„Kopftuchfrauen“: Stoff, der aufregt

Mit „Kopftuchfrauen. Ein Stück Stoff, das aufregt“ versucht die österreichische Autorin Petra Stuiber, sich einem heiß umstrittenen Thema zu nähern, indem sie die sprechen lässt, die es tragen: die „Kopftuchfrauen“ selbst.

Wäre das ein Buch aus der „rechten Ecke“, eine politische Schrift eines vor „Überfremdung“ warnenden Autors vom Schlag eines Thilo Sarrazin, es wäre wohl längst durch alle Medien gegangen und vermutlich auch an prominenter Stelle in den Bestsellerlisten zu finden. Doch Stuibers „Kopftuchfrauen“ will den Spieß umdrehen und macht aus einem vieldiskutierten Objekt ein Subjekt. Oder vielmehr zehn: So viele Frauen, die regelmäßig ihren Kopf verhüllen, kommen in dem Buch zu Wort.

Buchcover "Kopftuchfrauen"

Czernin-Verlag

Buchhinweis

Petra Stuiber: Kopftuchfrauen. Ein Stück Stoff, das aufregt. Mit Fotos von Katharina Roßboth. Czernin Verlag, 144 Seiten, 19,90 Euro.

Die Autorin bemüht sich um einen Vergleich des „muslimischen mit dem nicht muslimischen Kopftuch“, dem Kopftuch der Großmütter, wie es vor noch nicht langer Zeit auch in Österreich eine Selbstverständlichkeit war - auch und gerade beim Kirchgang. Die Schleiertracht der Ordensschwester ist ebenso vertreten wie die - von pöbelnden Zeitgenossen als muslimisch missdeutete - Kopfbedeckung einer an Krebs Erkrankten, die sich zudem vor Tröpfcheninfektionen schützen musste. Schließlich findet auch noch die - allerdings heutzutage eher ausgefallene - Variante des „modischen“ Kopftuchs Erwähnung.

Kopftuch nicht das „bestimmende Element“

Allen voran freilich entpuppen sich Stuibers „Kopftuchfrauen“ als die, an die man in dem Zusammenhang als Erstes denkt: muslimische Frauen, die ihre Haare und Teile ihres Körpers aus religiösen Gründen unter einem Tuch verbergen. Genau so eine Muslimin, jung und attraktiv, mit selbstbewusstem Blick und freundlichem Lächeln, ziert auch das Buchcover.

Dabei scheint die Absicht der Autorin durch, das „heiße“ Thema auf nüchternen Boden herunterzuholen. Das Kopftuch dürfe nicht das „bestimmende Element im Umgang miteinander“ sein, schreibt sie in der Einleitung. Nach einer kurzen Erklärung der gängigsten Tücher - Hidschab, Nikab und Burka - widmet Stuiber ein Kapitel dem politischen Diskurs in Deutschland und Österreich. Neben Stimmen wie der Sarrazins („Deutschland schafft sich ab“) äußern auch prominente Feministinnen wie Alice Schwarzer und Elfriede Hammerl ihr Unbehagen am Kopftuch: Es wird als Beweis für die Unterordnung der (muslimischen) Frau unter den Mann angesehen.

Zeit, über die „wirklich wichtigen Dinge“ zu reden

„Weder der Staat noch ein Mann darf sich in die Frage einmischen, wie sich eine Frau kleidet“, entgegnet Dudu Kücükgöl. Die als muslimische Feministin eingeführte Wirtschaftspädagogin und Vorstandsmitglied der Muslimischen Jugend Österreichs ist die erste „Kopftuchfrau“, die porträtiert wird. Es sei Zeit, über die „wirklich wichtigen Dinge“ zu reden, so Kücükgöl, „über Bildung, wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Diskriminierung von Frauen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt“.

Kücükgöl, die auf dem Buchcover zu sehen ist, ist der „Star“ des Buchs: Sie skizziert ihren doch eher untypischen Werdegang vom in der Türkei geborenen und in Österreich aufgewachsenen „Kopftuchmädchen“, das es aufs Gymnasium geschafft und eine höhere Ausbildung genossen hat. Die Ehe der zweifachen Mutter schildert sie als vollkommen gleichberechtigt. Dass sie als hochgebildete Frau auch bei Angehörigen ihrer Religion nicht immer gut ankommt, räumt die 30-Jährige ebenso ein wie das Unbehagen, das sie zum Teil bei der Lektüre des Korans überkam: Sie wolle keinesfalls alles schönreden, so Kücükgöl. Doch sei sie es mittlerweile müde, die immer gleichen Vorurteile zu diskutieren, statt „endlich über die reale Situation von Musliminnen in Österreich zu sprechen“.

Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft

Zu Wort kommen weiters zum Teil prominente Frauen, die Schleier tragen, wie Carla Amina Baghajati, Pressesprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, die vom evangelischen Glauben zum Islam konvertierte. Als Kopftuchträgerin berichtet auch sie von unangenehmen Erfahrungen, die aus Vorurteilen resultierten. Baghajati sagt aber auch: „Muslimen geht es in Österreich wesentlich besser als in Deutschland.“ Auch „ganz normale“ Musliminnen mit ganz unterschiedlichem politischen und familiären Hintergrund kommen in „Kopftuchfrauen“ zu Wort.

Veranstaltungshinweis

Am 7. Mai findet in der Buchhandlung Thalia in Wien-Mariahilf um 19.00 Uhr eine Buchpräsentation von „Kopftuchfrauen. Ein Stück Stoff, das aufregt“ statt.

Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen müsse man ernst nahmen, so Baghajati - auch wenn es einem nicht immer sympathisch sei. So möge sie selbst den Gesichtsschleier (wie die Burka) nicht; das Argument, der Vollschleier solle Frauen vor begehrlichen männlichen Blicken schützen, lässt sie nicht gelten: „Ein guter Moslem ist angehalten, seine Blicke zu senken.“ Die Religionslehrerin Baghajati weist auf die unterschiedlichen Motive hin, aus denen vor allem junge Frauen heute Kopftuch tragen: Eine stolze Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft könne das etwa sein, manchmal schwinge wohl auch ein wenig Trotz dabei mit.

Diskriminierungen im Alltag

„Gerade zu Frauen, die Kopftuch tragen, habe ich oft einen guten Draht“, sagt die katholische Ordensfrau Sr. Beatrix Mayrhofer. Man sei im Alltag denselben Diskriminierungen ausgesetzt. Die Präsidentin der Vereinigung der katholischen Frauenorden trägt auch nicht selten schwer an ihrer Kopfbedeckung: Schmähungen wie „Pinguin“ hört sie im Alltag öfter. Nie jedoch werde sie von Menschen mit Migrationshintergrund beleidigt oder beschimpft, so Mayrhofer.

Einiges anhören musste sich auch die Wiener SPÖ-Politikerin Renate Kaufmann, als sie, um die Spuren einer Krebstherapie zu verdecken und sich mit einem Tuch vor dem Mund vor Keimen zu schützen, eine tschadorähnliche Kopfbedeckung trug: Als Muslimin missdeutet, wurde sie mehrmals übel beleidigt, wie sie schildert. Ihr Kopftuch, das Kaufmann nun nicht mehr braucht, hebt sie als Erinnerung auf: daran, „dass man leicht in eine Ecke gestellt und diskriminiert wird, wenn man ein bisschen anders aussieht“.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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