedroht sei, und denen Europa die Ermöglichung von Asyl schulde. Es sei wichtig, so Chalupka, die Dinge beim Namen zu nennen. „Wir in Österreich und Europa leben auf Kosten der Länder des Südens“, so der Diakonie-Präsident.

Von Lippenbekenntnissen zu Taten

Der Geschäftsführer der Dreikönigsaktion, Erwin Eder, erinnerte an die im Zuge der Kampagne „mir wurscht...“ durchgeführte Befragung der österreichischen Nationalratsabgeordneten, bei der sich 90 Prozent der Volksvertreter zu einer Erhöhung der derzeit bei 0,28 Prozent des Bruttonationaleinkommens „grundelnden“ staatlichen EZA-Ausgaben (als Ziel deklariert sind 0,7 Prozent) bekannt hatten.

Und ebenso hätten sich vor den jüngsten Nationalratswahlen auch fünf von sechs wahlwerbenden Parteien dafür ausgesprochen, diese Selbstverpflichtung zu erfüllen. Es ist laut Eder höchst an der Zeit, von Lippenbekenntnissen - „fast schon eine endemische Krankheit“ - zu konkreten Taten zu kommen.

Folge „tägliche menschliche Katastrophen“

Gabriele Tebbich (Horizont 3000) machte EZA-Kürzungen für täglich erlebbare menschliche Katastrophen verantwortlich, für Rupert Roniger (Licht für die Welt) zeigt der Fall Lampedusa, wie wichtig Entwicklungszusammenarbeit ist. Annelies Vilim von der AG Globale Verantwortung forderte von den Regierungsverhandlern von SPÖ und ÖVP eine längst fällige Trendwende.

Die Kampagne „mir wurscht...“ startete im September 2012 ebenfalls mit einer Kundgebung vor dem Parlament und mit Gesprächsterminen bei Bundespräsident Heinz Fischer und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ). Bei der Verabschiedung des Budgetrahmengesetzes im Frühjahr ignorierte die Bundesregierung das Votum der Parlamentarier, die sich gegenüber der AG Globale Verantwortung für mehr Entwicklungshilfe ausgesprochen hatten: Nicht mehr, sondern weniger EZA-Mittel waren die Folge.

46 österreichische NGOs - darunter auch die Caritas, die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Entwicklung und Mission, das Rote Kreuz oder Ärzte ohne Grenzen - fordern nunmehr erneut eine Trendwende: Für 2014 sollen die beschlossenen Kürzungen zurückgenommen werden, in den Folgejahren müsse ein sukzessiver Anstieg der EZA-Mittel erfolgen.

religion.ORF.at/KAP

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