EGMR: Ungarns Kirchengesetz verletzt Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass das 2012 eingeführte ungarische Kirchengesetz das Menschenrecht auf Religionsfreiheit verletzt.

Geklagt hatten mehrere kleine Gemeinschaften, angeführt von der Christlich-Mennonitischen Kirche Ungarns, die durch das Gesetz ihren offiziellen Status als anerkannte Kirchen verloren hatten. Das Gesetz hatte das Ziel, den „Wildwuchs“ an anerkannten Religionen in Ungarn einzudämmen. Vor seinem Inkrafttreten waren über 300 Gemeinschaften offiziell anerkannt. Viele von ihnen gab es aber gar nicht mehr.

Das neue Gesetz hob bis auf jene von 14 „historische Kirchen“ alle Anerkennungen auf und schrieb die alleinige Entscheidungsgewalt über künftige Wieder-Anerkennungen dem Parlament zu. Außerdem wurden neue Voraussetzungen für diese Anerkennungen geschaffen: eine Mitgliederzahl von mindestens 20.000 sowie der Nachweis, dass die jeweilige Gemeinschaft entweder seit mindestens 100 Jahren international oder seit mindestens 20 Jahren in Ungarn tätig ist. Inzwischen sind 32 Kirchen und Religionsgemeinschaften in Ungarn anerkannt.

Anerkennung durch Parlament nicht zumutbar

Jene Kirchen, die sich an den EGMR wandten, sahen sowohl in der Aufhebung ihrer Anerkennung als auch in dem Faktum, dass die Wieder-Anerkennung über das Parlament zu laufen hat, eine Menschenrechtsverletzung. Der EGMR urteilte jetzt, dass einerseits die Entscheidung, welche 14 Kirchen ihren Status behalten durften, die gebotene Neutralität des Staates verletzten, und dass andererseits der Anerkennungsweg über das Parlament als politisch gefärbte Institution den Religionsgemeinschaften nicht zumutbar sei.

Letzteres führe dazu, dass die Entscheidung über eine Anerkennung direkt von politischen Ereignissen oder Situationen abhängen könne, heißt es in dem EGMR-Urteil. „Dieses Schema trägt eine Missachtung der Neutralität und das Risiko der Willkürlichkeit in sich. Eine Situation, in der religiöse Gemeinschaften darauf angewiesen sind, um die Stimmen politischer Parteien zu werben, ist nicht mit der staatlichen Neutralität vereinbar, die in diesem Feld notwendig ist.“

Ungarns Regierung hatte argumentiert, dass viele Vereine sich unrechtmäßig als Religionsgemeinschaften deklariert hätten, um an Staatsgelder zu kommen. Das EGMR argumentierte jetzt, Ungarn habe nicht bewiesen, dass es nicht mit weniger drastischen Methoden möglich sei, eventuellen Missbrauch des Kirchenstatus’ zu stoppen.

Link: