Geschiedene: Viele für anderen Umgang in Kirche

Der Wunsch nach Änderung der Regeln der katholischen Kirche im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ist in Österreich sehr groß. Das ergab eine Onlineumfrage der Katholischen Aktion Österreichs (KAÖ).

Wie die katholische Laienorganisation in einer Pressemitteilung am Donnerstag bekanntgab, stimmten 89 Prozent der Ansicht zu, dass die Kirche „ihrem Auftrag zu heilen und zu versöhnen nicht gerecht wird, wenn sie keine Wege findet, geschiedene Wiederverheiratete wieder voll in die Gemeinschaft zu integrieren“ und zu Beichte und Kommunion zuzulassen. Sechs Prozent würden in einem solchen „barmherzigen“ Umgang mit Geschiedenen eine Gefährdung bestehender Ehe sehen. 87 Prozent plädieren für eine zweite kirchliche Heirat nach dem Beispiel anderer Kirchen.

Soll bei Ad-limina-Besuch einfließen

Laut Angaben der KAÖ nahmen mehr als 7.400 Personen an der Umfrage teil, sie könne daher „als repräsentativ eingestuft werden“. Start für die Umfrage war die Kick-off-Veranstaltung zum Zukunftsforum der katholischen Kirche vor vier Monaten am 5. Oktober 2013 in Wien. In die Fragen war auch die vom Vatikan im November initiierte Umfrage zu Ehe, Familie und Sexualität eingearbeitet. Darüber hinaus wurden von der Katholischen Aktion Fragen zu den Bereichen Bildung und Arbeitswelt, zum politischen Engagement der Kirchen und zum Einsatz für Ökologie und Nachhaltigkeit gestellt.

Präsidentin der KAÖ Gerda Schaffelhofer

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer

Die erste Auswertung der Umfrage wurde am Mittwochnachmittag in Salzburg mehreren Bischöfen präsentiert, mit der Bitte, die Ergebnisse auch beim bevorstehenden Ad-limina-Besuch der österreichischen Bischöfe in Rom einfließen zu lassen.

Die Präsidentin der KAÖ, Gerda Schaffelhofer, verwies auf die Seriosität der Umfrage und zeigte sich erfreut, wie viel Kompetenz der Kirche in gesellschaftspolitischen Fragen zugetraut wird. Sie warnte aber davor, aus der Umfrage nur jene Ergebnisse herauszupicken, die „genehm“ sind und nicht wehtun. Ein selektives Umgehen mit den Ergebnissen der Befragung würde der Glaubwürdigkeit der Kirche nicht dienlich sein.

Schaffelhofer: „Niemanden abschreiben“

„Jetzt sind wir gefordert, den Menschen zu zeigen, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen, dass wir niemanden abschreiben, dass uns jede und jeder wichtig ist. Eine missionarische Kirche, wie der Papst sie in seinem apostolischem Schreiben ‚Evangelii gaudium‘ skizziert und wünscht, wird sich dieser Aufgabe mit Freude und ohne Angst stellen“, wird die KAÖ-Präsidentin in der Pressemitteilung zitiert.

So zeige die Umfrage, dass einem Großteil der Befragungsteilnehmer die Möglichkeit bekannt sei, eine Ehe für nichtig erklären zu lassen. Nur die Hälfte sehe aber darin einen wünschenswerten Weg, die derzeitigen Probleme der Kirche im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen zu mindern.

Nein zu Verhütung nur für sieben Prozent Pflicht

75 Prozent der Befragten halten es für richtig, wenn Paare vor der Heirat zusammenleben. Die kirchliche Ehevorbereitung betrachten lediglich 29 Prozent als hilfreich. In Fragen der Empfängnisregelung sehen sich nur sieben Prozent dem kirchlichen Nein zu künstlichen Verhütungsmitteln verpflichtet. 87 Prozent begrüßen, dass nationale Bischofskonferenzen die Entscheidung darüber dem Gewissen der Paare anvertraut haben.

Die Möglichkeit einer standesamtlichen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare würden laut dieser Umfrage 65 Prozent befürworten, Segnungsgottesdienste für diese Paare 71 Prozent. Die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare findet hingegen nur bei 41 Prozent Zustimmung. Dem Argument, dass auch solche Paare Kindern einen „stabilen Raum der Liebe“ bieten können, stehe hier vor allem die Überzeugung entgegen, dass ein Kind für seine Entwicklung Vater und Mutter brauche.

Verschiedene „Ehe-Bilder“

Bei der Auswertung seien laut KAÖ drei deutlich unterscheidbare Vorstellungen von Ehe auszumachen: 38 Prozent vertreten ein „säkular-personales“ Ehe-Bild, in dem sowohl Ausgestaltung als auch eventuelle Beendigung der ehelichen Gemeinschaft Sache der Partner ist und in dem Glaubensaspekte keine Rolle spielen. 18 Prozent bekundeten eine „religiös-institutionelles“ Vorstellung von der Ehe, in dem diese stark religiös fundiert ist und daher als unauflöslich gilt. 45 Prozent vertreten eine Art Mischform zwischen beiden, ein „religiös-personales“ Bild, in dem die Ehe ebenfalls vorwiegend partnerschaftlich ausverhandelt wird, sie aber dennoch religiös verankert ist.

Diese unterschiedlichen Vorstellung von Ehe würden auch starke Unterschiede in Einstellungen zu einzelnen Fragen bewirken, so die KAÖ. So meinen nur vier Prozent der „säkularen“ Gruppe, dass die Ehe dem Zeugen von Nachkommen dient, aber 46 Prozent der traditionell orientierten „religiös-institutionellen“ Gruppe.

Auch Traditionelle wollen Änderung für Geschiedene

Ähnlich der Unterschied zwischen den beiden Gruppen in einem Ja zu einer Scheidung einer zerrütteten Ehe (95 Prozent zu 44 Prozent) und der Zustimmung zu einer standesamtlichen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (79 Prozent zu 35 Prozent).

Bemerkenswert ist laut KAÖ allerdings, dass in anderen Fragen kaum Unterschiede zwischen den drei Gruppierungen auszumachen sind: So sind auch drei Viertel der Vertreter eines religiös-institutionellen Ehebildes für eine Änderung der Regeln zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Eine ebenso große Mehrheit in dieser Gruppe betrachtet die Empfängnisregelung als eine Angelegenheit des Gewissens der Partner.

Zukunftsforum nimmt Konturen an

Mit der Auswertung der Umfrage, die unter dem Motto „Wo drückt der Schuh“ durchgeführt wurde, nimmt das Zukunftsforum der katholischen Kirche in Österreich Konturen an. Den Beschluss zum Zukunftsforum fasste die Bischöfe im Juni 2013. Ziel sei es, drängende Themen in Gesellschaft und Kirche zur Sprache bringen, wie es in einer Erklärung zum Abschluss der Sommervollversammlung der Bischofskonferenz in Mariazell (17. bis 20. Juni) heißt. Man wolle im Rahmen eines von der KAÖ moderierten und strukturierten Gesprächsprozess „die Lebenswelt im Lichte des Evangeliums und im Gespräch mit der säkularen Gesellschaft reflektieren“.

Laut KAÖ bildet die Umfrage einen wichtigen Bezugspunkt für den Fortgang des Zukunftsforums, das ab Herbst in die heiße Phase tritt. Ab dann sollen die vier thematischen Schwerpunkte - „Familie und Beziehung“, „Bildung und Arbeit“, „Kirche und Gesellschaft in Österreich“ sowie „Gerechtigkeit und Ökologie weltweit“ - vertieft behandelt werden.

religion.ORF.at/KAP

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