Lautstark durch die stillen Tage: Ratschen

In vielen ländlichen Regionen sind in den nächsten Tagen wieder Kinder und Jugendliche mit Ratschen unterwegs. Durch diesen vermutlich aus dem Mittelalter stammenden Brauch werden die Glocken und Orgeln ersetzt.

Eigentlich sollte das Ende der Karwoche die ruhigste Zeit im Kirchenjahr sein. Für gewöhnlich kehrt von Gründonnerstag bis Karsamstag in den Kirchen Ruhe ein. Die Glocken stehen still, die Orgeln schweigen. Auch Kreuze - wie das große Altarbild, das während der gesamten Fastenzeit nicht zu sehen ist - bleiben in dieser Zeit verhüllt. Augen und Ohren sollen eben miterleben, sagt Christoph Freilinger vom Österreichischen Liturgischen Institut in Salzburg. „Die stillen Glocken sind auch eine Art akustisches Fasten und Gedenken an den Tod von Jesus Christus.“

Darüber hinaus sind sie aber auch ein Relikt aus der Vergangenheit. Denn die Kirchenglocken seien erst relativ spät erfunden worden. „Zur Zeit Karls des Großen (742 bis 814) rund um das achte Jahrhundert gab es noch keine Glocken oder Orgeln“, so Freilinger. Sprichwörtlich heißt es, dass die Glocken für diese Zeit „nach Rom fliegen“. Woher diese Metapher kommt, weiß selbst der Experte nicht, wahrscheinlich sei sie regionalen Ursprungs, sagt er.

Verschwommenes Bild von Kindern mit Ratschen

APA/dpa/Marcus Führer

Ratschenkinder ersetzen in manchen Regionen von Gründonnerstag bis zur Osternacht die Glocken

Ratschen als Alltagshilfe im Mittelalter

Doch dann kamen die Ratschen, und mit der Ruhe vor Ostern war es vorbei. Erstmals schriftlich erwähnt wird der Brauch im Jahr 1482 im nordbayrischen Coburg. „Wie bei vielen Hochfesten im Kirchenjahr hat sich diese Tradition gehalten, bis heute werden die Glocken zu Ostern durch Ratschen ersetzt“, sagt Freilinger.

Die Ratschen zeigen die alten Gebetszeiten an (Morgen-, Mittag- und Abendläuten). Im Mittelalter richtete sich der alltägliche Tagesablauf mangels Uhren auch nach den Gebeten der Mönche in Klöstern. Weil die Glocken stillstanden, mussten die Ratschen ihre Funktion übernehmen. Außerdem sollten sie - so ist es den Brauchtumskalendern zu entnehmen - den Frühling aufwecken und böse Geister abwehren.

Das Ritual ist hauptsächlich im deutschsprachigen Raum verbreitet, die Bezeichnungen dafür sind vielfältig. Während in Österreich meist „Ratschen“ bekannt ist, sind in Deutschland auch „Klappern“ und „Raspeln“ verbreitet, mancherorts wird auch „Schledern“ verwendet.

Ministranten holen sich ihren Lohn

Früher war es den Ministranten - den „Ratschnbuam“ - vorbehalten zu ratschen. Seitdem auch Mädchen ministrieren dürfen, gibt es auch Ratschenmädchen. In manchen Gemeinden ist das bis heute so, meist ist das Ratschen aber nicht mehr an den Dienst als Ministrantin oder Ministrant gekoppelt. „Solche Bräuche werden in Familien und Gemeinschaften weitergegeben“, sagt Freilinger, „das ist zum Beispiel auch oft bei der Jungschar angesiedelt.“

Ratschensprüche:

„Wir ratsch’n, wir ratsch’n die Fast’n aus, unseren Herrn Jeso Christ sein Leid’n is aus“ (Salzburg)

„Wir ratschen, wir ratschen zum Englischen Gruß, den jeder Christ beten muss. Kniet’s nieder, kniet’s nieder auf eure Knie, bet’s drei Vaterunser und drei Avemarie.“ (NÖ)

Während die Kinder und Jugendlichen durch den Ort ziehen, rufen sie verschiedene Ratschensprüche. Diese haben oft eine lange Tradition und sind von Region zu Region verschieden.

Vor allem am Karsamstag wird auch an Haustüren geläutet, dafür steckt man den Ratschern Eier, Süßigkeiten und auch Geld zu. Das gesammelte Geld dürfen die Ministranten entweder als Lohn für das Ministrieren im ganzen Jahr behalten, oder es wird für einen guten Zweck gespendet. Die Organisation der Umzüge übernehmen die Pfarren, einen eigenen Verantwortlichen für Brauchtum gebe es in den Diözesen nicht, sagt Freilinger.

Kastenartige Turmratsche der Michaelerkirche in Wien

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Die größte Osterratsche Österreichs ist die Turmratsche der Wiener Michaelerkirche

Verschiedene Modelle

Ratschen sind meist Handarbeiten von Schreinern und werden weitervererbt. Das schnarrende Geräusch entsteht durch mehrere kleine Holzhämmer, die über eine Walze in Bewegung versetzt werden. Durch den hölzernen Klangkörper entsteht das eigentümliche, dumpfe Geräusch. Je nach Gegend gibt es verschiedene Ausführungen: Hammerratschen, tragbare Kastenratschen, Schubkarrenratschen und große unbewegliche Turmratschen. Alte Modelle gelten als besonders wertvoll und werden immer wieder restauriert. In manchen Orten werden sogar entsprechende Kurse angeboten.

Die größte Osterratsche Österreichs steht übrigens nicht am Land, sondern in der Hauptstadt: Die Turmratsche in der Wiener Michaelerkirche ist 1,81 Meter lang, 69 Zentimeter breit, 32 Zentimeter hoch und verfügt über 20 Hämmer. Sie stammt aus dem Jahr 1901.

Florian Bitzan, religion.ORF.at

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