Müller: Papst von „linken Ideologien“ missbraucht

Laut dem Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, wird Papst Franziskus von bestimmten Gruppen „als Leitfigur für ganz bestimmte linke Ideologien“ missbraucht.

Müller zeigte sich in einem Interview in der aktuellen Ausgabe des österreichischen Missionsmagazins „Alle Welt“ (Päpstliche Missionswerke/Missio) gelassen gegenüber seiner medialen Darstellung als „konservativer Gegenspieler“ des Papstes. „Die Leute brauchen halt solche Klischees, damit sie meinen können, den Papst für ihre ideologischen Ziele vereinnahmen zu können.“ Im Grunde wisse man aber, dass dahinter der Versuch bestimmter Gruppen stehe, „den Papst als Leitfigur für ganz bestimmte linke Ideologien zu missbrauchen“, so der Kardinal.

Müller warnte in dem Interview außerdem vor westlicher Arroganz im Blick auf die Menschen in den wirtschaftlich weniger entwickelten Staaten. „Wir dürfen die Armen nicht von oben herab betrachten - etwa so, dass für die armen Länder von unserem reich gedeckten Tisch etwas abfällt“, sagte der deutsche Kurienkardinal. Er sprach sich gegen eine bloße kosmetische Überdeckung von Armutssymptomen aus. Es müsse immer auch um eine Änderung der dahinter liegenden Strukturen gehen, betonte er.

Strukturen und Mentalität verändern

Schon in der Vergangenheit habe dies bedeutet, nicht dabei stehenzubleiben, Sklaven gut zu behandeln, „sondern wir müssen die Sklaverei abschaffen - sowohl die Struktur wie die Mentalität müssen hier verändert werden, damit ein Solidaritätsbewusstsein entstehen kann“, so der Glaubenspräfekt.

Dass große Teile der Gesellschaft „so elend“ seien, hänge damit zusammen, „dass die Besitzenden und politisch Mächtigen ihre Macht und ihren Besitz zur Selbstbereicherung ausnützen“. o entstünden „Hass- und Neidkomplexe“ oder die Abwehrhaltung der Reichen gegenüber den Armen.

Müller betonte, dass er nicht das Recht eines jeden in Frage stelle, Grundlagen für das eigene Leben aufzubauen. „Aber eben nicht auf Kosten der anderen.“ Denn daraus entstünde die Spaltung der Gesellschaft in Besitzende und Nichtbesitzende. „Das muss aus dem christlichen Geist heraus überwunden werden.“

„Rückgang der Nächstenliebe“ im Westen

Für die säkularisierten Länder des Westens konstatierte der Vorsitzende der Glaubenskongregation einen „Rückgang an Nächstenliebe“. Menschen würden hier vor allem nach Nützlichkeit bewertet. Auf einer teilweise verwirklichten Kultur der Solidarität könnten sich diese Länder deshalb nicht ausruhen. Es bedürfe vielmehr „immer wieder einer neuen Auslegung der Verkündigung und der Motivation, aus dem Glauben heraus zu handeln“.

Papst Franziskus habe mit seinem bisherigen Pontifikat das Augenmerk auf die Armen gelenkt und der Weltkirche einen anderen, außereuropäischen Blickwinkel gegeben. „Gerade durch seine Haltung der Bescheidenheit im Erscheinungsbild, seine Zuwendung zu den Hirten und zu vielen Gläubigen, durch seinen realistischen Zugang zu den Herausforderungen, spricht er viele Menschen an“, so der Kardinal.

religion.ORF.at/KAP