Ostern: Leeres Grab und volle Freude?

Halleluja-Rufe am Ostertag, Christen feiern den Sieg des Lebens über den Tod. Doch woran glauben die Christen, wenn sie den Auferstandenen preisen? Und war das Grab, in dem Jesus lag, am dritten Tag wirklich leer?

In weißem Mönchsgewand soll Christoph Schönborn, damals noch nicht Kardinal und Erzbischof von Wien, an einem Ostersonntag durch die Weinberge von Retz gesprungen sein und laut „Halleluja, Christus ist auferstanden“ gerufen haben. So erzählt es sein Freund Peter Turrini. Und es sei nicht nur der erste Schluck Wein nach 40 Tagen Fasten gewesen, der Schönborn jubeln ließ, beteuert Turrini.

Spekulationen vs. Faktencheck

Seit rund 2.000 Jahren bejubeln und feiern Christen das Osterereignis als das Fundament ihres Glaubens - und genauso lange gibt es die Diskussion darüber, was denn wirklich mit diesem gekreuzigten und begrabenen Jesus aus Nazareth in dieser Osternacht passiert ist. Die Frage nach dem leeren Grab ist ein Thema, das Menschen bewegt, emotionalisiert und interessiert, denn nach wie vor schaffen es Meldungen über angebliche Jesus-Knochenfunde mühelos auf die Titelseiten der Magazine.

Silhouette eines Mannes in der Tür eines riesigen dunklen Raums. Licht dringt von oben durch eine runde Öffnung ein.

APA/EPA/Abir Sultan

Ein Mann in der Jerusalemer Grabeskirche - hier sollen sich Passion, Tod und Auferstehung Jesu ereignet haben

Wäre mit so einem Fund die Auferstehung endlich rational in einer säkularisierten Welt widerlegt? Könnten ein paar Knochen 2.000 Jahre Christentum aus den Angeln heben? Bisher jedenfalls haben sich die vermeintlichen Sensationsmeldungen über den Fund des Jesus-Grabes jeweils als gewagte Spekulationen entpuppt und einem wissenschaftlichen Faktencheck nicht standgehalten.

Widersprüche und Ungereimtheiten

Aber auch die andere Seite, die der gläubigen Christen, kann nicht viel zur wissenschaftlichen Erhellung des Auferstehungsereignisses anbieten. Zwar durchzieht die Überzeugung, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, das gesamte Neue Testament. Der älteste Text dazu stammt von Paulus und findet sich im 15. Kapitel des ersten Briefs an die Korinther. Doch die neutestamentlichen Überlieferungen von der Auferstehung weichen stark voneinander ab.

Paulus etwa erwähnt keine Frauen als Zeuginnen, während andere Texte die Frauen am leeren Grab durchaus ins Zentrum stellen, erklärt Annette Merz, protestantische Theologin für das Neue Testament an der Universitäten Utrecht und Tilburg im Gespräch mit religion.ORF.at. „Die Ostererzählungen gehen teilweise in der Beschreibung der Fakten weit auseinander. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass sich nach dem Tod Jesu seine Jüngerinnen und Jünger zunächst verstreut haben.“

Es handle sich hier nicht um historische Beschreibungen eines Ereignisses, sondern um persönliche Erfahrungs- und Erscheinungsberichte, ist Merz überzeugt. „Wahrscheinlich sind diese inneren Erlebnisse an verschiedenen Orten passiert. Und es ist gut möglich, dass die einzelnen Geschichten, die dieses Ereignis zu fassen versuchten, erst später von Autoren zusammengefügt worden sind.“

Auferstehung als literarisches Motiv?

Bernhard Lang, Religionswissenschaftler und Theologe für das Alte Testament an der Universität Paderborn, steht den Auferstehungsgeschichten der frühchristlichen Autoren eher skeptisch gegenüber. Er sieht in ihnen ein populäres literarisches Motiv des 1. Jahrhunderts aufgegriffen, wie es etwa auch in der Geschichte der Kallirrhoë im rund 1.900 Jahre alten Roman des antiken griechischen Dichters Chariton der Fall ist.

