Belo Monte: Bischof Kräutler nimmt Andritz in die Pflicht

Der aus Vorarlberg stammende brasilianische Bischof Erwin Kräutler hat erneut vor „Chaos“ rund um den Ausbau des Megastaudamms Belo Monte gewarnt und die daran beteiligte steirische Andritz AG in die Pflicht genommen.

Zusammen mit der überkonfessionellen Initiative „Solidarregion Weiz“ warnt Alternativnobelpreisträger Kräutler vor den nicht absehbaren Folgen der Zwangsumsiedlung von rund 40.000 Menschen, die durch den nun endgültig fixierten Ausbau von Belo Monte notwendig wird.

„Ich fürchte Panikreaktionen. Ich weiß wirklich nicht, wie schlussendlich die betroffenen Familien reagieren werden, wenn sie von ihren Wohnungen in absolut für unser Klima ungeeignete Fertigteilhäuser aus Beton umgesiedelt werden“, so der Bischof von Xingu, der flächenmäßig größten Diözese Brasiliens, in einem Statement für einen Offenen Brief, den die „Solidarregion Weiz“ am Dienstag veröffentlichte.

Die neuen Beton-Behausungen seien „im Sommer unbewohnbar“, so der Bischof. Adressat des Schreibens ist der Vorstandsvorsitzende und Miteigentümer der Andritz AG, Wolfgang Leitner.

Riesige Baustelle

Reuters/Stian Bergeland/Rainforest Foundation Norway/Handout

Die gigantische Baustelle des Belo-Monte-Staudamms in Brasilien

Letzte Klagen zurückgewiesen

Die Andritz Hydro ist als Sparte des österreichischen Unternehmens Andritz AG eines der drei großen Unternehmen, die die Generatoren für den Belo Monte-Staudamm bauen; das Auftragsvolumen liegt bei 350 Millionen Euro. Kräutler ist im Gegenzug einer der profiliertesten Verteidiger der Grundrechte der betroffenen Bevölkerung.

Anlass für den Appell ist die nun erfolgte Zurückweisung der letzten Klagen gegen das Staudammprojekt, womit sämtliche juristische Beanstandungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Ein Streik der 27.000 Arbeiter im Dezember wurde beendet. Bischof Kräutler fordert nun gemeinsam mit der „Solidarregion Weiz“ die Andritz AG auf, Verantwortung für die Folgen des „Wahnsinnsprojekts“ zu übernehmen.

„Eine Art Sterben“

Kritiker wie Bischof Kräutler betonten immer wieder, dass mit dem Staudammprojekt der Lebensraum von 60.000 Menschen, darunter viele Indigene, bedroht sei. 40.000 würden zwangsumgesiedelt, was gerade für die Ureinwohner ein „Herausgerissen-Werden aus ihrer naturnahen Lebensweise“ und damit „eine Art Sterben“ bedeute, so die „Solidarregion“ in ihrem Offenen Brief.

Das Projekt Belo Monte an der „Großen Schlinge“ (Volta Grande) des Xingu-Flusses, einem Nebenfluss des Amazonas, sieht die Errichtung zweier Staudämme und zweier Stauseen vor. Für das Kraftwerk mit einer Leistung von elf Gigawatt muss eine Fläche von 668 Quadratkilometern in einem Naturschutzgebiet überflutet werden - das entspricht der Größe des Bodensees. Belo Monte soll nach Fertigstellung das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt werden, einer der umgeleiteten Zuflüsse ist so breit wie der Panamakanal.

Bevölkerung profitiert nicht

Das Projekt würde aber nicht nur „enorme Flächen des Regenwaldes“, zahlreiche, ausschließlich im Amazonas-Gebiet lebende Tier- und Pflanzenarten gefährden und angesichts der großflächigen Rodungen der „Lunge Brasiliens“ sich negativ auf das Weltklima auswirken. „Besonders abstrus“ sei darüber hinaus, dass der erzeugte Strom „nicht der Bevölkerung Brasiliens“ zugute komme, kritisiert die „Solidarregion Weiz“.

Profiteure seien nur einige wenige - vor allem internationale - Großunternehmen, nicht die Bevölkerung. Der erzeugte Strom werde „für die Gewinnung von Aluminium verwendet, das man dann teuer ins Ausland verkaufen wird; Aluminium, bei dessen Produktion besonders gefährliche Abfälle anfallen“, heißt es in dem Offenen Brief an die Andritz AG. Für Privatkunden sei Strom massiv überteuert, billig sei er nur für die Großindustrie.

„Kommen Sie so bald wie möglich nach Altamira“

Die Andritz Hydro, der es zu verdanken sei, dass das oststeirische Weiz zu den drei Regionen in Österreich mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit gehöre, habe in der Vergangenheit „immer auch solidarische Verantwortung gezeigt“, heißt es in dem Brief weiter. Das Unternehmen müsse sich aber jetzt seiner „Mitverantwortung“ für das Belo Monte-Projekt bewusst werden, auch wenn es „‚nur‘ Zulieferer des Konsortiums Norte Energia“ sei, das für die Umsetzung des Baus hauptverantwortlich ist.

Die „Solidarregion“ appellierte deshalb an Vorstandsvorsitzenden und Miteigentümer Leitner: „Kommen Sie so bald wie möglich nach Altamira und machen Sie sich gemeinsam mit Bischof Erwin Kräutler vor Ort ein Bild von der Situation der Menschen“, zumal bis jetzt „noch niemand von der Chefetage Ihres Unternehmens im betroffenen Gebiet“ gewesen sei.

Die „Solidarregion Weiz“ wurde im Jahr 2005 gegründet, als es um den Verkauf der VA-Tech Hydro in Weiz ging. Die Initiative engagiert sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Region sowie für soziale und ökologische Verantwortung im globalen Wirtschaften. Zwischen „Solidarregion“ und Bischof Erwin Kräutler besteht eine enge Zusammenarbeit.

KAP

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