Papst Franziskus zu Reform seines Amtes bereit

In seinem am Dienstag veröffentlichten ersten apostolischen Schreiben mit dem Titel „Evangelii Gaudium“ („Freude des Evangeliums“) hat sich Papst Franziskus zu einer Reform seines Amtes bereit gezeigt.

Er sei offen für Vorschläge, wie sein Amt durch eine „Reform des Papsttums“ stärker an die von Jesus Christus gewollte Bedeutung und die heutigen Notwendigkeiten der Evangelisierung angepasst werden könne, erklärte das Oberhaupt der katholischen Kirche in dem Dokument.

Gleichzeitig sprach er sich für Reformen in der römisch-katholischen Kirche „auf allen Ebenen“ aus. Den nationalen und regionalen Bischofskonferenzen komme dabei eine zentrale Rolle zu. „In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen Dezentralisierung voranzuschreiten“, so der Papst. Das erste Lehrschreiben von Franziskus greift die Ergebnisse der letztjährigen Bischofssynode über die Evangelisierung auf und wurde zum Abschluss der „Jahres des Glaubens“ verfasst.

Neuausrichtung „mutig und kreativ“

Ausdrücklich lädt Franziskus dazu ein, „mutig und kreativ“ an einer Neuausrichtung der Ziele sowie der Methoden der Verbreitung des Evangeliums mitzuarbeiten. Bereits im Oktober hatte die Vollversammlung der Bischofssynode zu der Frage getagt, wie in einer zunehmend säkularisierten und globalisierten Welt eine Neuevangelisierung aussehen könnte.

Als kreatives Vorbild hält der Papst seinen Gläubigen Jesus selbst vor Augen: „Jesus Christus kann auch die langweiligen Schablonen durchbrechen, in denen wir uns anmaßen, ihn gefangen zu halten, und überrascht uns mit seiner beständigen göttlichen Kreativität.“

Keine Weihe von Frauen

Die Laien sollen nach Franziskus’ Überzeugung mehr Verantwortung in der Kirche tragen. Das werde teilweise durch einen „ausufernden Klerikalismus“ verhindert. Auch müssten Frauen mehr Raum in der Kirche erhalten, vor allem dort, wo die wichtigen Entscheidungen fielen. Dieses Thema dürfe nicht „oberflächlich umgangen werden“. Franziskus bekräftigt jedoch, das Priestertum sei den Männern vorbehalten und stehe nicht zur Diskussion. Weiters warnt er vor Gruppenbildungen in der Kirche durch rückwärtsgewandte Gläubige, die einem vergangenen Stil von Katholizismus anhingen.

Papst Franziskus

Reuters/Tony Gentile

Papst Franziskus zeigt seine Bereitschaft zu Reformen, das Frauenpriestertum wird nicht dazugehören

Mit seinem Schreiben gibt der Papst Orientierungen, fügt aber seine eigenen Ideen hinzu. So geht er in weiten Passagen auch auf die Verpflichtung der Gläubigen ein, sich den Armen zu widmen. Das päpstliche Schreiben widmet sich zahlreichen Themen, darunter dem Frieden und sozialer Gerechtigkeit, der Predigtlehre, der Familie, Glauben und Politik, der Rolle der Frauen und der Laien in der Kirche sowie dem interreligiösen Dialog mit Juden und Muslimen.

Weiter gegen Abtreibung

Er bekräftigt die Ablehnung von Abtreibung. „Ich möchte diesbezüglich ganz ehrlich sein: Dies ist kein Argument, das mutmaßlichen Reformen oder Modernisierungen unterworfen ist“, schreibt er in seinem Lehrschreiben „Evangelii gaudium“. „Es ist nicht fortschrittlich, sich einzubilden, die Probleme zu lösen, indem man ein menschliches Leben vernichtet.“ Zugleich fordert der Papst aber auch mehr Begleitung von Frauen in Notsituationen.

„Es trifft auch zu, dass wir wenig getan haben, um die Frauen angemessen zu begleiten, die sich in sehr schweren Situationen befinden, wo der Schwangerschaftsabbruch ihnen als eine schnelle Lösung ihrer tiefen Ängste erscheint“, heißt es in „Evangelii Gaudium“. Das gelte ganz besonders, wenn das wachsende Leben Folge von Gewalt oder im Kontext extremer Armut entstanden ist. „Wer hätte kein Verständnis für diese so schmerzlichen Situationen?“, so der Papst.

