Ramadan zwischen Verzicht und Ablenkung

Für rund 1,6 Milliarden Muslime in aller Welt hat am Samstag der Fastenmonat Ramadan begonnen, für viele ein Monat des Verzichts und der Besinnung. Andere lenken sich mit Luxusgütern oder seichter Unterhaltung im Fernsehen ab.

Der Ramadan beginnt, nicht in allen Ländern zeitgleich, sobald zwei Muslime die Mondsichel nach dem Neumond am Himmel sichten. In Mitteleuropa begann der Fastenmonat am Samstag, dem 28. Juni. Muslime sollen während des Ramadan durch Moscheenbesuche und Koranrezitationen ihren Glauben vertiefen. In dem nach dem Mondkalender berechneten Fastenmonat sind tagsüber Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr untersagt. In der Nacht darf dafür ausgiebig gespeist werden.

Ab dem Sonnenaufgang ist jede Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme verboten. Es gibt aber auch Ausnahmen. Frauen ist das Fasten während der Menstruation und im Wochenbett verboten. Sie sollten ebenso wie Kranke und Reisende das Fasten zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Kinder sind von dieser religiösen Pflicht (Fard) ebenfalls ausgenommen.

Eine Mondsichel am Nachthimmel

Reuters/Sam Mircovich

Das Sichten der Mondsichel bestimmt den Beginn des Fastenmonats Ramadan

Ausnahmen für WM-Fußballer

Von dieser Ausnahmeregelung machen auch manche der muslimischen Fußballer bei der WM Gebrauch. Die FIFA sieht für muslimische WM-Spieler jedenfalls keine Nachteile während des Fastenmonats Ramadan. „Wenn die Regeln des Ramadan korrekt angewendet werden, ist keine Leistungseinschränkung zu erwarten“, sagte FIFA-Chefarzt Jiri Dvorak am Montag in Rio de Janeiro.

„Es gibt Möglichkeiten, nach Ausnahmen zu fragen, haben uns muslimische Führungskräfte versichert“, sagte Dvorak. So können muslimische Spieler, da sie ja auf Reisen sind, die Fasttage nachholen. Die WM ist nicht das erste große Sportereignis, das in die Zeit des Ramadan fällt. Auch bei den Olympischen Spielen in London 2012 sei das der Fall gewesen - ohne Probleme für die Athleten, wie Dvorak betonte.

Abseits des Verzichts und der Besinnung

Eine Rundfunk-Kommission im muslimischen Indonesien hat die Fernsehanstalten aufgefordert, keine TV-Sendungen auszustrahlen, die den Fastenmonat stören könnten. Sie spielen in einem Bericht des dpa-Korrespondenten Ahmad Pathoni auf das Unterhaltungsprogramm der Sender an, das neben Talenteshows für Koranrezitationen und anderen Sendungen mit „religiösem Bezug“ auch aus komödiantischen Darbietungen besteht.

Viele der gut 200 Millionen indonesischen Muslime würden sich während des frühmorgendlichen Frühstücks durch Witze, knappe Bekleidungen, Transvestiten sowie Klatsch und Tratsch ablenken, so die Befürchtung der Kommission. Die Fernsehanstalten dürfen ihr Programm zwar bringen, müssen es aber entschärfen.

„Ramadan Rush“ auf Markenwaren

Gut betuchte Muslime aus dem Mittleren Osten lenken sich anders ab - sie machen Shoppingtouren nach London und decken sich vor dem Monat des Verzichts mit Luxusgütern ein. London verzeichnet kurz vor Beginn des Ramadan einen rasanten Umsatzanstieg. Reiche Muslime aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait, Saudi-Arabien und Katar versüßen sich den Ramadan mit Markenwaren. Die Kaufleute sprechen von der „Ramadan Rush“.

