Nahost-Konflikt: Antisemitismus bei Demos in Europa

Bei Kundgebungen gegen Israels Vorgehen im Nahost-Konflikt in mehreren europäischen Großstädten kam es am Wochenende zu antisemitischen Ausschreitungen. Politik und Religionsvertreter schlagen Alarm.

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Italiens sahen sich angesichts der vermehrten antisemitischen Äußerungen gezwungen, diese in einer gemeinsamen Stellungnahme zurückzuweisen. Am Rande des EU-Außenministertreffens in Brüssel verurteilten Federica Mogherini (Italien), Laurent Fabius (Frankreich) und Frank-Walter Steinmeier (Deutschland) die „hässlichen antisemitischen Äußerungen, Demonstrationen und Übergriffe der letzten Tage in aller Schärfe“. „Nichts, einschließlich der dramatischen militärischen Konfrontation in Gaza, rechtfertigt ein solches Handeln bei uns in Europa“, erklärten die Minister am Dienstag.

Die Demonstrationsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung würden respektiert, so die Stellungnahme. Doch gegen „Taten und Äußerungen“, welche die „Grenze zu Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ überschritten, werde „mit allen Mitteln des Rechtsstaats“ vorgegangen.

Feuer und Straßenblockade in einem Pariser Vorort

Reuters/Benoit Tessier

Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten im Pariser Vorort Sarcelles

Judenfeindliche Parolen bei Demos

In Deutschland, Frankreich und Italien war es in den vergangenen Tagen zu Kundgebungen gegen Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen gekommen, bei denen auch judenfeindliche Parolen zu hören waren. Zum Teil kam es auch zu Auseinandersetzungen mit Polizisten. Am Samstag musste die Berliner Polizei einen jüdischen Mann vor Angriffen von Demonstranten schützen.

Israels Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, reagierte mit Entsetzen auf die antisemitischen Parolen. Die Meinungsfreiheit werde von Islamisten, Rechts- und Linksextremisten dazu missbraucht, eine Kultur des Hasses und der Gewalt in die deutsche Debatte zu importieren, schrieb er in einem Beitrag für die „Berliner Zeitung“ (Dienstag). In den Straßen Berlins seien Juden verfolgt worden wie 1938. Wenn es so weitergehe, befürchte er, dass unschuldiges Blut vergossen werde.

Frankreich: Ausschreitungen in Sarcelles

Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland meldeten sich auch Religionsvertreter zu den Vorfällen zu Wort. Die katholische Bischofskonferenz Frankreichs verurteilte in einer Aussendung antisemitische Ausschreitungen im Pariser Vorort Sarcalles. „Wir sind geschockt wie ein Großteil der Franzosen“, erklärten die Bischöfe am Montag in Paris. Sie riefen die Regierung auf, alles dafür zu tun, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.

In Sarcelles nördlich von Paris mündeten am Sonntag Demonstrationen gegen den Konflikt im Gazastreifen in Gewaltausbrüche. Demonstranten lieferten sich vor zwei Synagogen Straßenschlachten mit der Polizei. In dem von vielen Juden bewohnten Stadtbezirk brannte zudem ein Geschäft für koschere Lebensmittel.

Deutschland: „Explosion des Judenhasses“

In Deutschland meldete sich am Montag der Zentralrat der Juden zu Wort und rief Politik, Medien, Zivilgesellschaft sowie muslimische Verbände zu einem klaren Bekenntnis gegen Antisemitismus auf. „Wir erleben hierzulande gerade eine Explosion an bösem und gewaltbereiten Judenhass, die uns alle schockiert und bestürzt“, erklärte der Präsident des Zentralrats, Dieter Graumann. „Dass auf deutschen Straßen antisemitische Aufrufe der übelsten und primitivsten Art skandiert werden können, hätten wir niemals im Leben mehr für möglich gehalten“, heißt es in der Erklärung weiter.

Toleranz habe ihre Grenzen dort, wo andere Menschen verunglimpft und angegriffen würden. Hier gehe es oft gar nicht mehr um Kritik an konkreter israelischer Regierungspolitik, „hier regiert zu offensichtlich der reine und blanke Judenhass“. Diese dramatische Entwicklung mache der jüdischen Gemeinschaft mittlerweile sehr große Sorgen. „Wir wünschen uns in diesen Tagen daher viel mehr entschlossenes Engagement für die jüdische Gemeinschaft im Land“.

Wien: FPÖ kritisiert Häupl

Auch in Wien gibt es Kritik an einer Demonstration gegen die israelische Politik, die am Sonntag stattfand. Die FPÖ richtete ihre Kritik aber nicht gegen die Demonstranten, sondern gegen den Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). Die Demonstration hätte nämlich erst gar nicht genehmigt werden dürfen, sagte FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache, denn dort sei „Antisemitismus“ sichtbar geworden. Häupl warf er vor, auf die Stimmen der türkisch-stämmigen Wähler zu schielen.

Bei der Demonstration hätten hauptsächlich „türkische Personen“ gegen Israel demonstriert, so Strache am Dienstag. Im Vorfeld sei es zu „antisemitischen Hetzpostings“ - auch auf seiner eigenen Facebook-Seite gekommen, das habe er auch zur Anzeige gebracht. Auch während der Demonstration sei „Antisemitismus sichtbar geworden“, meinte Strache. Als Beispiel nannte er etwa Transparente, auf denen der Davidstern mittels Hakenkreuz durchgestrichen worden sei.

religion.ORF.at/APA/dpa/AFP