Fischer: Religion wesentliches Element der Gesellschaft

Bundespräsident Heinz Fischer hat bei einer Tagung zum Thema „Macht - Glaube - Politik“ in Heiligenkreuz die Leistungen der Kirchen für die österreichische Gesellschaft gewürdigt.

Auch außerhalb des religiösen Bereiches hätten die Kirchen im Laufe der Jahrhunderte viel für das Gemeinwohl vollbracht, so der Bundespräsident. Er hob im Besonderen die Leistung der Stifte und Klöster hervor.

Fischer gab in seinen Grußworten auch Einblicke in sein persönliches Verhältnis zu Glaube und Religion. Er selbst sei kein Mitglied einer Religionsgemeinschaft und werde oft als „Agnostiker“ bezeichnet, so der Bundespräsident. Vergleichbar mit Goethes Darstellung in „Faust“ sehe er aber, dass dem Kosmos ein „Logos“ - eine „Schöpfungskraft“ - immanent sei. Die Glaubenssätze der verschiedenen Religionen wie auch die Bibeltexte seien dabei aber „ein Weg, den ich nicht nachvollziehen kann“.

Dies bedeute aber nicht, dass er den Religionen ablehnend gegenüberstehe, so Fischer. Vielmehr sei er überzeugt, dass Religion weltweit ein „wichtiger Begleiter der Menschheit in allen Phasen“ sei. „Ich halte Religion für ein wesentliches und wichtiges Element in der Gesellschaft. Viele existenzielle Fragen sind für viele Menschen ohne Religion nicht lösbar und plausibel beantwortbar“, so der Bundespräsident.

Macht braucht Moral

Gemeinsam mit dem Themenfeld Glaube, Macht und Politik sei auch die Frage nach der Moral zu diskutieren, so Fischer. In Anbetracht der Geschichte der Mächtigen, darunter auch der Päpste, beobachte er, dass mit der Macht einer Institution oder Person auch die Wahrscheinlichkeit wachse, „dass sie aus Gründen der Staats- oder Institutionenräson oder der simplen Machterhaltung Entscheidungen trifft, die im Widerspruch zu moralischen Kategorien steht“.

Ihn persönlich beschäftige dieses Verhältnis von Zweck und Mittel sehr, zugleich hoffe er jedoch auf eine Lösung in dieser Frage, gab der Bundespräsident zu verstehen.

Die Tagung „Macht - Glaube - Politik“ an der philosophisch-theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz steht im Zeichen des 100-Jahr-Gedenkens des Ersten Weltkriegs. Neben Fischer hielt unter anderen auch der Ratspräsident der Europäischen Union, der Belgier Herman Van Rompuy, einen Vortrag.

Christen „Hüter des europäischen Menschenbilds“

Van Rompuy richtete einen flammenden Aufruf an alle Christen, sich zu Europa zu bekennen. Ihnen komme die Aufgabe zu, Hüter des europäischen Menschenbildes zu sein und die Idee von Frieden, Versöhnung und Wohlstand gegen Zynismus und Pessimismus zu verteidigen, so der frühere belgische Premierminister.

Der europäische Christ müsse heute weiter für den Versöhnungsgedanken werben, der Europa nach 1945 entstehen ließ, so der Ratspräsident. Schließlich sei die Versöhnung „jene Sprache, die wir untereinander verstehen“ und auch Übertragung und Umsetzung der Botschaft des Evangeliums „Liebet eure Feinde“, wie das Beispiel Frankreich und Deutschlands zeige.

„Extremisten des Möglichen“

Das Europäische Einigungswerk habe das Unmögliche überwunden, so Van Rompuy. Geschehen sei dies dank „Extremisten des Möglichen“ - die Gründungsväter der Union, die fast durchgehend Christen gewesen seien. In ihrem Verhalten hätten sie „das Beste des Christentums“ emporgehalten, mit einer realistischen „Geduld der Überzeugung, dass das Gute letztendlich gewinnt“. Somit seien sie Verfechter der Versöhnung und Träger der zuvor vom Nationalsozialismus „mit Stiefel getretenen“ Seele Europas gewesen.

religion.ORF.at/KAP