Anna Dengel: Das Unmögliche möglich machen

Ein neues Buch gibt Aufschluss über die Ärztin und Ordensgründerin Anna Dengel (1892-1980), die in den 1920er Jahren eine Ordensgemeinschaft mit missionsärztlicher Ausrichtung gründete.

Als „Frau, die aus ihren tiefen Glauben heraus gesellschaftliche Zwänge des frühen 20. Jahrhunderts überwunden und Unmögliches möglich gemacht hat“. - So beschreibt die Publizistin Ingeborg Schödl im „Kathpress“-Gespräch die Ordensgründerin Anna Dengel. In ihrem neuen Buch „Anna Dengel - Das Unmögliche wagen“ zeichnet Schödl das Leben der Tiroler Ordensfrau nach, die nicht nur einen eigenen Orden gründete sondern auch gegen kirchenrechtliche Verbote rebellierte und sich für die Zulassung von Ordensfrauen zu medizinischen Diensten stark machte, um Menschen in Not helfen zu können.

Anna Dengel wurde 1892 in Steeg im Tiroler Lechtal geboren. Nach Abschluss ihrer Schulausbildung ging sie 1913 nach Irland und studierte an der katholischen Universität in Cork Medizin. 1920 ging sie als Ärztin nach Asien, wo sie in der Stadt Rawalpindi (damals Britisch-Indien, heute Pakistan) tätig war.

Eingeschränkte medizinische Tätigkeit für Orden

Nach einem Heimaturlaub in Tirol und Exerzitien in Rom entschloss sich Dengel, eine Ordensgemeinschaft mit missionsärztlicher Ausrichtung zu gründen. Mitte der 1920er-Jahre war dies aber mit großen Hürden verbunden. Denn in der Mission tätigen Ordensfrauen war es laut eines seit 1215 bestehenden Verbots im Kirchenrecht untersagt, auf dem Gebiet der Geburtshilfe unter anderem auch als Hebammen tätig zu sein. Die Sterblichkeitsrate von Müttern und Kindern sei daher entsprechend hoch gewesen, so Schödl.

Die Gründerin der Missionsärztlichen Schwestern, Anna Dengel

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Anna Dengel

Wie Schödl erläuterte, sei das Verbot in den 1920er-Jahren längst veraltet gewesen. Trotzdem habe es großer Anstrengungen bedurft, dieses abzuschaffen. Dengel machte sich bei Kardinälen, Bischöfen und Missionaren für eine Aufhebung stark.

Rasche Ausbreitung der Ordensgemeinschaft

Sie ging zunächst in die USA, wo sie 1925 zusammen mit einer weiteren Ärztin und zwei Krankenschwestern in einem kleinen Haus an der Peripherie von Washington DC die Gemeinschaft der „Missionsärztlichen Schwestern“ gründete. Wegen des noch gültigen kirchenrechtlichen Verbots bildeten die Frauen zunächst eine sogenannte „Pia Societas“ (fromme Gemeinschaft) und verzichteten auf die Ablegung öffentlicher Gelübde. Erst 1936 wurde das Kirchenrecht geändert und Ordensleuten der volle medizinische Dienst erlaubt. Am 15. August 1941 legten Dengel und ihre Schwestern die Ewigen Gelübde in ihrer neuen Gemeinschaft ab, die sich danach rasch über Asien, Ostasien, Afrika, Europa und Lateinamerika ausbreitete.

1973 legte Anna Dengel die Leitung der „Missionsärztlichen Schwestern“ zurück. Drei Jahre später erlitt sie einen Schlaganfall und blieb von da an teilweise gelähmt. Sie starb am 17. April 1980 und wurde auf dem deutschen Friedhof Campo Santo Teutonico im Vatikan begraben.

Anderer Ansatz als Mutter Teresa

Prof. Schödl verwies im „Kathpress“-Gespräch darauf, dass Dengel auch in Kontakt mit Mutter Teresa gestanden sei. Letztere habe Dengel als jene Frau gewürdigt, die die Medizin wieder in die Kirche gebracht habe.

Buchtipp:

Ingeborg Schödl: „Anna Dengel - Das Unmögliche wagen. Ärztin, Missionarin, Ordensgründerin“ Tyrolia Verlag, 2014.

Nicht immer seien die Tiroler Ordensfrau und Mutter Teresa einer Meinung gewesen. Dengel habe die Aufgabe ihrer Schwestern darin gesehen, durch die medizinische Versorgung auch die gesellschaftlichen Strukturen zu verändern. Für Mutter Teresa sei dagegen die Missionierung an erster Stelle gestanden. Schödl: „Für Anna Dengl bedeutete Mission zunächst, die körperlichen Leiden zu lindern und soziale Strukturen zu verbessern. Nur so könne man dann auch den Menschen Gottes Liebe nahe bringen.“

Neueste Standards für Mitschwestern Dengels

Dengel habe Wert darauf gelegt, die medizinische Pflege stets an die neuesten hygienischen Standards anzupassen, bei Mutter Teresa sei modernen Hilfsmitteln gegenüber distanzierter gewesen. Weiters sei Dengel auch stets um gute Arbeitsbedingungen für ihre Mitschwestern bemüht gewesen. Als sie davon hörte, unter welchen Umständen Mutter Teresas Mitschwestern oft leben mussten, habe sie der späteren Heiligen einen „geharnischten“ Brief geschrieben.

Es hätten freilich die Gemeinsamkeiten überwogen und so konnte sich Dengel noch kurz vor ihrem Tod 1980 über den Besuch von Mutter Teresa an ihrem Krankenbett freuen.

Weltweiter Orden

Weltweit zählt die Ordensgemeinschaft der „Missionsärztlichen Schwestern“ heute rund 600 Schwestern aus 23 Nationen. Ihre Tätigkeit reicht von seelsorglicher Wegbegleitung über Jugendarbeit, Kranken-, Alten- und Gefängnisseelsorge bis hin zu Projekten für AIDS-Kranke und AIDS-Waisen. Niederlassungen der „Missionsärztlichen Schwestern“ gibt es in Afrika, Nord- und Südamerika, Indien, Indonesien, Pakistan und auf den Philippinen, aber auch in europäischen Ländern wie England, Belgien, Holland, Italien und Deutschland.

religion.ORF.at/KAP

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