Vatikan prüft Verkürzung von Eheannullierungen
Der Rat untersuche derzeit, ob künftig auch eine gerichtliche Instanz ausreichen könne, um die Ungültigkeit einer Ehe festzustellen, sagte Coccopalmerio, dem „Osservatore Romano“ (Freitag-Ausgabe). Bisher waren dafür zwei voneinander unabhängige Gerichtsentscheide notwendig.
Eine weitere Option sei, dass nur noch ein Richter über die Ehenichtigkeit entscheide statt wie bislang ein Richterkollegium. Voraussichtlich werde der Ortsbischof auch die Möglichkeit erhalten, unmittelbarer in die Verfahren einzugreifen, um deren Beschleunigung herbeizuführen, so der italienische Kardinal. Bislang lägen jedoch noch keine befriedigenden Ergebnisse vor.
Reuters/Max Rossi
Verfahren dauern mehrere Jahre
Die Straffung von Ehenichtigkeitsverfahren ist eines der Themen der Weltbischofssynode über die Familie im kommenden Oktober. In einem Ehenichtigkeitsverfahren geht es um die amtliche Feststellung, ob eine gültige Ehe im katholischen Sinne besteht. Solche Verfahren können sich in ihrer derzeitigen Form über mehrere Jahre hinziehen. Nachdem eine Scheidung im Kirchenrecht aufgrund des Dogmas der Unauflöslichkeit der Ehe nicht vorgesehen ist, ist die Annullierung der einzige Weg, eine Ehe vor dem Kirchenrecht aufzulösen. Nur nach der Annullierung können Katholikinnen und Katholiken erneut kirchlich heiraten.
Mögliche Gründe für eine ungültige Ehe können Formfehler bei der Eheschließung sein. In der Regel werden jedoch sogenannte Willensmängel oder Erkenntnismängel geltend gemacht. Ein Willensmangel liegt etwa vor, wenn ein Partner von vorneherein einen Kinderwunsch ausschließt, ein Erkenntnismangel, wenn etwa einem der Partner nicht bewusst ist, dass eine Ehe nach katholischem Verständnis unauflöslich ist.
Mehrere Gerichte müssen entscheiden
Bisher müssen in der Regel ein Diözesangericht und das Gericht der Kirchenprovinz übereinstimmend zu dem Ergebnis kommen, dass eine Ehe ungültig ist. Bei abweichenden Urteilen oder Unklarheiten müssen die Fälle der Römischen Rota vorgelegt werden, dem obersten Ehegericht im Vatikan. In der vatikanischen Umfrage zu Ehe, Familie und Sexualität war im Januar auch um eine Stellungnahme zur Straffung von Ehenichtigkeitsverfahren gebeten worden.
Eine solche könnte eine mögliche Antwort des Vatikans auf die langjährige Forderung reformorientierter Katholiken nach einer Lösung für das Problem der wiederverheirateten Geschiedenen sein. Diese sind nach katholischem Kirchenrecht vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen. Während mehrere Vatikanvertreter bereits klargestellt haben, dass am Dogma der Unauflöslichkeit der Ehe nicht gerüttelt werden könne, könnte eine Vereinfachung der Ehenichtigkeitsverfahren eine Art Kompromisslösung darstellen.
religion.ORF.at/KAP
Mehr dazu:
- Kardinal Müller: Kein Spielraum bei Wiederverheirateten
(religion.ORF.at; 24.7.2014) - Baldisseri: Wiederverheiratete nur eine Frage von vielen
(religion.ORF.at; 4.7.2014) - Synodensekretär: Keine „katholische Scheidung"
(religion.ORF.at; 26.6.2014)