„Bibliotheca“: Die Bibel in neuem Gewand

Der US-amerikanische Designer Adam Lewis Greene will die Bibel mit neuem Design zum „Lesevergnügen“ machen. Mehr als 750.000 Dollar hat er auf der Online-Finanzierungsplattform Kickstarter bereits dafür gesammelt.

In einem Video, in dem er sein Projekt vorstellt, fasst Greene seine Idee in einer Frage zusammen: „Könnte es sein, dass die enzyklopädische Natur unserer heutigen Bibeln dafür verantwortlich ist, dass die biblische Literatur als trocken und langweilig wahrgenommen wird?“ Es brauche eine Alternative, so der Designer, und diese wolle er schaffen.

Greene greift laut eigenen Angaben nur sehr vorsichtig in den Text ein - er verwende die American Standard Version aus dem Jahr 1901 und nehme nur kosmetische Änderungen vor, schreibt er. Zum Beispiel ersetze er das altmodische „thou“ durch „you“. Der wichtigste Unterschied zu einer „normalen“ Bibel ist wohl, dass Greene seine Version in vier Bände gliedert, wobei das Alte Testament auf die ersten drei aufgeteilt ist, während der vierte das Neue Testament enthält. Aus diesem Gedanken folgt auch der Name des Projekts: „Bibliotheca“, lateinisch für „Bibliothek“.

Buchrücken der vier Bände von "Bibliotheca"

Bibliotheca/Adam Lewis Greene

Adam Lewis Greenes vierbändige „Bibliotheca“

Seite aus "Bibliotheca" mit dem Titel "The First Book of Moses - commonly called Genesis"

Bibliotheca/Adam Lewis Greene

Greene hat eigens für sein Projekt neue Schriften entworfen

Die Bibel als „große literarische Kunst“

„Unserer heutigen Bibeln sind von ihrem Format her extrem dicht, numerisch und enzyklopädisch. Sie werde völlig anders wahrgenommen als andere Werke der klassischen Literatur und wohl auch völlig anders, als die Autoren ihre Werke wahrgenommen haben“, schreibt Greene auf Kickstarter. „Durch das Aufteilen des Gesamttextes in mehrere Bände und durch die Verwendung von klassischer, eleganter Typografie soll ’Bibliotheca" eine Alternative für jene bieten, die die Bibel neu genießen wollen, als große literarische Kunst“.

Greenes Überarbeitung bezieht sich hauptsächlich auf ästhetische Gesichtspunkte: Er lässt die Nummerierung der Kapitel und Verse weg, legt großen Wert auf den Textfluss und hat sogar zwei eigene Schriften für sein Projekt designt. Hochwertiges Papier und elegante Einbände sollen das Lesevergnügen zusätzlich steigern. Kurzum: Er versucht, die Bibel als literarisches Werk zu gestalten, nicht als Nachschlagewerk.

Unerwarter Erfolg

Der Erfolg scheint dem Designer jedenfalls recht zu geben. Zu Beginn seiner Kampagne auf der Online-Finanzierungsplattform Kickstarter Ende Juni gab er 37.000 Dollar als Ziel an. Dieser Betrag hätte die Produktionskosten für 500 Sets seiner überarbeiteten Bibel hereingebracht. Das Ziel war aber bereits nach wenigen Tagen erreicht. Inzwischen steht das Projekt bei mehr als 750.000 Dollar und über 8.000 Unterstützern (Stand: 24.7., 17 Uhr). Greene hat mittlerweile auch - im Gegensatz zum ursprünglichen Plan - Möglichkeiten für einen internationalen Versand geschaffen.

Eine weitere Änderung, die Greene aufgrund des unerwarteten Erfolgs in Betracht zieht, betrifft den Umfang der „Bibliotheca“. Die so genannten deuterokanonischen Schriften bzw. Apokryphen waren ursprünglich nämlich nicht vorgesehen. Es handelt sich dabei um jene Schriften, die von der katholischen, den orthodoxen und den altorientalischen Kirchen als Teil des biblischen Kanons angesehen werden, nicht aber von den protestantischen. Durch die große Unterstützung könne er sich nun aber vorstellen, diese Texte in einem fünften Band hinzuzufügen, schreibt Greene. Wenn das Projekt eine Million Dollar an Unterstützung bekäme, wäre der fünfte Band fix.

Mann hält Buch

Bibliotheca/Adam Lewis Greene

„Bibliotheca“ soll die alten Texte zu neuem Lesevergnügen machen

Ein Projekt für alle

Seine eigene religiöse Heimat soll bei dem Projekt jedenfalls keine Rolle spielen, so Greene auf Anfrage von religion.ORF.at. „Ich habe mich bemüht, ‚Bibliotheca‘ eine eigene Stimme zu geben. Weder will ich mich dem Projekt aufdrängen, noch andere verstimmen, indem ich ihm das Label einer bestimmten Denomination gebe. Und das würde sicher passieren, wenn ich über meinen Glauben sprechen würde.“ Er freue sich über das rege Interesse von Lesern unterschiedlichster Religionen, von Juden und Christen über Muslime bis hin zu Atheisten und Agnostikern.

Österreich gehört zu jenen Ländern, in die ein Versand der „Bibliotheca“ - freilich auf Englisch - inzwischen möglich ist. Eine Unterstützungserklärung von 75 Dollar zuzüglich 35 Dollar Versand. Die Kampagne, die noch bis 27. Juli läuft, ist derzeit der einzige Weg, Greenes Bibel-Version zu erstehen. Er hoffe zwar, dass es danach eine Möglichkeit geben werde, sie käuflich zur Verfügung zu stellen, schreibt Greene auf Kickstarter, könne dies aber nicht garantieren.

Michael Weiß, religion.ORF.at

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