Bischof Küng: 40 Jahre Fristenlösung „keine Lösung“

Ein Plädoyer für einen Kurswechsel bei der Fristenlösung hat der St. Pöltner Bischof Klaus Küng in einem Gastkommentar für die Tageszeitung „Die Presse“ (Freitag-Ausgabe) abgegeben.

„Es gibt Jubiläen, die sollte man nicht feiern“, sagte Küng anlässlich des 40. Jahrestags des Nationalratsbeschlusses zur Fristenlösung am 29. November 1973. Die Fristenregelung sei gerade „keine Lösung“. Österreich versage in einer „Fortschrittsfrage par excellence“ - dem bedingungslosen Schutz des menschlichen Lebens - „und schafft es nicht, eines der gravierendsten sozialen Probleme der Gesellschaft anzugehen“, schrieb der in der Bischofskonferenz für Familienfragen zuständige und gelernte Arzt in einem Gastkommentar für „Die Presse“.

Küng verlangt anonyme Statistik

Konkret verlangte Küng eine anonyme Statistik zu in Österreich durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen - laut Schätzungen werde ein Drittel der ungeborenen Kinder abgetrieben, so der Bischof. Weiters forderte Küng eine vorgeschriebene zeitliche Pause zwischen Beratung und Abtreibung. „Die Kirche kann den Gesetzgeber nicht zwingen, sich für den Respekt vor der Menschenwürde aller einzusetzen, aber sie darf nicht aufgeben“, so Küng. Christen wollten die „Sprachlosigkeit“ und Tabuisierung des Themas Abtreibung durchbrechen.

Bischof Klaus Küng

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Bischof Klaus Küng

Dass alleine die Stadt Wien „täglich eine Schulklasse“ durch Schwangerschaftsabbrüche verliere, werde weithin ignoriert, so Küng. Er betrachte die Abtreibung als „eines der letzten Tabus unserer Gesellschaft“. Und wer es wage, Frauen in dieser Krise lebensbejahend zu beraten, über den würden „Sprechverbote“ verhängt, auf den würden „Keulen niederfallen“.

In Österreich „Tabu größer als anderswo“

In Österreich sei die Tabuisierung stärker ausgeprägt als anderswo - in fast allen Ländern Europas würden die genauen Zahlen der abgetriebenen Kinder erhoben, nicht so in Österreich. „Dafür haben wir Statistiken über die Legegewohnheiten von Freilandhühnern“, so der Bischof.

Auch eine gesetzlich festgelegte Bedenkzeit vor einer Abtreibung gebe es in vielen Staaten, „doch bei uns nicht“. Sogar „bei einem so oberflächlichen Thema“ wie der Schönheitschirurgie bestimme das Gesetz, dass eine ästhetische Operation „ohne Zeitdruck, aufgrund einer bewussten Entscheidung und erst nach reiflicher Überlegung und Reflexion durch die Patientin (den Patienten)“ erfolgen sollte. Die Wartefrist von mindestens zwei Wochen gebe zudem „die Möglichkeit der Einholung von weiteren Fachmeinungen“, zitierte Küng aus dem Schönheitschirurgie-Gesetz.

Wenn in diesem Fall eine Wartefrist - laut Küng „ein massiver Eingriff in die Privatautonomie eines Menschen“ - vorgeschrieben und akzeptiert werde, „warum nicht in dem ungleich existenzielleren Fall, in welchem ein Leben auf dem Spiel steht?“ Würde den Schwangeren Zeit gegeben, um nachzudenken, würde sich ein beträchtlicher Anteil doch für das Kind entscheiden. „Denn ich bin fest davon überzeugt“, so Küng: „Keine Frau will im Tiefsten ihr Kind abtreiben.“ Der Bischof wisse um die häufige „massive Beeinflussung von außen“, die mit dem zeitlichen Druck „letztendlich zur ungeliebten Entscheidung führen“ würde.

Justizministerium gegen Lockerung

Das Justizministerium ist gegen eine Abschaffung des Abtreibungsparagrafen im Strafgesetzbuch (StGB), wie sie derzeit in einer Petition verlangt wird. Das würde bedeuten, dass selbst eine Frau im achten Monat straffrei abtreiben könnte, begründete das ein Sprecher von Ressortchefin Beatrix Karl (ÖVP) am Donnerstag gegenüber der APA. Daher sei das mit dem „Schutz für werdendes Leben“ nicht vereinbar.

Auch die kirchennahe „Aktion Leben“ meldete sich anlässlich des Zustandekommens der Fristenlösung vor 40 Jahren zum Thema und beklagte etwa das Fehlen einer anonymisierten Statistik zu Abtreibungen. „Solange keine Zahlen und Fakten zu Abbrüchen auf dem Tisch liegen, wird die Politik weiterhin die Probleme schwangerer Frauen ignorieren“, meinte Generalsekretärin Martina Kronthaler. Die geschätzten hohen Abtreibungszahlen seien ein „Notsignal an Politik und Gesellschaft“.

Petition fordert Streichung aus Strafgesetzbuch

Mitglieder mehrerer Parteien fordern die völlige Streichung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch. Eine dementsprechende Petition einer Wiener Abtreibungsklinik wurde unter anderen von der Grünen-Abgeordneten Daniela Musiol, NEOS-Mandatar Niko Alm und der Vorsitzenden der SPÖ-Frauen Salzburg, Ingrid Riezler, unterzeichnet. Anlass ist das Zustandekommen der Fristenlösung vor 40 Jahren. Schwangerschaftsabbruch sei zwar durch die Fristenlösung innerhalb der ersten drei Monate straffrei, aber immer noch Teil des Strafgesetzes, kritisieren die Unterstützer der Petition.

Die Fristenlösung

Treibende Kraft für die 1973 vom Parlament beschlossene Strafbefreiung waren die SPÖ-Frauen rund um Johanna Dohnal. Am 29. November 1973 wurde im Parlament die sogenannte Fristenlösung sehr knapp - mit 93 zu 88 Stimmen - beschlossen. Allerdings verblieb damals der ursprünglich von Maria Theresia eingeführte Abtreibungsparagraf im Strafgesetzbuch bis heute.

„1973 erfolgte ein erster Schritt, heute ist der nächste notwendig“, meinen die Unterstützer der Petition in einem gemeinsamen Statement. „Die vollständige Streichung dieser medizinischen Behandlung aus dem StGB“ fordert etwa Christian Fiala, Gynäkologe und Initiator der Aktion. Weiters für eine Streichung des Abtreibungsparagrafen engagieren sich auch der Verein österreichischer Juristinnen, der Österreichische Frauenring sowie die Österreichische Gesellschaft für Familienplanung.

Die katholische Kirche hält nach Worten von Papst Franziskus in seinem jüngst veröffentlichten Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“ an ihrem entschiedenen Nein zur Abtreibung fest. „Ich möchte diesbezüglich ganz ehrlich sein: Das ist kein Argument, das mutmaßlichen Reformen oder Modernisierungen unterworfen ist“, so der Papst. „Es ist nicht fortschrittlich, sich einzubilden, die Probleme zu lösen, indem man ein menschliches Leben vernichtet.“ Zugleich fordert der Papst aber auch mehr Begleitung von Frauen in Notsituationen.

religion.ORF.at/APA/KAP

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