Johannes XXIII.: Ein Bauernbub wird ein Heiliger

Hubert Gaisbauer beleuchtet in seinem zweiten Buch über Papst Johannes XXIII. den Weg eines Bauernbuben aus Norditalien, der die Kirchengeschichte veränderte.

„Papst kann jeder werden. Der beste Beweis bin ich“, soll Johannes XXIII. einmal gesagt haben. Abgewandelt in „Ein Heiliger kann jeder werden“ wurde das berühmte Zitat nun zum Titel des neuen Buchs des ehemaligen Leiters der ORF-Hauptabteilung Religion Hörfunk, Hubert Gaisbauer, das anlässlich der Heiligsprechung des „Konzilspapsts“ erschienen ist.

Während sich Gaisbauer in seinem ersten Buch über Johannes XXIII. („Ruhig und froh lebe ich weiter – Älter werden mit Johannes XXIII.“, 2011) vor allem der zweiten Lebenshälfte Angelo Giuseppe Roncallis widmete, beleuchtet er nun dessen Kindheit und Jugend. Er zeichnet den Weg eines 1881 in einfachen Verhältnissen geborenen Bauernbuben nach, der 60 Jahre später als Johannes XXIII. mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils Kirchengeschichte schrieb.

Buchcover "Ein Heiliger kann jeder werden"

Tyrolia-Verlag

Hubert Gaisbauer: „Ein Heiliger kann jeder werden. Lebendig glauben mit Johannes XXIII.“

Tyrolia-Verlag, 240 Seiten, 19,95 Euro

Hohe Ziele

Schon sehr früh, schreibt der Autor, habe sich die kirchliche Karriere des kleinen Angelino abgezeichnet. Als Kind sei er von Schulkollegen „il chierichetto“ - „der kleine Kleriker“ - genannt worden, weil der Pfarrer seines Heimatorts Sotto il Monte in der Provinz Bergamo ihn bald unter seine Fittiche nahm. Schon mit sechs Jahren, heißt es im Vorwort, fasste Roncalli „den kindlichen Entschluss, ‚ein Heiliger‘ zu werden, und zwar nach dem schlichten und wahrhaften Vorbild seines Dorfpfarrers“.

Dieser kindliche Wunsch wird nun am 27. April tatsächlich Wirklichkeit, wenn Papst Franziskus, den viele schon jetzt mit dem Roncalli-Papst vergleichen, diesen zur Ehre der Altäre erhebt. Gaisbauer bedient sich wie schon in seinem ersten Buch über Johannes XXIII. einer Vielzahl an Originaldokumenten - hauptsächlich Briefe des Papstes sowie Aufzeichnungen aus seinem „Geistlichen Tagebuch“, das er ab 1895 führte. Gaisbauers Ziel: ein „möglichst authentisches und lebensnahes Mosaik“.

Dieses Mosaik besteht aus einer Ansammlung von Anekdoten und Geschichten aus dem Leben des Angelo Roncalli, hauptsächlich aus solchen, die sich vor seiner Wahl zum Papst abgespielt haben. Gaisbauer zeichnet dabei aber nicht das undifferenzierte Bild des Konzilspapstes, der die Kirchengeschichte verändert hat, sondern porträtiert ihn im Gegenteil eher als konservativ denkenden Geist, der aber dennoch erkannte, dass die Kirche Veränderungen brauchte.

„Des Modernismus verdächtig“

So erzählt Gaisbauer etwa die Geschichte der freundschaftlichen Beziehung Roncallis zu Ernesto Buonaiuti während seiner Zeit als Seminarist in Rom. Buonaiuti galt als Modernist und wurde vom Heiligen Offizium, der früheren Inquisition und heutigen Glaubenskongregation, beobachtet und später mehrmals exkommuniziert.

Die Freundschaft zu ihm brachte auch dem späteren Papst einen Personalakt beim Heiligen Offizium ein, in dem vermerkt wurde, er sei „des Modernismus verdächtig“. Jahre später, schreibt Gaisbauer, habe sich Roncalli bereits im Papstamt Einblick in die Akte verschafft und sie um eine Bemerkung ergänzt: „Ich, Johannes XXIII., Papst, bin nie Modernist gewesen.“

Mit Geschichten wie dieser macht Gaisbauer das Leben Johannes’ XXIII. greifbar. Sein Buch ist nicht das Porträt eines Papstes, der die Kirche verändert hat, sondern das eines Bauernbuben, der ein Heiliger werden wollte. Gaisbauer gehe der Frage nach, heißt es im Pressetext des Verlags, „was das für ein Glaube war, der den Bauernbub aus Norditalien trotz einer etwas holprigen geistlichen Karriere an sein Ziel brachte“.

Michael Weiß, religion.ORF.at