Indien: Kath. Kirche gegen Strafen für Homosexuelle

Das oberste Gericht Indiens hat am Mittwoch entschieden, dass homosexuelle Handlungen künftig wieder unter Strafe stehen sollen. Die katholische Kirche stellte sich gegen die Entscheidung.

Der Vorsitzende der Indischen Bischofskonferenz, Kardinal Oswald Gracias, stellte laut dem römischen Pressedienst „Asianuews“ am Mittwoch klar, dass die katholische Kirche nicht für eine Bestrafung von Homosexualität eintrete. Die Einführung von gleichgeschlechtlichen Ehen lehne man aber dennoch ab, so der Erzbischof von Mumbai, der auch Mitglied des Kardinalsrats zur Kurienreform ist.

Das oberste indische Gericht hatte am Mittwoch beschlossen, eine Bestimmung, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellt, wieder in Kraft zu setzen. Der betreffende Paragraf war 2009 von einem Gericht in Neu Delhi wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden. Mehrere religiöse Vereinigungen, unter ihnen die Allianz Apostolischer Kirchen, hatten gegen die Aufhebung des Homosexuellen-Paragrafen geklagt.

Gesetz aus Kolonialzeit

Das oberste Gericht urteilte nun, dass das Gericht in Neu Delhi seine Kompetenzen überschritten habe. Das von den britischen Kolonialherren im Jahr 1860 erlassene Gesetz zur Strafbarkeit homosexueller Handlungen, festgehalten im Paragrafen 377 des Strafgesetzbuchs, bleibe aus verfassungsrechtlicher Sicht in Kraft.

Indische Homosexuellen-Verbände hatten nach dem Urteil des Höchstgerichts behauptet, christliche, islamische und hinduistische Organisationen hätten Druck auf die Richter ausgeübt. Die Stellungnahme von Erzbischof Gracias richtete sich vor allem gegen diesen Vorwurf.

Bis zu zehn Jahre Gefängnis

Nach dem nun wieder in Kraft getretenen Paragrafen droht für homosexuelle Handlungen laut „Asianews“ eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren, in besonders schwerwiegenden Fällen auch lebenslängliche Haft. Die Vorschrift stammt noch aus der britischen Kolonialzeit.

Das oberste Gericht begründete seine Entscheidung laut Medienberichten damit, dass eine Änderung oder Abschaffung des betreffenden Paragrafen allein in die Zuständigkeit des Parlaments falle.

Kritik von NGOs

Menschenrechtsaktivisten kritisierten das neue Urteil. „Das ist ein schwarzer Tag“, sagte Arvind Narayan, Anwalt der Homosexuellengruppe Alternative Law Forum. „Wir sind sehr erbost über diese rückschrittliche Entscheidung“, fügte er hinzu. Eine andere Aktivistengruppe kündigte an, Rechtsmittel gegen das Urteil zu prüfen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem „schweren Rückschlag“.

Noch für Mittwoch riefen Aktivisten zu Protesten auf. In Mumbai versammelten sich etwa 50 Menschen mit Regenbogenfahnen und einem Banner, auf dem die Zahl 377 durchgestrichen war. Indiens Justizminister Kapil Sibal sagte zu, das Parlament mit dem Gesetz zu befassen. Dieses wird aber im kommenden Jahr neu gewählt, und es erscheint unwahrscheinlich, dass vorher als unpopulär geltende Gesetze verabschiedet werden könnten.

Homosexualität lange tabu

Gleichgeschlechtliche Liebe war im traditionell konservativen Indien lange tabu, viele Inder betrachten Homosexualität als Krankheit. In den vergangenen Jahren drängten Schwule und Lesben jedoch zunehmend in die Öffentlichkeit und organisierten Paraden in Metropolen wie Mumbai und Neu Delhi. In der Politik und im öffentlichen Leben Indiens gibt es jedoch bislang keine ranghohen Repräsentanten, die offen homosexuell leben.

Die Gerichtsentscheidung des Jahres 2009 galt indischen Aktivisten als Durchbruch im Kampf für ihre Rechte. Die größte Demokratie der Welt war damit neben Nepal das einzige Land in Südasien, in dem homosexuelle Handlungen nicht verboten waren. Nach dem neuen Urteil befindet sich Indien wieder in Gesellschaft vieler seiner Nachbarstaaten sowie zahlreicher arabischer und afrikanischer Länder.

AFP/KAP