Karl der Große und der Aufstieg der Klöster

Der Einfluss Kaiser Karls des Großen (768 bis 814) auf die Christianisierung Europas und das Papsttum war enorm. Auch die Rolle der Klöster als Kulturvermittler im Mittelalter verdankt sich zu einem großen Teil Karl und den Karolingern.

Während der Herrschaft Karls des Großen, dessen Todestag sich am Dienstag zum 1.200. Mal jährt, erlebte das in Europa zur beherrschenden Macht aufgestiegene Frankenreich eine kulturelle und wissenschaftliche Hochblüte. Bekannt ist das, was man in modernen Begriffen als Bildungsreform bezeichnen kann, als Karolingische Renaissance. Initiiert von den bedeutendsten Intellektuellen ihrer Zeit wie dem Angelsachsen und Leiter der Hofschule in Aachen, Alkuin (um 730 bis 804), dem Karl-Biografen Einhard und Theodulf von Orleans wurde sie von Karls Hof ausgehend in den Klöstern umgesetzt und verbreitet.

Zentren des Wissens und der Lehre

In den Klöstern und Kathedralschulen, die Karl stark förderte, wurden antike Papyrustexte kopiert und somit für die Nachwelt erhalten. Hierfür führten die Gelehrten an Karls Hof eigens eine klare und einheitliche Schrift, die karolingische Minuskel, ein, die Vorgängerin der heute gebräuchlichen „lateinischen“ Schrift. Sehr viele Texte der Antike wurden so vor dem Vergessen gerettet. Auch für die Weitergabe von Wissen waren in der mittelalterlichen Gesellschaft in erster Linie die Klöster zuständig: Sie waren ausdrücklich dazu angehalten, Schulen zu unterhalten.

Karl der Große

Karl der Große (etwa 747 bis 814) gilt als einer der bedeutendsten Herrscher des Abendlandes. Mit etwa 20 Jahren wurde er König des Frankenreichs, das in seinem Zenit von den Pyrenäen bis zur Ostsee und von der Nordsee-Küste bis nach Rom reichte. 800 wurde er von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt.

1165 erfolgte die Heiligsprechung Karls unter Billigung von Gegenpapst Paschalis III., aber gegen den Willen von Papst Alexander III. Seit 1176 wird die Verehrung Karls als Seliger geduldet.

Karl der Große betrachtete sich als von Gott eingesetzter Beschützer und auch Beherrscher der Kirche. Damit der Klerus in den Pfarreien und Konventen seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, wurde der „Zehnte“ oder Kirchenzehnte eingeführt. Den Zehnten gab es schon früher, Karl machte die Abgabe jedoch zum Reichsgesetz. Diese Zwangsabgabe der Bauern von etwa zehn Prozent ihrer erwirtschafteten Güter führte häufig zu Konflikten und auch Aufständen der bäuerlichen Bevölkerung, insbesondere in Hungerzeiten.

Klosterreform mit der Benediktregel

Nach der Ausdehnung des Frankenreichs durch Feldzüge, christliche Missionierung und gezielte (teilweise zwangsweise) Umsiedlung vor allem ins Gebiet der unterworfenen Sachsen entstand im achten und neunten Jahrhundert eine Vielzahl neuer Klöster und Bistümer. Karl festigte seine Eroberungen mit Hilfe energischer Christianisierung. Die Bistümer Paderborn, Münster, Osnabrück, Hildesheim und andere wurden gegründet, Köln und Mainz zu Erzbistümern erhoben. Bestehende Monasterien wie St. Gallen in der Schweiz und die Klöster Kremsmünster und Mondsee im heutigen Österreich erfuhren eine Aufwertung ihrer Bedeutung.

Aus der Kemptener Klosterchronik: Kaiser Karl der Große stiftet mit seiner Gattin Hildegard das Kemptener Kloster

Public Domain/Johannes Birk

Aus der Kemptener Klosterchronik (1499): Kaiser Karl der Große stiftet mit seiner Gattin Hildegard das Kemptener Kloster

Um diese neuen und neu bewerteten Klöster unter ein gemeinsames Regelwerk zu stellen, bediente sich Karl der Benediktregel (Regula Benedicti). Benedikt von Nursia (um 480 bis 547) hatte sie im sechsten Jahrhundert für seinen Orden im Kloster Montecassino in Italien verfasst. Die Regel entwarf ein klösterliches Leben ohne übertriebene Askese und mit mehr Hinwendung zum weltlichen Geschehen. Neben der berühmten Anweisung „Ora et labora“ („Bete und arbeite“) waren das Verbleiben im Kloster (Stabilitas loci), Armut und Keuschheit sowie Gehorsam gegenüber dem Abt wichtig.

Eine Vereinheitlichung des klösterlichen Lebens schaffte schließlich Karls Sohn und Nachfolger Kaiser Ludwig der Fromme mit der Reform Benedikts von Aniane. Auf der Synoden von Aachen (816, 817 und 818/819) wurde die Benediktregel für alle Klöster des Frankenreiches verbindlich gemacht. Zentrum der Klösterreform war das neu gegründete Kornelimünster bei Aachen.

Klöster als Exil und Karrierechance

Klöster boten eine willkommene Möglichkeit, Anhänger, Bündnispartner und Verwandte mit einträglichen Pfründen zu versorgen. Karls Schwester Gisela zum Beispiel war Äbtissin im Kloster Chelles bei Paris, sein Berater Alkuin Abt von St. Denis. Karl der Große setzte seine Gefolgsleute als Bischöfe und Äbte ein, gab ihnen aber weiterhin auch Aufgaben von Staatsbeamten.

Karl der Große fand für die Klöster aber auch eine andere, familien- und machtpolitisch sehr praktische Verwendung: Missliebige Angehörige und politische Gegner steckte er gern in einen Konvent, um sich ihrer zu entledigen. So geschah es mit Karls erbittertem Gegner, dem Langobardenfürsten Desiderius samt dessen Gemahlin, die ihr Leben im Kloster Corbie beendeten.

Auch die Witwe und die beiden Kinder von Karls früh verstorbenem Bruder Karlmann (751 bis 771) endeten möglicherweise im Kloster - Karlmanns Söhne hätten Herrschaftsansprüche stellen können. Diese Tradition setzte Ludwig der Fromme nach Karls Tod fort, indem er dessen Nebenfrauen sowie die eine oder andere Schwester, deren Lebenswandel ihm nicht tugendhaft genug war, in Klöstern „entsorgte“. Welches Schicksal sie dort erwartete, ist den Chroniken nicht zu entnehmen.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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