Krätzl: Priesterauswahl müsste strenger sein

Die Priesterausbildung in Österreich ist grundsätzlich „gut aufgestellt“, Probleme sieht der emeritierte 82-jährige Wiener Weihbischof Helmut Krätzl jedoch bei der Kandidatenauswahl.

„Eigentlich müsste diese Auswahl immer strenger sein, aber angesichts der geringen Kandidatenzahlen ist man oft froh, überhaupt noch Priesteramtskandidaten zu finden“, sagte Krätzl in einem Gespräch mit Kathpress anlässlich seines diamantenen Priesterweihejubiläums am 29. Juni.

Unter den heutigen Priesteramtskandidaten gebe es nicht wenige, „die die Probleme der Kirche nicht sehen wollen“. Wenn er etwa mit Diakonen vor deren Weihe spreche und sie zu den Problemen der Kirche frage, antworteten manche: „Welche Probleme?“ Krätzl, der früher als Wiener Bischofsvikar auch für die Priesterfortbildung zuständig war, dazu: „Das grenzt an Realitätsverweigerung.“ Wie Papst Franziskus sehe er hier „durchaus die Gefahr eines neuen kirchlichen Klerikalismus“.

„Rückenwind des Konzils“ zu wenig genutzt

Als kirchliche Fehlentwicklung der letzten Jahrzehnte nannte der 82-Jährige, dass der „Rückenwind des Konzils“ zu wenig genutzt wurde, um der Kirche einen neuen Platz in der Gesellschaft zu verschaffen. „Stattdessen aber kapselte sie sich wieder ein und nahm Öffnungen des Konzils zum Teil wieder zurück.“

Weihbischof Helmut Krätzl

Kathpress/Franz Josef Rupprecht

Weihbischof Helmut Krätzl

Unter dem Eindruck der 68er-Bewegung seien Türen, die das II. Vaticanum etwa im Blick auf das neue Kirchenverständnis, die Liturgie, die Mitverantwortung der Bischöfe, die Selbstständigkeit der Ortskirchen, die Morallehre, das Weltverständnis, aber auch hinsichtlich der Ökumene aufgestoßen habe, stückweise wieder geschlossen worden. Krätzl, der am Konzil als Stenograf selbst teilnahm, beschreib diese Entwicklung in seinem Buch „Im Sprung gehemmt“.

Franziskus „dritter Konzilspapst“

Unter Papst Franziskus - dem laut Krätzl „dritten Konzilspapst“ nach Johannes XXIII. und Paul VI. - gebe es jedoch hoffnungsvolle Anzeichen für eine neue Offenheit. Wie der kürzlich heiliggesprochene Johannes XXIII. führe auch Franziskus sein Amt „in großer persönlicher Freiheit“ und gehe „ungemein offen auf die Menschen zu“.

Als mögliches „Lernfeld“, wie die Kirche aus ihrer Einkapselung herauszukommen könnte, betrachtet der Bischof „etwa die vom Konzil entfaltete neue Sicht von Ehe und Sexualität“. Diese vom „starren Korsett“ der Ehezwecke befreite Sicht sei nach dem Konzil „nie wirklich zum Tragen gekommen“, bedauerte Krätzl. „Paul VI. war zu vorsichtig in diesen Fragen, auch in Fragen der Empfängnisregelung.“

Synode: Wiederverheiratete wichtig

Große Hoffnungen setzt der emeritierte Weihbischof auf die im Herbst stattfindende außerordentliche Bischofssynode zu Ehe und Familie. Reformen im Geist des Konzils erhofft sich Krätzl etwa im Blick auf die wiederverheirateten Geschiedenen. „Es kann doch nicht sein, dass die Kirche das Glück, das Partner nach einem Neuanfang in einer zweiten Verbindung finden, theologisch disqualifiziert bzw. diese Menschen dauerhaft der schweren Sünde verdächtigt und ihnen nicht barmherzig die Hand reicht“, sagte Krätzl wörtlich.

Ein „Franziskus-Effekt“ zeige sich jedenfalls schon unter den österreichischen Bischöfen. Die Bischofsernennungen in der Folge von Kardinal König seien vom offenkundigen Bestreben Roms getragen gewesen, nach den Jahren einer starken Öffnung der Kirche zur Gesellschaft einen Kurswechsel herbeizuführen. Die Folge sei eine „sehr zerfahrene“ Situation gewesen, „die Bischofskonferenz war gespalten“. Diese Ära, so Weihbischof Krätzl, „scheint nun vorbei zu sein“.

Den Jahrestag seiner Priesterweihe am 29. Juni 1954 feiert Weihbischof Helmut Krätzl genau 60 Jahre später im Stephansdom. Die Erzdiözese Wien lädt um 9.30 Uhr zu einem Dankgottesdienst zu Ehren des Jubilars ein; Krätzl diente ihr unter anderem als Diözesanadministrator und Bischofsvikar für die Bereiche Erwachsenenbildung, Priesterfortbildung und Ökumene.

religion.ORF.at/KAP

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