Fußball: Bischof Kräutler übt Kritik an WM-Kosten

Heftige Kritik an der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien übt der austrobrasilianische Bischof Erwin Kräutler. Er kritisiert auch den Umgang mit der indigenen Bevölkerung bezüglich des Belo-Monte-Staudamms.

Bei aller Fußballbegeisterung im Land würden Viele die Veranstaltung im kommenden Sommer kritisch sehen, so Kräuter zur katholischen Nachrichtenagentur „Kathpress“. „Was da an Geld hinaus geschmissen und wie mit den Leuten umgegangen wird, das ist Wahnsinn.“ Und: „Wenn man sieht, wie im Umfeld von Stadien Häuser abgerissen werden und die Leute nicht wissen, wo sie hin sollen - das schreit zum Himmel“.

Anderes wäre wichtiger als die WM

Kräutler zeigte sich besorgt, dass es rund um die Fußball-WM zu massiven Protesten kommen könne. Statt einer WM wollten die Menschen Bildung, Gesundheit, funktionierende Infrastruktur und Sicherheit im Land. Der Fußball-Weltverband FIFA greife viel zu sehr in nationale Rechte des Landes ein, was den Nationalstolz vieler Menschen verletzen würde, so Kräutler. Der 74-jährige gebürtige Vorarlberger und Bischof von Xingu in Amazonien befindet sich derzeit zu Besuch in Österreich.

Proteste beim brasilianischen Stadion für die Fussball-WM 2014

Reuters/Ueslei Marcelino

Verschiedene Sozialorganisationen protestierten bereits bei der Einweihung des Mane Garrincha Stadions in Brasilien

Mangelnde Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Menschen im Land lässt sich Kräuter Kräutler zufolge auch am umstrittenen Mega-Kraftwerk Belo Monte ablesen. Man könne das Projekt nun nicht mehr verhindern, jetzt gehe es nur mehr darum, sich für einen menschenwürdigen Umgang mit der betroffenen Bevölkerung einzusetzen, sagte Kräuter. Der zehn Milliarden Euro teure Staudamm soll mit einer Leistung von 11.233 Megawatt der drittgrößte der Welt werden. Das zehn Milliarden Euro teure Bauwerk soll 2015 ans Netz gehen.

„Absolut keine sauberer Energie“

„Absolut nichts mehr“ habe Belo Monte mit sauberer Energie zu tun, so Kräutler: „Was ist daran saubere Energie, wenn dort ganze Völker draufgehen? Wenn an die 40.000 Menschen zwangsumgesiedelt werden und bis heute nicht einmal wissen, wohin sie kommen? Wenn wieder ein riesiges Stück Regenwald unwiderruflich verloren geht?“

Eine riesige Fläche Urwald sei bereits abgeholzt und ein Kanal gegraben, der das Wasser des Flusses umleitet und von den Erdbewegungen her „das Ausmaß des Panama-Kanals“ habe. Was noch fehle, sei die Errichtung des Staudamms. Mindestens 40.000 Menschen seien dann von der Flutung betroffen und würden, sobald das Wasser steigt, ihre Häuser, Heimat und Lebensgrundlage verlieren.

Luftansicht der Bauarbeiten am Belo Monte Staudamm in Brasilien

Reuters/Stian Bergeland

Luftansicht der Bauarbeiten am Belo Monte-Staudamm

Die teils von den Behörden zur Verfügung gestellten winzigen Fertigteilhäuser seien „alles andere als eine Alternative“. Kräutlers Resümee: Die Regierung habe für diese Menschen nichts übrig. Sie schaffe vollendete Tatsachen nach dem Motto „Ohne Opfer kein Fortschritt“. „Für mich haben diese Menschen aber alle ein Gesicht“, so der Bischof.

Kritik an österreichischem Unternehmen

Kein gutes Haar ließ Kräutler einmal mehr an der österreichischen Andritz AG, die Turbinen für das Wasserkraftwerk liefert. Würden sich die Verantwortlichen die Mühe eines Lokalaugenscheins vor Ort machen, sähen sie, dass bei weitem nicht alles mit rechten Dingen zugeht, so der Bischof. „Schlichtweg ignoriert“ würden die Auflagen der staatlichen Umweltbehörden.

