Islamisten-Einnahme Mossuls: Erzbischof „entsetzt“

In der Weltkirche herrscht Entsetzen über die Einnahme der nordirakischen Millionenmetropole Mossul durch die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS).

Die Gruppe ist berüchtigt durch Kreuzigungen von Christen und Massenexekutionen. Mossul war eines der Zentren der chaldäischen Christen. In einem Telefonat mit dem römischen Missionspressedienst AsiaNews sagte Erzbischof Shimoun Nona am Mittwoch, die Christen seien auf der Flucht, ebenso wie viele Muslime. Nona bat auch dringend um Hilfe für die Flüchtlinge, weil die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser ans Ende komme; innerhalb von zwei, drei Tagen werde auch in der Stadt Mossul die Versorgung nicht mehr möglich, so der Erzbischof. Waren des täglichen Bedarfs seien „nirgendwo zu finden“.

In den letzten Stunden sei die Stadt mit fast drei Millionen Einwohnern ins Chaos gefallen. Hunderte dschihadistische Kämpfer hätten die Kontrolle über große Stadtteile übernommen. Die Milizsoldaten begegneten keinem Widerstand, weil die Armee- und Polizeikräfte die Waffen niederlegten und ihre Posten verließen. Sie entledigten sich der Uniform und mischten sich unter die Menge.

Situation der Christen „dramatisch“

Die Situation der christlichen Minderheit in einer Diözese, die schon bisher den Mord an Gläubigen und Hirten - darunter der ehemalige Erzbischof Faraj Raho, der entführt wurde, und P. Ragheed Ganni - erleiden musste, sei „dramatisch“, so Erzbischof Nona. Neueste Augenzeugenberichte sprechen von mindestens 500.000 Menschen, die aus der Stadt geflohen sind. Mossul liegt 360 Kilometer nordwestlich von Bagdad und ist die zweitwichtigste Stadt des Irak - aufgrund seiner strategischen Position und des Reichtums an Öl und Gas.

Menschen flüchten aus der Stadt Mossul

Reuters/Azad Lashkari

Chaotische Zustände bei der Flucht aus Mossul

Mossul ist eine Hochburg des wahhabitischen sunnitischen Fundamentalismus, der enge Beziehungen zu Saudi-Arabien unterhält. Angriffe auf Ölpipelines und andere sensible Ziele sind gängige Praxis bei Gruppen, die mit Al-Kaida und Dschihadismus verknüpft sind.

Milizen übernehmen Kontrolle

Am Dienstag hatte der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki das Parlament einberufen, um den Notstand auszurufen, nachdem die islamistischen Milizen die Kontrolle über die Stadt übernahmen. In der Nacht von 9. auf 10. Juni waren Hunderte von bewaffneten Männern, die der Kampfgruppe angehören, ins Zentrum eingedrungen. Sie übernahmen die Kontrolle über die Verwaltungsgebäude, verwüsteten mehrere Polizeistationen, besetzten den Flughafen und das Armee-Hauptquartier.

Die ISIS-Miliz kontrolliert aktuell den Großteil der Ebene von Ninive. Sie kassiert Zölle für den Durchgang von Waren und fordert Schutzgelder. Der Gouverneur ist geflohen. Schwarze Fahnen mit dem Symbol des Dschihad sind auf mehreren Regierungsgebäuden sichtbar. Im Rundfunk wird behauptet, dass man gekommen sei, um Mossul „zu befreien“.

Erzbischof Nona sagte, er befinde sich aktuell an einem nur wenige Kilometer von Mossul entfernten Ort. „Die Menschen sind entsetzt“, sagte er AsiaNews gegenüber. Im Gegensatz zu früheren Jahren seien wegen der Gefahrenlage heute keine NGOs oder humanitäre Organisationen mehr bereit, der Bevölkerung zu helfen. UN-Schätzungen zufolge Land fielen allein im Mai dieses Jahres 800 Menschen, davon 600 Zivilisten, sektiererischer Gewalt zum Opfer. Im Jahr 2013 waren es 8.860.

religion.ORF.at/KAP