Eine Frau kauft auf einem Markt in Ägypten eine Lampe zur Dekoration für den muslimischen Fastenmonat Ramadan

APA/EPA/Khaled Elfiqi

Für die Zeit des Ramadan werden besondere Dekorationsutensilien, wie hier eine Lampe, gekauft

Für gläubige Muslime ist das Fasten im Ramadan, Saum, der vierte der fünf Grundpfeiler des Islam, wörtlich bedeutet das „Unterwerfung unter oder Hingabe an Gott“. Das Wort ist auch mit dem Begriff „salam“ - „Friede“ verwandt. Die anderen vier Säulen sind das Glaubensbekenntnis (Schahada), fünf tägliche Gebete (Salat), die Spende an Bedürftige (Zakat) und die Wallfahrt nach Mekka (Hadsch). Die letzten zehn Nächte des Fastenmonats gelten als besonders heilig. Eine von ihnen heißt in Erinnerung an die erste Offenbarung Mohammeds „Nacht der Bestimmung“ (Leilat al-Qadr), nach der auch die 97. Sure (Kapitel) des Korans benannt ist.

Nach Sonnenuntergang, „wenn ein weißer Zwirn nicht mehr von einem schwarzen zu unterscheiden ist“, werden Datteln und Wasser gereicht. Danach wird, oft in größeren Gemeinschaften, festlich gespeist. Das Nachtgebet fällt im Ramadan länger als gewöhnlich aus. Beendet wird der Fastenmonat am 27. Juli mit dem Freudenfest Id al-Fitr (Türkisch: Seker Bayrami). Kleine Geschenke und Süßigkeiten machen das Fest für viele Kinder zu einem besonderen Tag.

Datteln in einer Schale auf einem Tisch. Sie werden traditionell zum Fastenbrechen im Ramadan gegessen

APA/AP/Matthew Mead

Mit Datteln wird traditionell das Fasten nach Sonnenuntergang gebrochen

Wenn die Sonne nicht untergeht

Schwierig gestaltet sich die Feststellung, wann das Fasten beginnt beziehungsweise endet, wenn die Sonne, wie in den nördlichen Ländern, quasi nie untergeht. Eine einheitliche Regelung gibt es dafür nicht. Einem Bericht der dpa-Korrespondentin Julia Wäschenbach zufolge richten sich norwegische Muslime nach den Zeiten in Mekka. Auch die meisten muslimischen Finnen richten sich nach Mekka-Zeit. Es gebe aber einige wenige Hartgesottene, die wirklich nur in den ein bis zwei Stunden der Dämmerung essen und trinken würden, erzählte der Vorsitzende der Islamischen Gesellschaft Nordfinnlands, Abdul Mannan der dpa.

Viele Muslime, die in nördlichen Ländern leben, nützen den Ramadan im Sommer, um in muslimische Länder zu verreisen und dort den Fastenmonat zu zelebrieren, denn es mache auch Spaß, diese Tradition mit Freunden und Verwandten zu teilen, so Mannan gegenüber der dpa. Und einen Vorteil hat Mannan zufolge das Fasten in nördlichen Gebieten auch: Es wird tagsüber nicht so heiß wie im Süden, man schwitzt daher nicht so viel.

Kein Frieden im Ramadan

Der Ramadan als Zeit der Besinnung soll den Glauben und die Selbstdisziplin der Gläubigen stärken. Er gilt auch als Monat des Friedens und der Versöhnung. Islamistische Terrororganisationen verübten in der Vergangenheit allerdings auch im Fastenmonat Anschläge gegen vermeintlich „Ungläubige“. Im Islam gibt es vier Monate, in denen Kriege verboten sind. Der Ramadan gehört nicht dazu. Schon Mohammed gewann seine erste große Schlacht im Ramadan. Im Jahr 624 siegte der Prophet bei Badr nahe Medina über seine Gegner.

Auch in modernen Zeiten sorgte der Ramadan nicht für einen Stopp von Gewalt und Kriegen. So wurde während der muslimischen Fastenzeit einer der für die Araber wichtigsten Kriege begonnen: Ägypten griff Israel mitten im Ramadan von 1973 an. Und auch in den gegenwärtigen Krisenherden der islamischen Welt werden die Kämpfe vermutlich fortgesetzt.

religion.ORF.at/APA/dpa