Bestattungsrituale im Wandel

Die Bestattungskultur unterliegt wie alle religiösen, kulturellen und soziologischen Phänomene einem Wandel. Auch bei der Art der Bestattung spielt zunehmend die Individualität eine immer größere Rolle.

Der moderne Mensch lebt individuell, virtuell und mobil - und so will er auch begraben werden. Schon heute werden in Europa mehr als die Hälfte der Toten eingeäschert, Tendenz steigend - auch in Österreich. Mit der Einäscherung bieten sich mehr individuelle Möglichkeiten der Bestattung als im Erdgrab - von der selbstbemalten Urne bis zur Erstellung von Diamanten aus der Asche der Verstorbenen.

Begräbnis: Eine individuelle Angelegenheit

Zwar kann auch aus einer erstaunlich großen Palette an Särgen gewählt werden - vom einfachen Kiefernholz über schwere Eichensärge bis zu Särgen aus Metall, mit Beschlag und weicher Polsterung oder ohne. Eine Urne kann aber noch individueller gestaltet und vor allem an unterschiedlichen Plätzen beigesetzt werden.

Wesentliche Berücksichtigung bei der Art der Bestattung findet ein eventuell verfasstes Testament. Bei der Bestattung Wien sei man bemüht, sowohl den Wünschen der Verstorbenen als auch denen der Hinterbliebenen bestmöglich nachzukommen, sagt der Geschäftsführer des Unternehmens, Jürgen Sild im Gespräch mit religion.ORF.at. Das Unternehmen verstehe sich als modernes Dienstleistungsunternehmen. Daher seien auch die Kosten für ein Begräbnis sehr individuell, nach oben hin gäbe es fast keine Grenzen, so Sild.

Eine Frau kniet bei einem Grab. Im Hintergund viele Gabsteine

Reuters/Dominic Ebenbichler

Ein Erdgrab braucht mehr Pflege als ein Urnengrab

Feuerbestattungen im Trend

Nach Auskunft der Bestattung Wien liegt der Anteil der Feuerbestattungen österreichweit bei etwa 33 Prozent. Überraschenderweise ist diese Zahl in Wien viel niedriger - 25 Prozent. „Dem Wiener ist halt ‚a schene Leich‘ wichtig“, mutmaßt Sild. Außerdem stünden in Wien genug Plätze für Erdgräber zur Verfügung. Es herrsche hier kein Platzmangel, wie es in manchen anderen österreichischen Gemeinden der Fall sei.

Für Johannes Staudacher, Pfarrer und Trauerbegleiter in der Diözese Gurk-Klagenfurt, sind die Gründe für die Zunahme an Feuerbestattungen vielfältig. Dem Trauerexperten zufolge spielen wirtschaftliche Fragen, Grabpflege, der immer losere Bezug zum Glauben und die Abnahme der Fähigkeit, „sich anzuvertrauen“ eine große Rolle.

Sendungshinweis:

„über:morgen - Der letzte Weg“

Samstag, 2.11.2013, 18.00 Uhr in 3sat

Wunsch nach Kontrolle

Die Scheu davor, sich anzuvertrauen bedeute, das eigene Grab den Hinterbliebenen, aber auch seinen Körper der Vergänglichkeit zu überlassen, erklärte Staudacher im Gespräch mit Kathpress. Den Grund dafür sieht er im immer stärkeren Drang nach Selbstbestimmung, der sich im Wunsch nach Kontrolle über den eigenen Körper auch über den Tod hinaus ausdrücke.

Der Wandel habe aber auch ganz praktische Gründe. Ein Urnengrab sei meist günstiger und leichter instandzuhalten als ein Erdgrab, das im Sommer oft tägliche Pflege braucht, sagte der Priester. Eine Rolle spiele auch die Mobilität und die Bereitschaft, seinen Heimatort und das dortige Familiengrab dauerhaft hinter sich zu lassen.

Eine Urne in einem Strauß Sonnenblumen

ORF/Cinevision

Mit Urnen kann individuell verfahren werden. Sie werden in Flüssen, unter Bäumen oder auf Almwiesen beigesetzt.

Wandel „nicht per se schlecht“

Diese Veränderung sei „nicht per se schlecht“, so Staudacher. Theologisch betrachtet sei jede Begräbnisform „gleich gut“, die die Würde des Menschen achtet und aus Liebe geschieht. Es müsse aber im Blick bleiben, dass mit dem Rückgang der Erdbestattung auch die damit verbundenen Symbole verloren gehen, gab der Grazer Priester gegenüber Kathpress zu bedenken.

Tief mit dem christlichen Glauben und der Begräbnissymbolik verbunden sei etwa die Vorstellung, dass der Menschen von der Erde stammt und zu ihr zurückkehrt, oder auch der Bezug zu Jesu Grablegung und der Auffindung des leeren Grabes. Die römisch-katholische Kirche hat den Begräbnisritus für Feuerbestattungen dem der Erdbestattungen beim Zweiten Vatikanischen Konzil gleichgestellt. Folglich werden auch Einäscherungen von Geistlichen begleitet.

Zurück zur Natur

Der Gedanke an die Eingliederung in den Kreislauf der Natur spielt auch bei den immer individueller werdenden Begräbnissen eine Rolle, weiß Bestattungsexperte Sild. Das werde etwa im Konzept des „Waldfriedhofs“ am Wiener Zentralfriedhof deutlich. Hier könne man sich aussuchen, wo die Urne begraben werden soll - etwa beim Lieblingsbaum des Verstorbenen. Sogar dem Umweltgedanken kann Rechnung getragen werden, mit einer biologisch abbaubaren Urne.

Oder bei den äußerst seltenen Verstreuungen von Asche im Meer. Was hierzulande verboten ist, wird in Kooperation mit deutschen Bestattungsunternehmen in der Ostsee ermöglicht, erklärt Sild.

Aus der Sicht des Theologen Staudacher steht vor jeder Veränderung von religiösen Ritualen ein Wandel im Glauben. Seine Aufgabe als Seelsorger sieht er aber darin, Menschen in ihrem Trauerprozess zu begleiten und nicht sie zu bevormunden.

religion.ORF.at/KAP

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