Der Roman erzählt, dass Kallirrhoë versehentlich bei lebendigem Leib begraben wurde. Dann öffnet ein Grabräuber das Grab, die Scheintote wacht auf, wird gefangen genommen und entführt. Später wird das leere Grab gefunden, die Menschen vor dem Grab spekulieren daraufhin, ob Kallirrhoë nicht doch in ihrer Schönheit eine Göttin gewesen sei. Für Lang ist das ein interessantes Motiv, „das sich die frühchristlichen Autoren einfach nicht entgehen lassen konnten, um auch die Auferstehungsgeschichte des Jesus von Nazareth literarisch auszugestalten“.

Kirchenfenster-Darstellung der Auferstehung: Jesus mit begeisterten Frauen

Reuters/Luke MacGregor

Darstellung der Auferstehung auf einem Kirchenfenster

Dem widerspricht Thomas Söding, katholischer Theologe für Exegese des Neuen Testaments an der Universität Bochum vehement: „Ich bin skeptisch, diese Ostererzählung mit der Auffindung des leeren Grabes, als Legende oder reine literarische Ausschmückung zu betrachten, denn das leere Grab setzt das volle Grab voraus. Meines Erachtens ist ja das volle Grab sehr viel skandalöser als das leere Grab. Also dass Jesus von Nazareth, der Messias, wirklich gestorben ist, ist eigentlich die große Provokation. Es ist wenig plausibel, dass eine Auferstehungsverkündigung in Jerusalem mit vollem Grab abgelaufen wäre.“

Ende und Anfang

Eigentlich schien vor 2.000 Jahren für die Jüngergruppe um Jesus mit der Kreuzigung alles zu Ende. Kaum war ein schmachvollerer Tod denkbar. Was so verheißungsvoll mit der Botschaft vom „Reich Gottes“ begonnen hatte, endete im Desaster. Doch schon bald hat offensichtlich eine gegenteilige innere Gewissheit die Jüngerinnen und Jünger von Jesus ergriffen, die im Bekenntnis gipfelt: „Gott hat Jesus nicht im Tod belassen.“

Für den Wiener Religionspädagogen Martin Jäggle geht es dabei um „die Erfahrung der unzerstörbaren Hoffnung, des endgültigen Sinnes. Aus dem Kreuz wurde ein Heilszeichen.“ Im Gespräch mit religion.ORF.at betont Jäggle, dass für ihn und viele seiner Kolleginnen und Kollegen „die Frage, wie man sich die Auferstehung Jesu vorstellen kann oder soll, müßig sei, weil sie nicht beantwortbar ist“.

Dazu passend kursiert an vielen theologischen Fakultäten eine kleine Geschichte über angebliche archäologische Funde des Jesus-Grabes mit Gebeinen, die mit Augenzwinkern gerne erzählt wird: „Als schließlich auch die Theologen von dem Jesus-Grab erfuhren, stürzte sie das nicht in die Krise, sondern verleitete nur zur trockenen Bemerkung, dass Jesus also doch gelebt habe“, so das Bonmont.

Die Rückseite einer Briefmarke

Bis vor einigen Jahren behaupteten einige Theologen, dass das gesamte historisch verbriefte Wissen über Jesus von Nazareth auf die Rückseite einer Briefmarke passe. In der Konsequenz der fehlenden Fakten, ging es dann auf den Universitäten auch mehr um theologische Konzepte als um historisch Verbrieftes.

Heute gibt man dem „historischen Jesus“ wieder mehr Bedeutung. Aus den biblischen Texten zum Auferstehungsereignis meint man aktuell durchaus mehr - auch an historischen Informationen - herauslesen zu können, als man das noch vor ein paar Jahren angenommen hatte. Die Rückseite einer Briefmarke ist mittlerweile zu klein geworden, sind sich die Theologinnen und Theologen nahezu einig.

