Historiker: Opposition gegen Papst auch unter Bischöfen

Nach Ansicht des früheren Ministers Andrea Riccardi sieht sich Franziskus wie kein Papst zuvor mit Opposition aus Kräften innerhalb der Bischofskonferenzen, der kirchlichen Gremien und des Klerus konfrontiert.

In den vergangenen 100 Jahren ist nach Ansicht des italienischen Historikers und früheren Ministers Andrea Riccardi kein Papst auf so viel innerkirchlichen Widerstand gestoßen wie Franziskus. Er genieße zwar hohe Sympathie in der katholischen Bevölkerung, finde aber Vorbehalte unter Bischöfen und Priestern, sagte der Gründer der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio im Interview des Onlinedienstes „Vatican Insider“ (Mittwoch-Ausgabe).

Verschwiegene Opposition

Nach Ansicht Riccardis sieht sich Franziskus mit einer Opposition aus Kräften innerhalb der Bischofskonferenzen, der kirchlichen Gremien und des Klerus konfrontiert. Es dominierten Personen und Kreise, die nichts ändern und die sich selbst nicht zur Diskussion stellen wollten. Natürlich könne man das nicht verallgemeinern, so Riccardi. Auch Franziskus finde unter Klerikern viel Enthusiasmus.

Es habe auch gegen frühere Päpste Kritik gegeben, räumte der Historiker ein. Meist sei diese aber nicht aus dem Raum der Kirche gekommen, sondern von außen, wie etwa bei Benedikt XVI. Lediglich Paul VI. (1963-1978) sei auf ernste innerkirchliche Widerstände gestoßen. Bei Benedikt XVI. (2005-2013) dagegen sei Kritik von außen gekommen, aus den Medien oder dem internationalen Bereich, nicht aber von innerhalb der Kirche.

Kritik via Internet

Die Kritik an Franziskus wird nach Ansicht von Riccardi über traditionalistische Blogs und Internetportale befeuert. Sie äußere sich mitunter öffentlich, in Murren oder im Schweigen oder im Sich-Abkoppeln. Auffallend sei, dass Kritik gerade aus Kreisen komme, die bislang immer nachdrücklich die Autorität des Papstes und den Gehorsam gegenüber dem Papst angemahnt hätten, so Riccardi. „Es ist merkwürdig, dass für einige offenbar gilt: Wenn der Papst nicht so ist, wie ich es mir vorstelle, und nicht tut, was ich sage, ist er nur ein halber Papst.“

Erstaunen äußerte der Mitgründer von Sant’Egidio auch über Vorwürfe, Franziskus sei „zu wenig Theologe“. Das lasse einen schmunzeln, wenn man bedenkt, dass man Benedikt XVI. vorgehalten habe, er sei „zu sehr Theologe“. Dahinter stehe offenbar eine Vorstellung, der gute Papst sei immer der vorherige gewesen.

Gläubige: „Warum machst du es nicht wie der Papst?“

Die Kritiker hielten Papst Franziskus vor, in seinen Predigten mit zu wenig Nachdruck auf ethische Themen einzugehen, so Riccardi. Hinzukomme, dass das Kirchenoberhaupt aus Argentinien durch seinen pastoralen Stil und Zugang die Leitung und das Verhalten mancher Bischöfe zur Diskussion stelle, die nun von ihren Gläubigen gefragt würden: „Warum machst du es nicht wie der Papst?“.

Auch habe Franziskus gleich in seinen ersten Monaten im Amt alles mitgeteilt, was er tun und ändern wolle. Dagegen habe etwa Paul VI. immer nur schrittweise seine Pläne und Aussagen dargelegt.

KAP

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