Kardinal Kasper fordert Umdenken bei Sexualmoral

Kardinal Walter Kasper (80) hat laut der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ vergangene Woche beim Konsistorium im Vatikan ein Umdenken der katholischen Kirche bei der Ehe- und Sexualmoral gefordert.

Das bloße Pochen auf Regeln überzeuge keinen Menschen, sie auch einzuhalten, zitiert „Die Zeit“ aus der bisher unveröffentlichten Rede Kaspers vor dem Papst und dem Kardinalskollegium. Die Bibel verstehe die Gebote nicht als Last und Einschränkung der Freiheit, sondern als Wegweisung zu einem erfüllten Leben.

Der frühere „Ökumeneminister“ des Vatikans (2001-2010) plädierte für einen Weg der Kirche zwischen Rigorismus und laxer Einstellung. „Barmherzigkeit ist keine billige Gnade, die von Umkehr dispensiert“, so der Dogmatik-Professor im Hinblick auf die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten. „Aber die Sakramente sind auch keine Belohnung für Wohlverhalten und für eine Elite, welche die ausschließt, die der Sakramente am meisten bedürfen.“

Kardinal Walter Kasper auf dem Petersplatz

Reuters/Tony Gentile

Kardinal Walter Kasper

Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene

Bezüglich der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion forderte Kasper in seiner Rede Reformen: „Wenn ein geschiedener Wiederverheirateter bereut, dass er in erster Ehe versagt hat, wenn er sich nach Kräften mühte, die zweite zivile Ehe aus dem Glauben zu leben, können wir ihm dann das Sakrament der Buße und die Kommunion verweigern?“

Papst Franziskus persönlich hatte den deutschen Kurienkardinal mit dem Verfassen der Rede beauftragt, die er vor der Vollversammlung der 150 Kardinäle in Rom am 20. Februar hielt. Laut der „Zeit“ forderte Kasper die Kirche darin auch auf, ihre Furcht vor Veränderung überwinden: „Angst hat nichts Christliches“, so der Kardinal. Er plädierte dafür, dass die Kirche auf die heutige Realität der katholischen Laien eingehe und Sünden vergebe: „Wir glauben ja auch an die Vergebung der Sünden. An die Möglichkeit, neu anzufangen.“

Kardinal Reinhard Marx hatte nach dem Konsistorium erklärt, der Vortrag von Kardinal Kasper habe die „Ouvertüre“ zu einer Diskussion geliefert, die so schnell nicht enden werde. Vor allem Kaspers Ausführungen zur Geschiedenenpastoral diskutierten die Kardinäle intensiv und auch kontrovers. Papst Franziskus lobte anschließend die „profunde Theologie“ des bald 81-jährigen Kasper. Er hatte den Deutschen gebeten, sich auf die drängenden Fragen und weniger auf mögliche Antworten zu konzentrieren.

Schönborn von Kasper beeindruckt

Genau dies lobte auch Kardinal Christoph Schönborn in der jüngsten Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“: Kasper habe in seinem „hervorragenden“ und „blendend formulierten“ Referat bewusst „keine fertigen Lösungen angeboten“. Das entspreche auch den Planungen für die beiden Bischofssynoden zum Thema: Die erste im kommenden Oktober solle zunächst einmal „sondieren, wo die Familien der Schuh drückt“. Erst bei der Synode 2015 sollen dann - so Schönborn - „konkrete seelsorgliche Orientierungen“ gefunden werden.

Der Verlag Herder wird Kaspers Rede am 10. März in einem eigenen Buch veröffentlichen. Das Buch dokumentiert die Rede Kaspers und seine abschließende Stellungnahme zur Diskussion über die Rede. Kasper hat diesen Texten zudem ein eigenes Vor- und Nachwort beigefügt. Einzelne Passagen wurden bereits vor dem Bericht in der „Zeit“ vom italienischen Vatikanisten Andrea Tornelli zusammengefasst. Er publizierte sie im Internetportal „Vatican Insider“.

religion.ORF.at/KAP

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