Lubawitscher Rebbe starb vor 20 Jahren

Vor 20 Jahren ist der von vielen chassidischen Juden verehrte Rabbiner Menachem Mendel Schneerson in New York gestorben. Der Einfluss des Lubawitscher Rebbe auf das heutige Judentum ist noch immer enorm.

Rabbiner Schneerson, der die Chabad-Lubawitsch-Bewegung anführte, starb am 12. Juli 1994 (Tammus 5754 nach dem jüdischen Kalender) in einem New Yorker Spital an den Folgen eines Schlaganfalls - eine Tatsache, die viele gläubige Juden in tiefe Trauer stürzte. „Schneerson galt als Zaddik, als der bedeutendste Gerechte seiner Zeit“, sagte der Gründer der Wiener Chabad-Gemeinde Rabbi Jacob Biderman gegenüber religion.ORF.at.

Im jüdischen Glauben gibt es die Vorstellung, dass, wenn die Menschheit reif dafür ist, ein Messias (Moshiach) sie in ein besseres Zeitalter führen wird. Der jeweils bedeutendste Zaddik ist gleichzeitig auch der potenzielle Messias. Bei Schneersons Beerdigung, zu der Tausende Chabad-Mitglieder aus aller Welt erschienen waren, kam es zu dramatischen Szenen trauernder Anhänger.

Wiederbelebung des Judentums

Rabbi Menachem Mendel Schneerson galt als sehr charismatisch, er empfing Menschen aus aller Welt zu Gesprächen (Jechidut, etwa: private Audienz). Später wurden daraus Massenveranstaltungen, bei denen Tausende seinen Reden zuhörten und sich danach von ihm beraten und segnen ließen.

Unter Schneersons Leitung gewann die aus Weißrussland stammende Gemeinschaft an Einfluss und öffnete sich für die Welt. Sie sei ursprünglich eine „intellektuelle, elitäre“ kleine Gruppe gewesen, so Rabbi Biderman - bis zum Holocaust. Danach habe Chabad Lubawitsch es sich zur Aufgabe gemacht, „das Judentum wiederzubeleben“. Gesandte in jüdische Gemeinden in aller Welt machten sie zur populären Bewegung.

Chassidische Juden gedenken des 20. Todestags des Lubawitscher Rebbe Menachem Mendel Schneerson in New York

APA/EPA/Andrew Gombert

Chassiden gedachten des 20. Todestags des Lubawitscher Rebbe in New York schon am 1. Juli

Geboren wurde Schneerson am 18. April 1902 (11. Nissan 5602) im russischen Nikolajew. Er studierte in Berlin und Paris. 1928 heiratete er Chaja Moussia Schneerson, die Tochter des sechsten Rebben der Chabad-Dynastie, Rabbi Josef Jitzak Schneersohn. Das Paar floh vor den Nationalsozialisten zuerst nach Paris und später in die USA. 1951, ein Jahr nach dem Tod des Schwiegervaters, wurde Menachem Mendel Schneerson Anführer der Bewegung. Ihr neues Zentrum wurde das New Yorker Wohnviertel Crown Heights in Brooklyn.

Chabad

Die Chabad-Bewegung wurde im ausgehenden 18. Jahrhundert von Rabbi Schneur Salman von Ljadi (1745 bis 1812) gegründet. Die Anhänger der Bewegung, die heute in New York ihr Zentrum hat, bezeichnen sich auch als „Lubawitscher“. Der Name stammt von dem weißrussischen Dorf Lubawitschi, wo der zweite Rabbiner der Dynastie seinen Sitz hatte.

Bindung an Rabbiner-Dynastie

Die Chabad-Bewegung ist eng an die Schneerson-Dynastie gebunden. Die Anhänger der chassidischen Gruppe innerhalb des orthodoxen Judentums pflegen eine besonders intensive Form der Frömmigkeit. Bis heute gibt es für den siebenten Lubawitscher Rebbe, der keine Kinder hatte, keinen Nachfolger. Das sei nichts Ungewöhnliches, so Rabbi Biderman zu religion.ORF.at. Es gab schon früher lange Pausen zwischen den einzelnen Lubawitscher Rebben.