„Demütiges Flehen“ an islamische Staaten

Franziskus schreibt, er würde die islamischen Staaten „demütig anflehen“, den Christen in ihrem Land die freie Ausübung ihrer Religion zu ermöglichen. In seinem Dokument erinnert der Papst daran, dass auch die muslimischen Gläubigen in den westlichen Ländern Religionsfreiheit genössen. Angesichts von Zwischenfällen durch einen gewalttätigen Fundamentalismus müsse „die Zuneigung zu den authentischen Anhängern des Islam uns dazu führen, gehässige Verallgemeinerungen zu vermeiden“, schreibt der Papst. Denn der wahre Islam und eine angemessene Interpretation des Korans stünden jeder Gewalt entgegen.

Sendungshinweis

Das ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ berichtet am Sonntag, 1. Dezember 2013, ausführlich über das Papst-Dokument. Im Schaltgespräch: Rom-Korrespondentin Mathilde Schwabeneder.

Link zur Sendung

In seinem Lehrschreiben weist Franziskus darauf hin, dass sich die Muslime „zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird“. Die heiligen Schriften des Islam bewahrten „Teile der christlichen Lehre; Jesus Christus und Maria sind Gegenstand tiefer Verehrung“. Franziskus würdigte die Gebetspraxis der Muslime und ihren ethischen Einsatz in Barmherzigkeit für die Ärmsten. Ein Dialog mit dem Islam setze freilich eine entsprechende Bildung und Erfahrung der Gesprächspartner voraus, hebt er hervor.

Die Freuden armer Menschen

Es sei der technologischen Gesellschaft gelungen, „die Vergnügungsangebote zu vervielfachen, doch es fällt ihr sehr schwer, Freude zu erzeugen“, so der Wortlaut der Botschaft. „Ich kann wohl sagen, dass die schönsten und spontansten Freuden, die ich im Laufe meines Lebens gesehen habe, die ganz armer Leute waren, die wenig haben, an das sie sich klammern können.“ Damit führt Franziskus neuerlich hin zu seinem zentralen Thema, der Armut. „Ich erinnere mich auch an die unverfälschte Freude derer, die es verstanden haben, sogar inmitten bedeutender beruflicher Verpflichtungen ein gläubiges, großzügiges und einfaches Herz zu bewahren“, so der Papst.

Kritik an Finanz- und Wirtschaftsordnung

Im Lehrschreiben prangert der Papst Auswüchse der globalen Finanz- und Wirtschaftsordnung an und entwickelt Linien für eine zeitgemäße Verkündung der christlichen Botschaft sowie für eine Reform der Kirchenstrukturen. Säkularisierung, ein ideologischer Individualismus und ein hemmungsloses Konsumdenken hätten vielfach zu einer „geistigen Wüstenbildung“ geführt. Aufgabe der Kirche sei es, darauf neu zu reagieren.

Als wichtigste Ursache aller sozialen Übel und der Gewalt bezeichnet Franziskus die ungleiche Verteilung des Reichtums auf der Welt. Das derzeitige Wirtschaftssystem sei „in der Wurzel ungerecht“. Diese Wirtschaft töte, weil sie allein nach dem Gesetz des Stärkeren funktioniere und eine Kultur des Abfalls schaffe, in der Menschen wie Müll behandelt würden.

Vatikan-Sprecher: „Sehr persönliche Arbeit“

„Dieses Apostolische Schreiben ist nach der Enzyklika ‚Lumen Fidei‘ das zweite große Dokument des Pontifikats von Franziskus. Während die Enzyklika noch einen Großteil eines von Benedikt XVI. begonnenen Werks enthielt, ist ‚Evangelii Gaudium‘ das Resultat einer sehr persönlichen Arbeit von Jorge Mario Bergoglio, die er hauptsächlich im August nach seiner Rückkehr von den Weltjugendtagen in Rio de Janeiro geleistet hat“, kommentierte Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi.

„Mit dem Apostolischen Schreiben ruft der Papst die Gläubigen auf, die Freude bei der Wiederentdeckung der Quellen der Evangelisierung in unserer Welt zu finden“, so Bischof Rino Fisichella, Präsident des Päpstlichen Rates für Neuevangelisierung.

religion.ORF.at/APA/AFP/KAP

Mehr dazu:

Link: