Shivaratri: Die Nacht des Shiva

Shivaratri oder Mahashivaratri („Die große Nacht Shivas“) ist für die Verehrer des Gottes das höchste Fest des Jahres. Shiva ist eine der wichtigsten und vielgestaltigsten Gottheiten in den Hindu-Traditionen.

Nach dem Hindu-Kalender findet der Feiertag Shivaratri am 14. Tag des Monats Phalguna statt. Heuer ist das der 27. Februar. Einer Deutungsweise zufolge ist es der Hochzeitstag Shivas mit der Göttin Parvati. Shiva ist eine der populärsten Formen des Göttlichen im Hinduismus und bedeutet: der Freundliche, Segensreiche. Ihm huldigen gleich mehrere Kulte.

Mahashivratri-Fest: Ein Shiva-Linga wird mit Milch übergossen (Bhopal, Indien)

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Bhopal: Ein Shiva-Linga wird zum Shivaratri-Fest mit Milch übergossen

Gläubige besuchen zu Shivaratri Wallfahrtsstätten wie etwa die Höhle Shiv Khori in Kaschmir, wo ein natürlich gewachsener Linga oder Lingam, ein länglicher Stein, verehrt wird. In einer Zeremonie wird der Linga, der auch ein natürlich gewachsener Felsen oder ein Stalaktit sein kann, mit Milch, Honig oder einer joghurtähnlichen Flüssigkeit übergossen und dann mit Blumen, Blättern und Früchten geschmückt.

Verehrung des Shiva-Linga

Diese Lingas werden eher als Zeichen des Gottes verstanden denn als bloßes Phallussymbol. In ihrer Verehrung finden sich möglicherweise auch Spuren früher Steinkulte. Außerdem gehören zur Begehung des Shivaratri-Feiertags Fasten und das Durchwachen der Nacht. Mantren zu Ehren des Gottes werden den ganzen Tag über gesungen.

Shiva-Anhänger im Linga-Heiligtum Shiv Khori

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Shiva-Anhänger im Linga-Heiligtum Shiv Khori

Der „formlose“ Gott

Für Shivaiten, wie seine Anhänger genannt werden, ist Shiva die Manifestation des Brahman. Brahman ist die Bezeichnung für das unwandelbare, unsterbliche Absolute, das Höchste. Es bezeichnet die unpersönliche Weltseele, die ohne Anfang und ohne Ende existiert. Als letztlich wirksame Kraft liegt das Brahman allem Dasein zugrunde und ist in den Hindu-Traditionen die höchste Gottesvorstellung.

Shiva-Anhänger verkleidet als Gott Shiva und Göttin Parvati

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Kostümierte Gläubige als Shiva (l.) und Parvati (M.)

Auf theologischer Ebene steht Shiva jenseits von Namen, Form und Zeit. Besonders betonen die Überlieferungen seine Formlosigkeit. Darum wird Shiva grundsätzlich nicht - wie etwa der Gott Vishnu - mit ausgeprägt menschlichen Zügen ausgestattet. Vorwiegend verehrt man ihn in abstrakten Formen, meist im Linga, aber auch in einem seiner Attribute, besonders dem Dreizack.

Weiße Haut, Dreizack und Sanduhr

Während des Shivaratri-Fests allerdings nimmt Shiva dann doch recht menschliche Züge an. Viele Gläubige verkleiden sich an dem Feiertag als Shiva oder Parvati. Merkmale Shivas sind seine weiße oder aschgraue Haut, ein drittes Auge als Hinweis sowohl auf Erkenntnis als auch auf Zerstörung, drei waagrechte Streifen auf der Stirn sowie zwei oder vier Hände, in denen er Dreizack und Sanduhrtrommel trägt. Letztere soll an die Vergänglichkeit erinnern.

Shivas Haare werden lang und häufig feucht dargestellt - ein Hinweis auf den Mythos, dass der heilige Fluss Ganges an Shivas Kopf entlang auf die Erde geflossen sein soll. Als charakteristischer Haarschmuck befindet sich vorn an der Stirn ein Halbmond, und als Bekleidung trägt Shiva ein Leopardenfell. Sadhus, indische „heilige Männer“, beschmieren ihre Körper mit Asche, die an Shivas grauweiße Haut erinnern soll. Sie rauchen Marihuana, um ihr Bewusstsein zu erweitern.

Mit Asche beschmierter indischer Sadhu

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Mit Asche beschmierter Sadhu

In der Hindu-Mythologie stehen die Götter Brahma, Vishnu und Shiva für die drei kosmischen Fähigkeiten: Erschaffung, Beschützen bzw. Erhalten und das Zerstören der Welt. In dieser hinduistischen Dreiheit, der Trimurti, steht Shiva für die Zerstörung. Zugleich gilt er aber auch als wohltätig und hilfreich. Seine Gattin ist Parvati (sie kann auch andere Namen haben), mit ihr und seinen Söhnen, dem elefantenköpfigen Ganesha und Skanda, dem Pfauenreiter, lebt Shiva laut Mythologie im Kailash, einem Gebirgszug im Himalaya.

Hindus beten je nach Region, Kaste und persönlicher Vorliebe viele verschiedene Götter wie Shiva, Vishnu und die weiblichen Gottheiten Kali und Durga, den Affengott Hanuman und Ganesha an. Tempel können durch Geschenke der Gläubigen und Stiftungen zu großen Besitztümern gelangen.

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