Alevitischer Religionsunterricht läuft an

Nach der Anerkennung der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft im vergangenen Jahr läuft jetzt langsam der Religionsunterricht an. In Tirol wurde schon im November gestartet, jetzt folgt Niederösterreich.

Premiere an der Otto-Glöckl-Volksschule in St. Pölten: Die Volksschule ist die erste Bildungseinrichtung in Niederösterreich, die einen islamisch-alevitischen Religionsunterricht anbietet. Am Unterricht nehmen 33 Kinder teil. Insgesamt werden vier Wochenstunden angeboten.

„Uns ist es wichtig, dass wir in unserem Unterricht vor allem auf einen hohen Standard bei der pädagogischen Ausbildung setzen“, betonte Cengiz Duran, Bundessekretär der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, kurz ALEVI, in der aktuellen Ausgabe der „Niederösterreichischen Nachrichten“ (NÖN).

Drei Prozent der Bevölkerung St. Pöltens

Den Unterricht, der ab drei Schülern angeboten wird, soll es bald an allen St. Pöltner Schulen geben. Die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft wurde in Österreich im Mai 2013 staatlich anerkannt. „Mit dieser rechtlichen Anerkennung und Gleichstellung mit anderen Religionen hat Österreich Geschichte geschrieben“, ist man sich bei der ALEVI sicher.

In St. Pölten sind die Aleviten eine verbreitete Glaubensgemeinschaft: „Wir zählen hier rund 1.500 Mitglieder“, so Duran. Dies würde etwa drei Prozent der Bevölkerung entsprechen.

Bald auch in Wien

Demnächst soll auch der alevitische Religionsunterricht auch in Wien starten, erzählt Riza Sari, stellvertretender Bundesvorsitzender und Pressesprecher von ALEVI, im Gespräch mit religion.ORF.at. Sobald die dafür nötigen Strukturen und das notwendige Personal vorhanden seien, werde man mittelfristig auch in den anderen Bundesländern Religionsunterricht anbieten.

Derzeit mangelt es aber noch an Lehrkräften. In Kooperation mit der Universität Wien und der Universität Innsbruck wurde ein Masterstudiengang für islamisch-alevitische Religionspädagogik eingerichtet, aus dem laut Sari bisher neun Absolventinnen und Absolventen hervorgegangen sind, die bereits unterrichten. Darüber hinaus gebe es etwa 40 weitere Personen, die Interesse an einer solchen Aufgabe hätten. Man wolle sich aber bei der Auswahl der Lehrkräfte durchaus Zeit lassen, so Sari, um sicherzugehen, dass auch tatsächlich fachlich qualifiziertes Personal ausgewählt wird.

Mit der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems arbeite man in Bezug auf die Grundschullehrerausbildung zusammen. Die Aleviten besuchen hier die gleichen pädagogischen Lehrveranstaltungen wie angehende christlichen Religionslehrerinnen und Religionslehrer, lediglich die theologischen Teile der Ausbildung übernimmt die Glaubensgemeinschaft.

Liberale Strömung innerhalb der Schiiten

ALEVI ging aus dem „Kulturverein der Aleviten in Wien“ hevor, der sich dann als „Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IAGÖ) neu konstituiert hat. Religiös gesehen wird diese Gruppe zum liberalen Teil der Schia gezählt.

Eine anderer Teil der Aleviten wird durch die „Förderation der Aleviten-Gemeinden in Österreich“ repräsentiert. Im Umfeld des Anerkennungsprozesses hatte es vehemente Streitigkeiten zwischen den beiden Gruppen gegeben - mehr dazu in Staatliche Anerkennung für Aleviten fixiert. Schließlich gibt es als dritte Gruppe die sogenannten „Altaleviten“, der viele Kurden angehören und religiös nicht mehr als Teil des Islam gelten.

60.000 Aleviten in Österreich

Geschätzte 60.000 Aleviten leben heute in Österreich, fast die Hälfte davon in Wien. ALEVI zählt laut eigenen Angaben rund 20.000 von ihnen als Mitglieder. In Europa gibt es rund zwei Millionen, in der Türkei etwa 23 Millionen und weltweit etwa 80 Millionen Aleviten. Das Zentrum der Gemeinschaft liegt in der nordöstlichen Türkei. 99 Prozent der 80 Millionen Türken sind nach offiziellen Angaben Muslime, tatsächlich sollen 30 Prozent Aleviten sein.

Die Aleviten haben keine Moscheen und Imame und kennen auch keine Kopftücher für Frauen. Das Alevitentum hat einen eigenen Jahreskalender mit eigenen Festen. Der islamische Fastenmonat Ramadan fällt ebenso weg wie die „Hadsch“ (Pilgerreise nach Mekka). Auch die Scharia - den islamischen Rechtskanon - befolgen die Aleviten nicht. Dafür betonen sie die Trennung von Staat und Religion. Ebenso hat die Sunna - die Überlieferung der Handlungen Mohammeds - für sie keine Bedeutung.

religion.ORF.at/KAP

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