Vom Diesseits in Jenseits

Jesus selber glaubte an eine Auferstehung der Toten und steht damit im Widerspruch zu den Sadduzäern, einer politisch-religiösen Gruppierung seiner Zeit, von denen der römisch-jüdische Historiker Flavius Josephus schreibt: „Die Lehre der Sadduzäer lässt die Seele mit dem Körper zugrundegehen und erkennt keine anderen Vorschriften als das Gesetz.“ Die Sadduzäer halten sich dabei an die frühen Texte des Alten Testaments, denen der Glaube an eine Auferstehung der Toten noch fremd ist. Erst später, etwa im Buch Daniel, entwickelt sich der Glaube an ein Leben nach dem Tod.

Doch Jesus übernimmt nicht einfach die Vorstellung des Volksglaubens eines nach dem Tod in gewohnter Form ins Unendliche fortgeführten Lebens. Der Verfasser des Lukasevangeliums führt das im 20. Kapitel näher aus. In seinem Text lässt er die Sadduzäer eine Fangfrage zum Leben nach dem Tod stellen.

In dem konstruierten Beispiel stirbt ein Ehemann, darauf nimmt sein ältester Bruder die Witwe zur Frau. So war es damals üblich. Doch auch er verstirbt, und wiederum nimmt ein Bruder die Witwe zu sich. Der Vorgang wiederholt sich, bis alle sieben Brüder tot sind. Schließlich stirbt auch die Frau. Und dann wollen die Sadduzäer von Jesus wissen, wessen Frau im Himmel denn die Verstorbene sei. Der Fangfrage liegt eine sehr irdisch gedachte Himmelsvorstellung zugrunde, die Jesus nicht teilt.

Jesus antwortet ihnen in den Worten von Lukas: „Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten. Welche aber gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten, die werden weder heiraten noch sich heiraten lassen. Denn sie können hinfort auch nicht sterben, denn sie sind den Engeln gleich und Gottes Kinder, weil sie Kinder der Auferstehung sind.“

Vom Sein in Gott

Aus dieser Antwort Jesu meint der Theologe und Psychoanalytiker Eugen Drewermann herauslesen zu können, dass Jesus alle Zukunftshoffnung weg von dem „substantiellen Sein“ des Menschen in das „Dasein Gottes“ verlegt. Jesus hat also nicht die Erwartung, dass sich im Tod „naturhaft“ die Natur aufhebt, sondern „aus einer menschlichen Haltung unendlicher Selbstbezogenheit, eine Haltung absoluter Gottesbezogenheit wird“, so Drewermann.

2.000 Jahre Denken und Forschen über die Auferstehung haben kaum wissenschaftliche Ergebnisse gebracht. Von dem 2010 verstorbenen Wiener Bibelwissenschaftler Jacob Kremer wird erzählt, dass er von Studenten gefragt wurde, was denn auf einem Foto zu sehen sei, wenn damals jemand bei der Auferstehung Jesu fotografiert hätte? Kremer soll geantwortet haben: „Nichts, weil es überbelichtet gewesen wäre.“

Glaube vs. Verstehen

Die in Pakistan engagierte Lepra-Ärztin und Ordensfrau Ruth Pfau pflichtet bei: „Die Jünger wussten zwar, dass Jesus auferstanden sei, sie konnten das aber nicht erklären. Was hat der Auferstandene gemacht? Er hat keine theologischen Traktate gehalten, sondern gefragt: Habt ihr etwas zu essen? Und sie gaben ihm einen Stück gekochten Fisch, den er in ihrer Gegenwart aß. Ich kann nicht sagen, dass ich das auch nur versuchen kann zu verstehen, aber ich spüre und glaube es.“

„Der Versuch, hinter dem Bekenntnis der Evangelien und der Christen etwas zu haben, das von diesen unabhängig macht, das alles beweisen kann, muss misslingen“, ist Jäggle überzeugt. Ein leeres oder auch volles Grab beweise aus sich heraus nichts, wie es auch die Evangelien deutlich machen, denn „gläubige Menschen leben nicht von Vorstellungen, sondern aus der Freude der Gewissheit“.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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