Es gehe weniger um eine physische Person als um den Geist und die Inhalte, sagte der Wiener Rabbiner, „obwohl es natürlich besser ist, wenn man einen Rabbi hat, den man etwas fragen kann“, so Biderman. Die Nachfolgefrage stellt sich also nicht dringlich, sollte ein geeigneter Kandidat auftauchen, könnte es aber wieder einen Lubawitscher Rebben geben. „Sein Geist lebt in seinen Werken“, sagte der Wiener Rabbi.

Schneerson hinterließ insgesamt 114 Werke, die meisten davon beschäftigen sich mit dem Talmud und der Kabbala, mit Maimonides und der chassidischen Philosophie, aber es gibt auch Kommentare zur Bibel. Die Chabad-Schriften sind für Biderman „die bedeutendste Bibliothek innerhalb der jüdischen Theologie“. Der Lubawitscher Rebbe habe acht Sprachen beherrscht: Das habe dazu beigetragen, dass er von so vielen Menschen kontaktiert wurde und mit ihnen kommunizieren konnte, vermutet Biderman.

Innerjüdische Mission

Als eine der großen jüdischen Organisationen engagiert sich Chabad Lubawitsch natürlich in religiösen Bereichen, aber auch sozial. Die Rabbiner-Studenten unterrichten, bereiten jüdische Feiertage vor und leisten soziale Dienste. Das Ziel von Chabad ist die Zurückführung der Juden in ihre religiösen Traditionen, eine Art innerjüdische Mission. Das Wort Chabad ist ein Akronym aus den Anfangsbuchstaben der hebräischen Wörter für Weisheit (Chachmah), Verstand (Binah) und Wissen (Da’at).

Rabbi Schneerson politisch einzuordnen ist nicht ganz leicht. Zwar habe sich Chabad als einzige religiöse Gruppe nicht in die Politik eingemischt, weshalb sie in Israel bei Subventionen benachteiligt werde, so Biderman zu religion.ORF.at, gleichzeitig hatte der Lubawitscher Rebbe ein Naheverhältnis zur eher links stehenden israelischen Arbeiterpartei und war politisch nicht ohne Einfluss. Viele Gründer der Partei, wie etwa Jitzak Rabin, entstammten Chabad-Familien. Aber auch konservative Spitzenpolitiker wie Menachem Begin, Ariel Scharon und Benjamin Netanjahu trafen sich mit Schneerson und suchten bei ihm Rat.

Israels Premier Benjamin Netanjahu sitzt anlässlich einer Bar-Mizwa-Feier vor einem überlebensgroßen Plakat von Rabbi Schneerson

Reuters

Israels Premier Benjamin Netanjahu anlässlich einer Bar-Mizwa-Feier vor einem Plakat von Rabbi Schneerson

Engagement auf Bildungssektor

Chabad hat heute in rund 2.000 Städten Einrichtungen und etwa 4.300 Emissäre (Schluchim). Oft wurden Ehepaare oder Familien in jüdische Gemeinden geschickt, um diese zu unterstützen und in Sachen jüdische Traditionen Impulse zu geben. Viele davon sind im Bildungssektor tätig. Die Chabad-Bewegung konzentriert sich vor allem auf traditionelle jüdische Erziehung. Die Zahl der Anhänger wird auf weltweit etwa 150.000 geschätzt, sie betreiben über 1.000 Ausbildungszentren und Talmudschulen.

In den 1980er-Jahren begann die Chabad-Bewegung in Wien damit, Einwandererkinder aus der ehemaligen Sowjetunion zu unterrichten. 1997 entstand im zweiten Wiener Bezirk die neue jüdische Lauder-Chabad-Schule, die von der Ronald S. Lauder Foundation finanziert wurde. Hier lernen mittlerweile 430 Schülerinnen und Schüler, „alle Arten von Kindern“ gebe es an der Schule, sagte Biderman, von Kindern aus liberalen Familien über solche aus konservativem Haus bis hin zu orthodoxen.

An der Lauder Business School gibt es etwa 300 Studenten aus 18 Ländern, nur etwa zehn Prozent von ihnen seien Orthodoxe, so der Rabbi, der an der Hochschule lehrt. In Wien leben derzeit ungefähr 50 Familien, die sich zu Chabad Lubawitsch zählen. Den Todestag des Lubawitscher Rebbe hat man - laut jüdischem Kalender bereits am 1. Juli - auch in Wien begangen, 300 bis 400 Personen sind zu diesem Zweck zusammengekommen.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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