Kardinäle überlegen „Bußzeit“ nach Scheidung

Die Kardinäle Walter Kasper und Reinhard Marx können sich nach einer „Bußzeit“ die Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene vorstellen. Kritik daran kommt unter anderem vom obersten Glaubenshüter Müller.

Der neue Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, hat einen milderen Umgang seiner Kirche mit geschiedenen und wieder verheirateten Katholiken in Aussicht gestellt. Bei der Frage, ob man diese Gläubigen wieder zu den Sakramenten zulassen könne, verwies der Münchner Erzbischof in der „Welt am Sonntag“ auf einen Vorstoß des deutschen Kardinals Walter Kaspar. Bei einem Kardinalstreffen in Rom habe Kaspar vorgeschlagen, „dass Geschiedene, die ihr Scheitern anerkennen, nach einer Bußzeit eine Wiederzulassung zu den Sakramenten beantragen können“.

Kardinal Walter Kasper

EPA/Jeon Heon-Kyun

Kardinal Walter Kasper

Kasper: Debatte unaufhaltbar

Die Debatte über die Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zur Kommunion lässt sich nach Meinung von Kardinal Walter Kasper nicht aufhalten. Das Problem betreffe zu viele Menschen und Papst Franziskus wolle eine Lösung, sagte er dem italienischen Magazin „Famiglia Cristiana“. Gescheiterten Ehepartnern müsse die katholische Kirche nahe bleiben und ihnen Hilfe, Beratung und Ermutigung anbieten. „Die Doktrin will kein Joch, keine Belastung sein, sondern eine Einladung und Hilfe, um das Glück zu finden“, so der emeritierte deutsche Kurienkardinal. „Diese Debatte lässt sich unmöglich aufhalten.“

Kasper stellte aber klar, die katholische Lehre lasse sich nicht aufweichen, denn sie fuße auf den bindenden Worten Jesu. Allgemeine Lösungen für Katholiken, die nach einer kirchlichen Eheschließung und Scheidung erneut standesamtlich heiraten, könne es nicht geben. Die jeweiligen Situationen der Betroffenen seien „sehr, sehr verschieden“. Als Beispiel nannte er den Fall einer Mutter, die von ihrem Mann verlassen wird und danach nicht zuletzt um der Kinder willen einen neuen Partner heiratet, mit dem sie weitere Kinder hat. Der Bruch dieser zweiten Beziehung würde neue Schuld mit sich bringen, so Kasper.

„Kann man ihnen die Vergebung verweigern?“

Er stellte die Frage nach dem Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen, die sich um ein christliches Leben bemühen, in der Gemeinde engagiert sind und ihre Kinder christlich erziehen. „Kann man ihnen die Vergebung verweigern?“, so Kasper. Jede Sünde könne vergeben werden, wenn der Sünder ernsthaft darum bitte. „Für mich ist vor Gott keine Situation vorstellbar, in der jemand in einer Schlucht ohne Ausweg gefangen ist. Das ist gegen die Barmherzigkeit Gottes.“ Die Vergebung setze aber eine Nähe zur Kirche und ihren Lehren voraus. Darüber wolle Papst Franziskus eine „freie, offene, auch öffentliche“ Debatte führen, so Kasper.

Kardinal Reinhard Marx

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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx

Die Kardinäle hätten sehr unterschiedlich auf diesen Vorschlag Kaspers reagiert, sagte neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in der „Welt am Sonntag“. „Ich persönlich halte ihn für einen gangbaren Weg, der aber immer auf einzelne Fälle bezogen sein muss.“ Er warnte zugleich vor einer stärkeren Dezentralisierung. „Ich sage klar: Wir brauchen eine starke Zentrale. Rom ist wichtig für die katholische Kirche. In den großen, wichtigen Fragen wie etwa auch dem Zölibat oder der Frage der wiederverheiratet Geschiedenen wird weiterhin eine gemeinsame, gesamtkirchliche Entscheidung notwendig sein.“ Der 60-Jährige war am Mittwoch in Münster zum neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt worden.

Kritik von Kardinal Caffara und Glaubenspräfekt Müller

Kritik an der Diskussion um die Zulassung wiederverheiratet Geschiedener kam hingegen von Kaspers Amtsbruder Kardinal Carlo Caffarra. In der italienischen Zeitung „Il Foglio“ (Samstag) warnte der Erzbischof von Bologna energisch davor, die Unauflöslichkeit der katholischen Ehe anzutasten, indem man Geschiedene zur Eucharistie zulasse. Entscheidungen von Fall zu Fall dürfe es nicht geben, da sie einer Segnung der Scheidung gleichkämen. Barmherzigkeit darf nach Caffarras Worten nicht mit „Heuchelei“ verwechselt werden.

Auch der Präfekt der Glaubenskongregation in Rom, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, wies den Vorstoß von Kasper und Marx für einen milderen Umgang mit Wiederheirateten entschieden zurück. „Wir wissen, dass es schwierige Situationen gibt, etwa wenn ein Ehepartner verletzt oder böswillig verlassen wurde“, sagte Müller der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“ (Montag). „Aber das Problem wird nicht dadurch gelöst, dass menschliche Regeln Gottes Wort außer Kraft setzen.“ Bislang schließt die katholische Kirche wiederverheiratete Gläubige unterschiedslos von der Eucharistiefeier und anderen Sakramenten aus.

religion.ORF.at/dpa/KAP

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