Auch das Argument, dass damit österreichische Arbeitsplätze gesichert werden, wollte der Bischof nicht gelten lassen. „Was sind das für Arbeitsplätze, die mit dem Leid und Blut anderer Menschen erkauft werden.“ Auch diese Frage scheine die Andritz-Verantwortlichen nicht zu tangieren.

Bischof Erwin Kräutler

APA/Roland Schlager

Bischof Erwin Kräutler

„Die Regierung geht über Leichen“

Aber nicht nur am Xingu-Fluß, sondern auch in vielen weiteren Teilen Brasiliens würde rücksichtslos gegen die indigenen Völker vorgegangen. Wer sich hingegen für die Rechte der Indios einsetzt, stehe „mit einem Fuß schon im Kriminellen“ und werde der Aufhetzung der indigenen Völker beschuldigt, beklagte der Bischof.

Vor wenigen Tagen wurde im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul der weltweit bekannte Anführer des Indio-Volkes Guarani Kaiowa, Ambrosio Vilhalva, ermordet. Er hatte sich - medial viel beachtet - für die Landrechte der Ureinwohner eingesetzt. Was in Mato Grosso passiert sei ein „Genozid“, so Bischof Kräutler: „Die Regierung geht über Leichen. Überspitzt formuliert: ‚Jeder Indio ist für die Regierung einer zu viel.‘“

Mangelhaftes Justizsystem

Das mangelhafte Justizsystem sei dabei eines der großen Probleme des Landes. Wer Geld hat, könne es sich oft „richten“, weshalb etwa jene Männer aus der Oberschicht von Altamira, die vor einigen Jahren Mädchen eines kirchlichen Internats missbrauchten, nach wie vor auf freiem Fuß seien. Kräutler war bis zum Justizministerium gegangen und hatte den Fall publik gemacht. Die Folge war nicht die Verurteilung der Beschuldigten sondern Morddrohungen gegen den Bischof. Nicht zuletzt deshalb stehe er nach wie vor rund um die Uhr unter Polizeischutz, sagte der Bischof.

Eine anderes bezeichnender Fall sei der Mord an der US-amerikanischen Ordensfrau Dorothy Stang. Der Mörder der Ordensfrau, die sich für die Belange armer Bauernfamilien im Amazonasgebiet eingesetzt hatte, sei auf freiem Fuß. Der Auftraggeber sei zwar zu 30 Jahren Haft verurteilt worden, das Urteil kürzlich aber von einem anderen Gericht wieder aufgehoben worden. Kräutler: „Diese Straflosigkeit ist eine der größten Tragödien Brasiliens. Wenn es überhaupt zu Ermittlungen und Verhaftungen kommt, werden die Verfahren so in die Länge gezogen, bis nichts mehr übrigbleibt.“

Indio-Rechte bedroht

Kräutler betonte, dass die Indios seit 1987/88 verbriefte Rechte in der brasilianischen Verfassung hätten. Damals sei es gelungen, im Grundgesetz zu verankern, dass sie ein Recht auf ihr angestammtes Land, ihre Kultur, Sprache und Religion hätten. Zuvor seien sie als „Waldbewohner“ bezeichnet worden, hätten sich in die Gesellschaft integrieren und ihre Identität aufgeben sollen.

Nach 1988 wurden dann aber zumindest 50 Prozent der den Indios zugesicherten Fläche abgegrenzt worden. Das sei auch für den weltweiten Klimaschutz von enormer Bedeutung, so der Bischof. Allerdings gebe es inzwischen Tendenzen, diese Verfassungsbestimmung wieder zu lockern. Über die Landrechte der Indios solle neu verhandelt werden.

Dagegen hätten sich alle brasilianischen Bischöfe mit Vehemenz ausgesprochen, hielt Kräutler fest. Trauriger Nachsatz: „Die Kirche ist in Brasilien die einzige Instanz, die sich für die Rechte der Indigenen einsetzt.“ Wohl sei er als Präsident des Indianermissionsrates der brasilianischen Bischofskonferenz (CIMI) das bischöfliche Aushängeschild des kirchlichen Einsatzes für die Indios, so Kräutler, „in der Bischofskonferenz habe ich aber vollen Rückhalt“.

religion.ORF.at/KAP/APA

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