Theologin über Papst: „Kein Grund zum Jubeln“

Der feministischen Theologin Elisabeth Schüssler Fiorenza zufolge baut Papst Franziskus auf ein überholtes Frauenbild. Seine „Theologie der Frau“ orientiere sich „am Bild der Frau als Mutter oder dienender Jungfrau“.

Die feministische Theologin warnte in einem Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur „Kathpress“ vor einer überzogenen Papst-Begeisterung im Blick auf die Reformvorhaben von Papst Franziskus. Gerade im Blick auf die Frage der Frauen in der Kirche sehe sie keine wirklichen Aufbruchssignale, so die an der Harvard-Universität lehrende Zentralfigur der theologischen feministischen Bewegung in den USA.

„Essenzialistische Theologie der Frau“

„Franziskus will eine essenzialistisch ansetzende ‚Theologie der Frau‘, die sich am Bild der Frau als Mutter oder dienende Jungfrau orientiert und die die feministische Theologie schon lange zerpflückt hat“, so Schüssler Fiorenza gegenüber Kathpress. Dass der Papst Frauen verstärkt in Kommissionen einsetzen und fördern wolle, sei löblich, mit einer zeitgemäßen feministischen Theologie habe das aber nichts zu tun. „Grund zum Jubeln sehe ich nicht.“

Papst Franziskus geht an einer Frau mit einem Kleinkind am Schoß vorbei

APA/AP/L'Osservatore Romano

Der Papst sehe Frauen „als Mutter oder dienende Jungfrau“, so die prominente Theologin

Wenn Papst Franziskus etwa von der „Kirche für die Armen“ spricht, so müsse man kritisch zurückfragen, ob dies auch arme Frauen umfasse. Schließlich sei die Mehrzahl der Armen weltweit Frauen und von Frauen abhängige Kinder. „Von daher kann es keine Rede von einer Kirche der Armen geben, ohne gleichzeitig die Frage etwa der Geburtenkontrolle oder des Schwangerschaftsabbruchs zu thematisieren“, so die Theologin.

Ernüchternde feministische Bilanz

„Nicht verwunderlich“ ist für sie der Applaus für den Papst von Seiten der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, schließlich sei diese „so männlich bestimmt wie die vatikanische Theologie“. Bei ihrer Kritik gehe es nicht um Kategorien wie liberal oder konservativ, so Schüssler Fiorenza, sondern darum, „gesellschaftliche Strukturen zu analysieren und zu verändern und das zu kritisieren, was Veränderung hemmt“.

Ernüchternd fällt die Bilanz Schüssler Fiorenzas im Blick auf die Fortschritte bei der Gleichberechtigung in den vergangenen Jahrzehnten aus: Die Fragestellungen und Probleme seien nach wie vor die gleichen - immer noch würden etwa Frauen in den USA nur rund 70 Prozent dessen verdienen, was Männer in vergleichbaren Positionen verdienen.

Ebenfalls nicht bewegt habe sich die Kirche in der Frauenfrage: „Religion dient damals wie heute dazu, entweder Unterdrückung und Ausbeutung zu legitimieren oder aber Menschen zu emanzipieren und zur Selbstbestimmung zu ermutigen.“

Einkapselung feministischer Theologie

So wenig sich in der kirchlichen Hierarchie verändert habe, so sehr habe sich das Bewusstsein der Menschen verändert, „die sich von diesen Strukturen emanzipiert haben“, so Schüssler Fiorenza. „Und zu diesem Prozess der Emanzipation haben Befreiungstheologie und feministische Theologie beigetragen. Theologie hat schließlich immer mit Visionen, mit Träumen von einer anderen, besseren, gerechteren Welt zu tun. Aus dieser Perspektive berührt die Theologie weiterhin zentrale Fragen des Menschseins.“

Zugleich konstatierte die Theologin eine problematische Trennung von gesellschaftlicher Frauenbewegung und akademischer feministischer Theologie. Zwar sei die feministische Theologie heute an den Universitäten „stark“, sie sei aber „kaum mehr in der gesellschaftlichen Frauenbewegung verwurzelt“.

Heute arbeite sich die feministische Theologie vor allem an der vatikanischen Theologie ab, es fehle jedoch mehr und mehr der Impuls, „von der Frauenbewegung her zu denken und zu arbeiten“. Dies sei insofern schade, als sie ein zunehmendes Interesse gerade von Seiten der säkularen Frauenbewegungen an Themen und Motiven feministischer Theologie registriere.

Harvard-Professorin mit europäischen Wurzeln

Elisabeth Schüssler Fiorenza wurde 1938 in Rumänien geboren. Nach dem Krieg kam sie über Österreich nach Deutschland, wo sie von 1958 bis 1962 katholische Theologie in Würzburg studierte. 1970 promovierte sie an der Universität Münster mit einer Arbeit zum Herrschafts- und Priestermotiv in der Apokalypse des Johannes.

Danach ging sie in die USA, wo sie an den Universitäten Notre Dame und Cambridge unterrichtete. Seit 1988 hat sie die Krister-Stendahl-Professur an der Harvard University inne. Daneben ist sie Gastprofessor unter anderem in Tübingen, Berlin und Heidelberg. Sie ist mit dem katholischen Theologen Francis Schüssler Fiorenza, der ebenfalls in Harvard lehrt, verheiratet.

religion.ORF.at/KAP

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