Äthiopien: Tella-Bier und Fladenbrot in der Fastenzeit

In der äthiopisch-orthodoxen Kirche spielen Fastenzeiten eine besondere Rolle - so auch in der Region Ginde Beret, wo sich Menschen durch Entwicklungsprojekte neue Zukunftsperspektiven geschaffen haben.

Die äthiopisch-orthodoxe Kirche ist mit rund 45 Millionen Gläubigen in Äthiopien und rund fünf Millionen außerhalb des Landes die größte der orientalisch-orthodoxen Kirchen. Eine besonders wichtige Rolle spielen in dieser Kirche die recht strengen Fastengebote, besonders jetzt, zwei Wochen bevor auch äthiopisch-orthodoxe Christen das Osterfest feiern.

Wolde Senbat, äthiopisch-orthodoxer Priester

Alexandra Bigl/Menschen für Menschen

Wolde Senbat, äthiopisch-orthodoxer Priester

Fastenzeit nicht nur zu Ostern

In der Fastenzeit werden weder Fleisch noch Milchprodukte gegessen - in der Regel wird bis mindestens zu Mittag gar nichts gegessen oder getrunken. Danach gibt spezielle Fastenspeisen wie Shiro, einen Brei aus getrockneten Bohnen und Gewürzen. „In der äthiopisch-orthodoxen Kirche haben wir ja viele Fasttage, mehr als 200 über das Jahr verteilt: jeden Mittwoch und Freitag und dann noch einige längere Fastenzeiten und jetzt vor Ostern eben die wichtigste Fastenzeit“, sagt Wolde Senbat, äthiopisch-orthodoxer Priester.

Vor drei Jahren hat die Hilfsorganisation „Menschen für Menschen. Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe“ damit begonnen, in Ginde Beret gemeinsam mit der Bevölkerung an der Entwicklung der ganzen Region zu arbeiten. Denn der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt hier von der Landwirtschaft. Aufgrund fortschreitender Erosion, immer wiederkehrenden Dürreperioden und der geringer werdenden Fruchtbarkeit des Ackerbodens fallen die Erträge jedoch immer magerer aus. Insgesamt leistet die Organisation seit 30 Jahren Aufbauarbeit.

Mikrokredite: Aufbau eigenständiger Existenzen

Ein Projekt von vielen im Rahmen dieses „ländlichen Entwicklungsprogrammes“ sind Mikrokredite, die es Menschen ermöglichen, neue Einkommensquellen zu erschließen, sei es indem sie beginnen, Schafe zu züchten, einen Saatguthandel aufzubauen oder - wie die Witwe Adisu Adugna - ein Lokal eröffnen. Adugna konnte mit Hilfe eines Mikrokredits von „Menschen für Menschen“ ein kleines Lokal in Chulute, rund 170 Kilometer westlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, eröffnen. Hier verkauft sie nun selbstgebrautes Bier und kann damit ihren vier Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen.

Äthiopien 2014: Eine Frau sitzt, um sie stehen drei ihrer Kinder

Alexandra Bigl/Menschen für Menschen

Adisu Adugna mit drei ihrer vier Kinder

4000 äthiopische Birr - umgerechnet etwa 150 Euro - hat sie im Rahmen des Mikrokredit-Projektes von „Menschen für Menschen“ aufgenommen: „Ich hatte vorher schon ein kleines Lokal, aber mit diesem Geld konnte ich es ausbauen“, erzählt sie. „Jeden Sonntag verkaufe ich hier das Fladenbrot Injera und mein selbstgebrautes Bier aus Sorghum, Weizen und Mais.“

Fastenzeit als Impuls zum friedlichen Miteinander

Dass jetzt gerade Fastenzeit ist, stört Adugnas Geschäft nicht. Ausgeschenkt wird hier ja nur am Sonntag, und der zählt bekanntlich nicht als Fasttag. Doch sonst nehmen es viele äthiopisch-orthodoxe Christen sehr genau mit dem Fasten. Jeden Morgen hört man in der Provinzhauptstadt Kachisi den orthodoxen Priester Senbat, der aus der Erlöserkirche via Lautsprecher geistliche Gesänge und Gebete erschallen lässt. „Während dieser Zeit sollten sich die Menschen auf die Liebe besinnen, sollten Frieden halten mit ihren Freunden, mit ihren Nachbarn. Das ist ein wichtiger Impuls zu einem friedlichen Miteinander“, erklärt Senbat.

Die Region Ginde Beret liegt etwa 170 Kilometer von Addis Abeba entfernt. 170 Kilometer klingt aufs Erste gar nicht so viel, und doch ist man hier in einer ganz anderen Welt als in der aufstrebenden Metropole Addis. Die Asphaltstraße endet auf halber Strecke, danach geht es weiter auf Lehm- und Steinpisten, die bei Regen oft unbefahrbar sind.

Äthiopien: Region Ginde Beret

Alexandra Mantler

Blick aus dem Auto, wo die Asphaltstraße Richtung Ginde Beret bereits zu Ende ist

Sendungshinweis:

Erfüllte Zeit, Sonntag, 6. April 2014, 07.05 Uhr, Ö1

„Früher konnte ich pro Woche nur 200 Liter brauen, jetzt kann ich mir die Zutaten für 800 Liter pro Woche leisten. Ich habe auch viel mehr Kunden, und während ich früher etwa 100 Birr pro Woche verdient habe, sind es jetzt 400 Birr“, sagt Adugna.

Zum Vergleich: Ein ungelernter Arbeiter verdient hier am Land rund 180 Birr pro Woche, das Anfangsgehalt einer Lehrerin beträgt rund 250 Birr pro Woche. Mit dem zusätzlichen Verdienst und dem Erlös aus dem Verkauf eines kleinen Gartens, konnte Adugna nun sogar ein etwas größeres Lokal kaufen. Zwei lange Holztische mit je zwei Bänken stehen darin, dazu eine einfach Schank. Früher sei sie mindestens drei Monate im Jahr auf die Lebensmittelhilfe der Regierung angewiesen gewesen, nun könne sie ihre Kinder selbst ernähren und in die Schule schicken, erzählt sie.

Äthiopien: Eine Frau prüft getrocknetes Berbere, ein Gewürz auf Chili-Basis

Alexandra Mantler

Chilischoten werden im Freien getrocknet

„Ein Jahr brauche ich noch, um den Mikrokredit zurückzuzahlen, dann möchte ich mir nochmals etwas Geld aufnehmen und weiter in mein Lokal investieren. Dann kann ich hier auch Softdrinks und echtes Bier verkaufen: Eine richtig große Bar hier in Chulute. Schon jetzt kommen die Nachbarn manchmal in mein Lokal und sagen mir, dass ich eine erfolgreiche Frau bin und stolz sein kann auf mich“, sagt Adugna.

Alexandra Mantler für religion.ORF.at

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