Sao Paulo: „Salomons Tempel“ eingeweiht

In Sao Paulo wurde am Donnerstag der größte Sakralbau Brasiliens eröffnet: ein Nachbau des Tempels Salomons, finanziert von der „Universalen Kirche des Königreichs Gottes“, einer Pfingstkirche.

Der neue Tempel bietet Sitzplätze für 10.000 Gläubige. Doch das ist noch lange nicht alles: Büros und Wohnungen für die Kirchenleitung, mehrere TV- und Radiostudios für Übertragungen der Gottesdienste, ein Museum, ein 100 Quadratmeter großes Taufbecken, ein Olivenhain mit aus Israel importierten Bäumen und sogar ein Hubschrauberlandeplatz sind in den gigantischen Komplex integriert. Alles in allem wird der Tempel die katholische Basilika im Wallfahrtsort Aparecida als größter Sakralbau des Landes ablösen.

Menschenmenge vor riesigem Gebäude mit Säulen

APA/EPA/Sebastio Moreira

Der Nachbau des „Tempels des Salomon“ in Sao Paulo

Sendungshinweis

Das ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ hat am 29.12.2013 ausführlich über brasilianische Pfingstkirchen - unter anderem über die IURD - berichtet. Der Beitrag wird am 3. August im Zuge des „Orientierung“-Sommerprogramms wiederholt.

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Laut Angaben der „Universalen Kirche des Königreichs Gottes“ („Igreja Universal do Reino de Deus“; IURD) ist das Gebäude den biblischen Informationen über den Tempel Salomons, den ersten Tempel in Jerusalem, nachempfunden. Nur größer: Statt den überlieferten 13 Metern Höhe ist der brasilianische Nachbau 55 Meter hoch. Auch beim Interieur hielt man sich an biblische Vorgaben: Der riesige Altar ist den überlieferten Beschreibungen der Bundeslade nachempfunden, in der die Steintafeln mit den zehn Geboten aufbewahrt worden sein sollen.

„Die Kirche hat keine Kosten gescheut“, sagte der Architekt Rogerio Araujo gegenüber der New York Times. „Wir wollten einen Koloss bauen, der die Leute dazu bringt, stehen zu bleiben und zu staunen. Und das haben wir getan.“ Vier Jahre lang wurde an dem Gebäude gearbeitet, die Kosten betrugen laut New York Times etwa 300 Millionen Dollar.

Reicher und umstrittener Bischof

Zur Eröffnung am Donnertag waren unter anderen Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff und ihr Vorgänger Luiz Inacio Lula da Silva angekündigt. Der Gründer und Bischof der IURD, Edir Macedo, gehört selbst zu Brasiliens Prominenz. Er ist Eigentümer des zweitgrößten Medienunternehmens des Landes und Miteigentümer einer Privatbank. Im vergangenen Jahr bezifferte das US-amerikanische Magazin „Forbes“ sein Vermögen auf 1,3 Milliarden Dollar.

Doch rund um die Kirche und ihren Gründer gibt es auch immer wieder Negativschlagzeilen. Seit den 1990er Jahren wurde Macedo vorgeworfen, dass er sich am Kircheneigentum selbst bereichert. Auch Verdachtsmomente in Richtung Geldwäsche und Steuerbetrug kamen immer wieder auf, verurteilt wurde der Bischof deshalb aber nie. 1992 verbrachte er elf Tage im Gefängnis - wegen Scharlatanerie und Betrug im Zusammenhang mit angeblichen Wunderheilungen.

Die Pfingstbewegung

Die Pfingstbewegung (auch „Pentekostalismus“) ist eine Erneuerungsbewegung innerhalb des Christentums, die um 1900 in den USA entstand. Wesentlichstes Merkmal ist der Glaube an die so genannten Gaben des Heiligen Geistes („Charismata“) wie zum Beispiel Zungenrede, Wunderheilung oder Prophetie.

Größte Pfingstkirche Brasiliens

Die IURD wurde 1977 gegründet und gilt heute als eine der größten Pfingstkirchen Brasiliens. Nach eigenen Angaben hat sie weltweit zwölf Millionen Mitglieder, acht Millionen in Brasilien - tatsächlich dürften die Zahlen wohl niedriger sein. Konfessionell ist die IURD ist der Pfingstbewegung zuzurechnen, und damit jener Strömung im Christentum, die derzeit in Südamerika, aber auch global am schnellsten wächst. Laut einer Studie des US-amerikanischen Pew Forum on Religion and Public Life gab es im Jahr 2010 weltweit 279 Millionen Pfingstler - das sind 12,8 Prozent der gesamten Christenheit.

Brasilien ist zwar nach wie vor weltweit das Land mit den meisten Katholiken, die Zahlen sinken aber seit Jahren kontinuierlich. Fast ein Viertel der Bevölkerung ist hier bereits den Pfingstkirchen zuzuordnen. Darüber hinaus genießen auch innerhalb der katholischen Kirche charismatische Strömungen, die den Pfingstkirchen theologisch sehr nahe stehen, regen Zulauf.

Globaler Trend „Megachurches“

Das neue Gotteshaus der IURD entspricht von seinen Dimensionen her einem internationalen Trend. Vor allem in den vergangenen beiden Jahrzehnten haben sich - ausgehend von den USA - überall auf der Welt so genannte „Megachurches“ entwickelt. Die meisten von ihnen sind Pfingst- oder evangelikale Kirchen.

Als „Megachurch“ gilt eine Gemeinschaft laut gängiger Definition ab einem durchschnittlichen wöchentlichen Gottesdienstbesuch von 2.000 Menschen. Als derzeit größte „Megachurch“ gilt die Yoido Full Gospel Church in Seoul (Südkorea), die jeden Sonntag - verteilt auf sieben Gottesdienste - von über 200.000 Menschen besucht werden soll.

Michael Weiß, religion.ORF.at

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